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Cyclocrossen im Paradies

BB-User gpearl flüchtet in den Indischen Ozean. Georg Pfarls Bericht von Weihnachtsferien der anderen Art: querfeldein über Mauritius.
Text: Georg Pfarl Fotos: Georg Pfarl

Keuchend steige ich vom Rad, lege es hin und lasse mich schweißnass daneben ins Gras fallen. Die Sonne steht im Zenit und brennt aus einem azurblauen Himmel gnadenlos auf mich herab. Um mich herum werfen einige Palmen und Bananenstauden dürftige Schatten. Von einem Mangobaum herab verspotten mich kreischend Dutzende Vögel.
Es ist der letzte Tag des Jahres 2010 und ich liege neben meinem Rad auf einer Passhöhe im zentralen Bergland von Mauritius, einem Eiland am 20. südlichen Breitengrad an der Ostküste Afrikas, mitten im Indischen Ozean.

Am 23. Dezember haben wir das tief verschneite Österreich hinter uns gelassen und sind via Dubai knapp 9.000 km Richtung Süden geflogen. Bei der Ankunft konnte ich zwar mein Fahrrad unbeschadet entgegen nehmen, von meinem Gepäck war aber weit und breit keine Spur. Ich erfuhr, dass es in Schwechat geblieben sei und mit der nächsten Maschine nachgeliefert werde.
Emirates machte 50 Dollar für eine Badehose locker, und mehr brauchte ich für die Weihnachtsfeier auch nicht. Die Hotelanlage Le Victoria am Pointe aux Piments an der Nordwestküste ließ keine Wünsche offen: Sandstrand mit Palmen wie aus dem Bilderbuch, luxuriöses Zimmer und ein Abendbuffet, das an kulinarischer Vielfalt kaum zu überbieten ist.

Am Christtag wurde als verspätetes Weihnachtsgeschenk meine Tasche zum Hotel gebracht - oder das, was von ihr übrig war. Das gute Stück dürfte in Schwechat von einem Truck überrollt worden sein. Anders kann ich mir den an sich robusten, nun aber völlig zerfetzten Dufflebag aus Lastwagenplanen nicht erklären.
Der Inhalt sah ebenfalls teils übel mitgenommen aus. Am schlimmsten hatte es meinen Giro-Helm erwischt, der nur mehr aus Bröseln bestand. Und das, obwohl er in einem Case sicher verwahrt war. Dafür sollten die Scheichs brennen wie ein Ölbohrturm - was aber nichts daran änderte, dass ich keinen Helm mehr hatte.

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Am nächsten Morgen erste Ausfahrt. Auf meinen Garmin Edge hatte ich mir routingfähige OpenSource-Karten geladen, sodass ich mir über die Orientierung nicht den Kopf zerbrechen musste. Die Fédération Mauricienne de Cyclisme stellt im Internet mehrere lohnende Routen zum Download zur Verfügung. Zum Auftakt entschied ich mich für eine Variation der Strecken „Grand Baie“ und „Pieter Both“. Zunächst ging es Richtung Süden in die Berge, dann entlang der Ostküste zur Nordspitze der Insel und der Westküste folgend retour; insgesamt eine Tour von knapp 100 Kilometern.
An den Linksverkehr hatte ich mich rasch gewöhnt. Einzig beim Abbiegen hatte ich anfangs meine Schwierigkeiten und ertappte mich einige Male auf der rechten Spur. Der Verkehr ist in den Ortschaften teils dicht und setzt sich vorwiegend aus knatternden Mopeds und Kleinwagen zusammen. Auf den Landstraßen wird jedes Überholmanöver mit einem kurzen Hupen angekündigt, und auch sonst verhalten sich Autofahrer rücksichtsvoller als hierzulande. Lästig sind nur die Linienbusse, auf die man bei Haltestellen immer wieder auffährt und dann vor der Wahl steht: überholen, um gleich selbst wieder überholt zu werden, oder abbremsen und ein paar Züge Dieselqualm inhalieren?
Auch Radfahrer sind unterwegs, durchwegs auf uralten Mountainbikes. Allerdings dienen diese nicht als Sportgerät, sondern als Transport-Vehikel und werden mit absurden Mengen an Taschen und Körben beladen. Nur einmal traf ich auf eine Gruppe Rennradfahrer; durchwegs Touristen auf höchst unterschiedlichem Gerät und unter der Führung eines professionell wirkenden Kreolen.

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Bald bauten sich die Berge nordwestlich der Hauptstadt Port Louis vor mir auf. Der markanteste und mit 820 Metern zweithöchste der Insel ist nach dem niederländischen Gouverneur Pieter Both benannt und balanciert auf seiner bizarren Spitze einen riesigen Felsbrocken. So lange dieser da oben liegt, geht es Mauritius gut – sagt man.
Trotz ihrer geringen Höhe wirken die Berge schroff und steil; ein Verweis auf den vulkanischen Ursprung der von Korallenriffen umgebenen Insel. Flach, aber stetig steigend ging es nun gegen eine steife, ablandige Brise bergan. Endlose Zuckerrohr-Felder säumten die Straße. Ein Vermächtnis der Niederländer, die nach den Portugiesen, welche das Eiland 1505 entdeckten, im 17. Jahrhundert Mauritius als Stützpunkt auf dem Seeweg um die Südspitze Afrikas nutzten. Heute wird Zuckerrohr auf der gesamten Insel in Monokultur angebaut und zu Zucker und Rum verarbeitet – neben der Textilindustrie und dem Tourismus immer noch die Haupteinnahmequelle des Inselstaates.
Dem Flusslauf des Tombeau folgend erreichte ich über eine zusehends steiler werdende Straße das kleine Bergdorf Crève Coeur. Hier endete der asphaltierte Weg und ich musste mir die letzten Meter auf die Passhöhe durch Bambusdickicht und Bananenstauden teils im Wiegetritt, teils tragend erkämpfen. Belohnt wurde ich mit einer rasanten Abfahrt durch rauschendes Zuckerrohr zum kleinen See La Nicoliére und weiter über eine steile Serpentinenstraße mit atemberaubenden Ausblicken bis zur Küste.

Auf Höhe der Bezirkshauptstadt Pamplemousses wandte sich die Straße zur Ostküste, die ich bei Poudre d’Or erreichte. Nun folgte ich dem Küstenlauf: entlang von Buchten und Landzungen, durch hübsche Siedlungen mit bunten Häusern, vorbei an hinduistischen Tempeln und Moscheen.
Palmen säumten die Straße, außerdem strahlend violette Hecken aus Bougainville und flammend rote Flamboyant-Bäume. Ein kurzes Stück wurde ich von zwei wütend bellenden Hunden verfolgt, erreichte aber unbeschadet Cap Malheureux, den nördlichsten Punkt der Insel. Benannt nach unglücklichen Schiffbrüchigen, die hier dereinst nach Stürmen an Land gespült wurden, landeten an dieser Stelle 1810 die Briten. Sie beendeten damit die knapp hundert Jahre andauernde Kolonialherrschaft Frankreichs und gliederten die Insel in das Britische Empire ein, dessen Teil sie bis zur Unabhängigkeit im Jahr 1968 blieb. Heute markiert eine malerische kleine Holzkirche mit feuerrotem Dach die Stelle. Gemeinsam mit dem türkisfarbenen Meer im Hintergrund bildet das kleine Gotteshaus eines der beliebtesten Fotomotive von Mauritius.
Entlang der Westküste ging es über Grand Baie, das Saint Tropez der Tropen, zurück zur Pointe aux Piments, wo ein kühles Phönix (das ausgezeichnete lokale Bier), der Strand und das Meer auf mich warteten.

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Der nächste Tag führte mich entlang der Westküste nach Süden. Selbst am Feiertag ist Radfahren in Port Louis kein Vergnügen. Ich war heilfroh um meinen Garmin, der mich schnell durch die mit Abgaswolken und dichtem Verkehr gefüllten Straßen der Hauptstadt führte. Viel gibt es hier ohnehin nicht zu sehen. Einzig die Kathedrale lohnt vielleicht einen kurzen Abstecher.
Landschaftlich wenig reizvoll führte die Route durch Zuckerrohr-Felder weiter nach Albion, wo ich wieder die Küste erreichte und an einem schönen Felsstrand mit malerischem Ausblick auf einen alten Leuchtturm verschnaufte. Hier kehrte ich um und nahm den Rückweg durch die Berge, teils auch abseits asphaltierter Straßen über staubige Güterwege. Ein kleiner Umweg brachte mich so zur Maison Eureka, einer französischen Landvilla im Kolonialstil des 19. Jahrhunderts. Kurz bevor ich das Hotel erreichte, geriet ich noch in einen tropischen Regenguss. Eine willkommene Abwechslung nach der schwülen Hitze des Nachmittags!

So strampelte ich in den folgenden Tagen etwa 500 Kilometer ab, bis zu besagter Passhöhe im Bergland am besagten letzten Tag des Jahres. Das Fahrrad ist und bleibt das beste Reisefahrzeug, schießt es mir durch den Kopf, als ich im Gras neben meinem braven Sportgerät liegend in den blauen Himmel schaue. Es ist schnell genug, um weit herumzukommen und dabei aber langsam genug, um alles wahrzunehmen, was es links und rechts der Straße zu sehen und erleben gibt.
Und speziell das Cross-Rad war eine gute Wahl, tröpfeln die Gedanken weiter durch meinen Kopf. Einerseits, weil der Straßenbelag teilweise in schlechtem Zustand ist und ich nicht nur einmal unversehens in ein Schlagloch krachte; andererseits, weil sich so die Möglichkeit eröffnet, Abstecher ins Gelände zu unternehmen. Und den etwas höheren Rollwiderstand nehme ich gerne in Kauf, wenn ich dafür keine Pannen habe!

Auch über nur eine Flaschenhalterung zu verfügen, stellte sich als problemlos heraus, denn es gibt überall kleine Greißler, bei denen sich die Wasser- und auch Kohlehydrat-Reserven schnell und billig auffüllen lassen. Der Sonnenschutzfaktor 50+ war eine weise Investition, knackebraun bin ich trotzdem geworden. Und selbst für jene Tage, wo mir zwar der Sinn nach sportlicher Aktivität, aber Abwechslung vom Pedalieren stand, boten sich reichlich Möglichkeiten. So haben wir z.B. einen dreitägigen Abstecher auf die nur 200 km entfernte Nachbarinsel La Réunion unternommen.
Diese zählt zu den Übersee-Départements Frankreichs und ist damit Teil der Europäischen Union. Die Insel lädt aufgrund ihrer schroffen und bergigen Topographie weniger zum Baden, dafür umso mehr zum Wandern ein. Es gibt ein gut organisiertes Hüttenwesen und zahllose Touren, die auf bis zu 3.000 Meter Höhe führen. Wir bestiegen den Piton de la Fournaise, einen der weltweit aktivsten Vulkane, und unternahmen eine Dschungelwanderung zum Trou de Fer, einer 250 m tiefen Schlucht.

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Summa summarum kann ich Mauritius als Destination für Radler, die dem Winter entfliehen wollen, wärmstens empfehlen. Einziger Wermutstropfen ist die doch sehr weite und teure Anreise. Das eigene Fahrrad sollte man jedenfalls mitnehmen – bei Emirates geht das sogar ohne Aufpreis.
In Mauritius selbst kann man sich derzeit noch kein vernünftiges Rad leihen. Aber der Fahrradsport ist im Aufwind: Es gibt mittlerweile das ganze Jahr über durchaus professionell organisierte und von der Fédération Mauricienne de Cyclisme geförderte Events, sowohl für Rennradler als auch Mountainbiker. Und zu Promotion-Zwecken wurden zuletzt immer wieder prominente Profis wie etwa Eddy Merckx eingeladen.
Von einem solchen Status bin ich weit entfernt. Und doch ist mein Glück recht vollkommen, als ich mich nach einer Weile von meinem redlich erstrampelten Rastplatz erhebe und Richtung Nordwestküste, Pointe aux Piments und Hotelanlage Le Victoria dem neuen Jahr entgegen rolle …

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Nähere Infos zum Radfahren auf Mauritius gibt es unter www.cyclo-tourism.com.

OpenSource-Maps zum Download finden sich unter folgenden Links:

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sehr cool! - und lässiges video! ich weiss wie mühsam das mit den ganzen stativ-aufnahmen ist ... position suchen; kamera aufstellen; anlauf nehmen und so tun als wär man voll im runden tritt (ja nicht in die linse gucken oder lächeln), wieder umdrehen, kamera einpacken, nächstes motiv suchen ... http://nyx.at/bikeboard/Board/images/smilies/tongue3.gif Bearbeitet von berghi
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schöne bilder , schöner bericht :toll: - nur müsst man da jetzt ned tausende km mit dem rad fahren statt beispielweise auto oder monatelang ned heizen um den co2 fußabdruck wieder auszugleichen.??.....:f: fliegen um rad zu fahren versteh i ned.....

 

Da bin ich 100%ig bei dir. Ich ess normalerweise im Winter keine Erdbeeren und fahr nicht in die Karibik, sondern freu mich am Schnee (wenn denn einer da ist...). Zu der Reise wurde ich eingeladen und habe mich nach dem böhmischen Sprichwort "wenn ma da gibt dann nimm, wenn ma da nimmt dann schrei" verhalten. Ich bin also nicht vorsätzlich zum Radeln so weit gereist. Dass ich die CO2-Schuld des Fluges in diesem Leben nicht mehr derradeln werde, macht mich auch nicht glücklich. Immerhin fahr ich aber mit dem Rad in die Arbeit und spare so pro Jahr ca. 8000 Auto-km ein.

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den hat die fluggesellschaft ramponiert oder dein bluzer?

 

das video ist noch viiiel gschmeidiger mit kapperl :zwinker:

 

Das war ein Vollkoffer von einem Kofferträger in Schwechat. Wobei mein Gepäck so ausgesehen hat, als wärs in eine Turbine geraten. Zuständig ist aber trotzdem Emirates und die bereiten mir einen zermürbenden Spießrutenlauf, um mich um den Schadenersatz zu bringen. :mad:

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