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Alles über Nackenprotektoren

Eine der innovativsten Erfindungen der letzten Jahre in der Gravity-Welt fand nicht am Bike statt sondern am Biker. Nackenprotektoren können bei Stürzen den Unfallausgang stark beeinflussen. Wie und warum: hier.
Text: Ralf Hauser Fotos: Leatt, Alpinestars, Ortema
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Dr. Chris Leatt

Nachdem der Südafrikaner Dr. Chris Leatt den Tod eines befreundeten Motocross-Fahrers miterleben musste, begann er an Designs für die erste Nackenstütze zu arbeiten. 2004 verkaufte er das erste Exemplar der Leatt Brace in Südafrika und legte damit den Grundstein für die Protektion vor schweren Wirbelsäulenverletzungen im Actionsport-Bereich. Als die Leatt Brace 2006 weltweit am Markt erhältlich wurde, verbreitete sie sich schnell vor allem in der Motocross-Welt, aber auch im Mountainbike-Downhill.
Was aber die wenigsten der neuen Kunden wissen: Wie viel Entwicklungszeit und Aufwand, technische und physikalische Untersuchungen sowie fundierte Tests hinter der Nackenstütze von Leatt stecken.
Was auch nicht umgreifend bekannt ist: Fast zum selben Zeitpunkt, als Dr. Leatt anfing, sich über das Problem Gedanken zu machen, begannen auch die Köpfe auf einem anderen Kontinenten zu rauchen - im Motorsport-traditionsreichen italienischen Lager von Alpinestars nämlich. Dort startete man bereits um die Jahrtausendwende - zu einer Zeit als sich die HANS Nackenstützen im Autorennsport anfing zu etablierten - mit dem Thema Nackenprotektoren auseinanderzusetzen. Nach einigen Prototypen, die eher mit dem Hintergedanken der Straßen-Motorrad-Verwendung entstanden, investierte man im Jahr 2006 enorm in wissenschaftliche Untersuchungen und Tests, geleitet von einem der Chef-Entwickler bei Alpinestars, Colin Ballantyne, bei welchen interessante und teilweise unterschiedliche Interpretationen bzw. Schlüsse in puncto Unfallhergang und Funktionsweise von Nackenstützen im Vergleich zu anderen Marktanbietern gezogen wurden. 2008 brachte Alpinestars dann die BNS Nackenstütze auf den Markt.

Seit der Veröffentlichung des Leatt White Paper, einem 145-seitigen von Dr. Chris Leatt, Cornel de Jongh und Pieter André Keevy verfassten wissenschaftlichen Dokument über die Forschung und Entwicklung hinter der Leatt Moto GPX Brace im Mai 2012 ist dies anders. Zuvor aufgrund von Patentschutz und schwer erarbeiteter Informationsfindung nur vertraulich unter bestimmten Voraussetzungen gezeigt, können sich Interessierte seither über viele Details der biomechanischen, medizinischen und physikalischen Entwicklungsvorgänge informieren. Auch wenn zwischenzeitlich das Mountainbike-spezifische Modell DBX von Leatt entwickelt wurde, basiert dieses Modell auf den selben Grundprinzipien. Mit freundlicher Genehmigung der Leatt Corporation werden wir deshalb viele Informationsblöcke des White Paper als Grundlage für Part I dieser Story verwenden (kenntlich gemacht durch das Referenzzeichen [1] ), um mit Spekulationen und Vorurteilen, welche sich im Laufe der Jahre angesammelt haben, aufzuräumen, und Licht hinter die Vorgänge rund um Nackenstützen zu bringen. Der deutsche Spezialist für Orthopädie-Technik und Sport Protection Ortema (ONB Nackenstütze) und auch der relative Newcomer aus Amerika, Atlas (Atlas Crank Nackenstütze), entwickeln ihre Produkte ebenso mit Sorgfalt und führen ihre Tests selbst bzw. teilweise mit Hilfe von außenstehenden Experten durch. Vor allem der Protektoren-Experte Alpinestars aus Italien (BNS Nackenstütze) liefert einige interessante Ansätze zum Thema Nackenprotektoren. So weit wie möglich haben wir auch deren Erkenntnisse in diesen Artikel einfließen lassen.

Part II befasst sich mit einem Praxistest einiger am Markt erhältlicher Nackenstützen .

Darüber hinaus sei gesagt, dass es schwierig ist, derart umfangreiche Informationen, wie sie das Leatt White Paper bereitstellt, auf einen Artikel dieser Länge zu bringen. Aus diesem Grund wurde die Information auf ihre wichtigsten Bestandteile heruntergekürzt und mit weiterführenden Links versehen. Wer aber wirklich auch über die kleinsten Details um Nackenstützen Bescheid wissen will, der kann sich das White Paper hier selbst ansehen.
Anm. d. Red.: Eventuelle Übersetzungs- oder Interpretationsfehler des Dokuments gehen auf unsere Kappe. Medizin-Studium wie deutsch-englisches Translations-Doktorat für medizinische und physikalische Fachbegriffe sind nämlich unserer angestrebten Karriere in der Bike-Industrie zum Opfer gefallen ..

Motivation [1]

Der menschliche Halsbereich ist eine ungeschützte Zone, die bei Action-Sportarten einer besonders hohen Rate an möglichen Verletzungen ausgesetzt ist. Wirbelsäulenverletzungen können Schmerzen, Lähmung oder im schlimmsten Fall den Tod bedeuten. Die meisten Verletzungen beim Motorradfahren und anderen extremen Sportarten spielen sich in der Halswirbelregion ab.
Aufgrund dessen war die Entwicklung einer Vorrichtung, um solchen Verletzungen entgegenzuwirken, unbedingt notwendig.

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Anatomie

Um die möglichen Verletzungen besser verstehen zu können, benötigen wir eine kurze Übersicht über den Aufbau einer Halswirbelsäule. Sie besteht aus 7 Wirbeln, genannt C1 bis C7.

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Wirbelsäule

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Die Wirbelsäule besteht aus 33 Wirbelkörpern (Vertebra), 23 Bandscheiben (Disci intervertebrales) und zahlreichen Bändern. Unterteilt wird sie in vier Bereiche:
Die Halswirbelsäule setzt sich aus 7 Wirbeln (C1 bis C7), die Brustwirbelsäule aus 12 Wirbeln (T1 bis T12 oder Th1 bis Th12) und die Lendenwirbelsäule aus 5 Wirbeln (L1 bis L5) zusammen. Zu guter Letzt besteht die Sakralwirbelsäule aus 5 verschmolzenen Wirbel beim Kreuzbein (S1 bis S5) und 4 (bzw. auch 3-6) Wirbeln des Steißbeins.

Wirbel mit Bandscheiben

Von allen Wirbeln zusammen wird der Wirbelkanal gebildet, in dem das Rückenmark verläuft. Mehrere Bänder geben der Wirbelsäule als Ganzes halt.
Die Bandscheiben zwischen den Wirbeln sind als eine Art Stoßdämpfer zu verstehen und erlauben eine gewisse Beweglichkeit zwischen den Wirbeln in Flexion (Vorwärtsrotation), Extension (Rückwärtsrotation), Rotation (Drehung) sowie lateral (Seite zu Seite).
Die Bandscheiben haben darüber hinaus die einzigartige Eigenschaft, in Kompression steifer zu sein als unter Zug. Die Steifigkeit bei den Verbindungen zu den Wirbeln tritt außerdem in einer nichtlinearen Form auf und nimmt darüber hinaus zu, je höher die Geschwindigkeit der einwirkenden Bewegung ist.
Dieser unterschiedliche Härtegrad machte es schwierig, eine Nackenstütze zu kreieren, da die Wirbelsäule in unterschiedlicher Weise auf verschiedene Aufprallszenarien reagiert.

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Hinterhauptbein

Das C0 Hinterhauptbein (os occiptale) bildet den Hinterkopfanteil des knöchernen Schädels und formt das Hinterhauptloch. Mit einem Teil des C0 sind die Gelenkflächen des ersten Halswirbels C1 (Atlas) verbunden. Diese und weitere Verbindungen formen zusammen mit dem komplexen Bandapparat das obere Kopfgelenk (C0/C1).

Range of Motion

Der Range of Motion, kurz genannt ROM, gibt den natürlichen Bewegungsradius der einzelnen Halswirbel oder einzelnen Abschnitte der Wirbelsäule an, und hilft, die Bewegungslimitationen besser zu verstehen.

In einem Schlittentest mit einem Dummy mit Helm, welcher aus 50 km/h Geschwindigkeit abrupt abgebremst wurde, betrug der ROM ca. 175° und lag damit weit über dem empfohlenen Maximalwert von 125°. Das bedeutet, dass selbst bei dieser relativ geringen Geschwindigkeit in einem solchen Szenario Verletzungen entstehen können. Ein Teilschluss aus diesem Ergebnis war, dass eine Nackenstütze einen Bewegungsradius innerhalb dieser 125° erzielen sollte.

Nach Studien von Christelis [5], befindet sich der größte Bewegungsradius in der Halswirbelsäule zwischen C4 und C6. Im Detail ist der ROM am geringsten zwischen C2/C3 sowie C6/C7. Generell ist die Flexion (Beugung) der Wirbelsäule um einiges größer als die Extension (Dehnung). Eine Zusammenfassung der Erkenntnisse von Panjabi und Meyer [6], sowie jener von Christelis [5] gibt es in folgender Tabelle:

Wirbel

Bewegung

Ungefährer Winkel
Panjabi [6] / Christeli [5]

Kommentar

C0-C2

Flexion

25°/17°



C0-C2

Extension

40°/25°



C0-C7

Flexion und Extension

119,6°/125°

empfohlener maximaler Bewegungsradius (ROM) vor messbarer Verletzung

C0-C7

Laterale (seitliche) Flexion

86,4°



C0-C7

Rotation

91,4°



Verletzungsarten

Informationen von Wings for Life (Details zur Stiftung für Rückenmarksforschung s.u.) ist zu entnehmen, dass eine Verletzung der Halswirbelsäule und des zervikalen Rückenmarks eine Lähmung von Armen und Beinen zur Folge hat. Dieses Kranheitsbild wird Tetraplegie genannt. Wie stark die Arme und Handfunktionen betroffen sind, hängt von der Höhe der Verletzung an der Halswirbelsäule ab.
Menschen mit einer Verletzung oberhalb des C4-Wirbels können oft nur mit Hilfe eines Beatmungsgerätes atmen. Hinzu kommen der Verlust von Sensibilität und Körperfunktionen wie Blase und Darm.

Hyperflexion, Flexion und Kompression [1]

Auch bei Unfällen, wo der Torso eines Fahrers nicht z.B. durch Gurte in seiner Bewegung eingeschränkt ist, können Verletzungen durch Hyperflexion (Überbeugung), hauptsächlich aber durch Hyperextension (Überdehnung) auftreten. Letztere können in Form von Jefferson-Frakturen (typischerweise ein vierteiliger Bruch des ersten Halswirbels), tiefen bis mittelhohen Halswirbelfrakturen, ausgerenkten oder blockierten Facetten, vorderseitigen vertebralen Körperfrakturen mit Kyphose (Wirbelsäulenkrümmung nach hinten), einseitigen oder zweiseitigen Facetten-Ausrenkungen, Frakturen des Dornfortsatzes oder Verletzungen der Lamina auftreten.
Bei einem direkten Fall auf den höchsten Punkt des Kopfes kann es zu einer Berstungsfraktur des Wirbelkörpers sowie kompletter Beeinträchtigung der Bänder kommen.

Generell treten die häufigsten Verletzungen an der Halswirbelsäule im oberen Bereich derselben (zwischen C0 und C2) auf, wenn der Kopf durch ein Objekt zur Flexion oder Hyperextension gezwungen wird, auf; außerdem bei der unteren Halswirbelsäule zwischen C6 und C7, wenn der Kopf zur Hyperflexion gezwungen wird. Dieses Phänomen tritt vor allem bei einem Schleudertrauma-Szenario auf, wie man es von Auffahrunfällen mit Autos kennt.
Bei Motocross- und Mountainbike-typischen Unfällen kann sich dies aber unterscheiden, da hier vermehrt axiale (längslaufende) Belastungen auf den Fahrer einwirken. Diese Art der Verletzung tritt häufig auf, wenn der Schlag auf den oberen Teil des Kopfes einwirkt, die Wirbelsäule sich in einer relativ geraden Linie dazu befindet und ihre Fähigkeit, die Aufschlagenergie zu absorbieren, verliert. Dadurch kann es leicht zur Verletzung von Wirbeln, Bandscheiben, Bändern und sogar Muskeln kommen.
Anzumerken ist, dass die Spannkraft der Muskeln den Ausgang eines Aufpralls signifikant beeinflussen kann.

Verletzungsmodalitäten der unteren Halswirbelsäule (C3-C7) [2]:

Haupt-Belastungskraft

Alleinwirkend

mit Kompression

mit Ablenkung

Flexion

(Beugung)

- einseitige oder zweiseitige Facetten Ausrenkung

- vorderseitige vertebrale Körperfraktur mit Kyphose

- Unterbrechung des interspinalen Ligaments (Bandes)

- Teardrop Fraktur

- gerissene hintere Bänder

- ausgerenkte oder blockierte Facetten

Extension

(Dehnung)

Frakturen des Dornfortsatzes oder Verletzung der Lamina

- Fraktur durch die Facetten-Region

Auseinanderreißen aller oberen Wirbel von den unteren Wirbeln

Neutrale Position



Berstungsbruch

komplette Beeinträchtigung der Bänder



Verletzungsmodalitäten der oberen Halswirbelsäule (C0-C2):

Verletzungsmuster:
- Flexion
- Extension
- Distraktion (Auseinanderziehen)
- Rotation
- Kompression

Verletzungsarten:
- Atlanto-Occipitale Dislokation (Zwischen C1 und C0)
- Kondylenfraktur Atlantico-Axiale Dislokation (zwischen C1 und C2)
- Atlas Frakturen Dens axis Frakturen (Bruch des Dornes des C2)
- Hangman’s Frakturen (Bruch beider oberen Einschnitte am Wirbelbogen oder der Pars interarticularis am C2)
- Frakturen an der Basis des Schädels

Das schlimmste mögliche Verletzungsszenario wäre eine "pure" axiale Belastung in paralleler Stoßrichtung auf die Wirbelsäule, welche normalerweise einen Berstungsbruch hervorrufen würde. Dies würde typischerweise dann passieren, wenn sich der Kopf während des Aufpralls in einer neutralen Position befinden würde. Die Verletzung würde innerhalb der ersten paar Millisekunden des Aufschlags eintreten, noch bevor der Helm und die Nackenstütze Kontakt aufnehmen können, um die Aufschlagskraft zu verteilen.
Aber "pure" axiale Belastungen sind zum Glück nur eines der möglichen Belastungsszenarien.

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Alpinestars beschreibt den gefährlichsten Aufprallwinkel innerhalb eines Kegels der Verwundbarkeit. Wird die Kraft innerhalb eines 15°-Rahmens (in beide Richtungen) weitergegeben, ist die Gefahr eines Genickbruchs sehr hoch. Je weiter man sich davon wegbewegt bzw. sich die Einwirkung über 30° befindet, desto besser sind die Chancen, einem fatalen Ausgang zu entgehen, da weniger Kraft direkt durch den Nackenbereich geleitet wird.
Die Schwere des Unfalls ist dabei hauptsächlich von der Höhe des Falls abhängig, und nicht unbedingt, wie schnell man sich fortbewegt. Ein direkter Sturz auf den höchsten Punkt des Kopfes aus einer Höhe von über 55 cm kann bereits genug sein, um einen Nackenbruch zu erleiden - auch, wenn man sich nicht fortbewegt.

Durch eingehenden Untersuchungen, Tests und medizinische Berater kam Alpinestars - anders als Leatt, Ortema oder der spanische Nackenstützen-Hersteller Moveo - zu dem Schluss, dass Hyperflexion oder Hyperextension keine wahrscheinlichen Faktoren für katastrophale Wirbelsäulenverletzungen sind und nur muskuläre Schädigungen hervorrufen. Ihren Ergebnissen zufolge werden die höchsten Kräfte eines Aufschlags nämlich innerhalb der ersten paar Millisekunden an den Nacken weitergegeben werden, zu einem Zeitpunkt wo der Helm noch nicht einmal in Kontakt mit der Nackenstütze ist. Sehr wohl sehen sie aber auch die Wirksamkeit bei bereits bestehendem Kontakt von Helm und Stütze vor dem Aufprall (Details siehe Sektion Tests), sowie im in der Folge des Unfallverlaufs.
Diese Untersuchungen erlangten sie bereits bevor die erste Nackenstütze auf den Markt kam und flossen dann in die Entwicklung ihrer Bionic Neck Support (BNS)-Stütze ein.

Auch die Wahl des Helmes spielt bei Verletzungshergängen eine Rolle, da pointierte Ausformungen wie Finnen, Kühlrippen und ähnliches sich leichter in Unebenheiten am Boden verfangen können, als kugelförmige Helme.

Auf alle Fälle ist ein wichtiger Punkt, dass bei der Auflistung all dieser möglichen Verletzungsarten diese nicht nur eigenständig passieren können, sondern oftmals auch in Kombination auftreten. Hyperflexion oder Hyperextension können entweder alleine auftreten oder in Kombination mit axialer Kompression oder Ablenkung einhergehen. Je nach Kombination können verschiedene Wirbelsäulen- und/oder Muskelverletzungen auftreten.

Zwecks Verifizierung von Verletzungen durch unterschiedliche Einwirkungen wurden einige mehrjährige Untersuchungen, zum Beispiel von Robertson [3] und Oi [4] , gemacht. Im Rahmen dieser Studien wurden u.a. Statistiken zu Motorradunfällen mit Wirbelsäulenverletzungen über einen bestimmten Zeitraum erstellt, welche in folgenden Tabellen dargestellt sind.

Verletzungsmuster

Prozent

Flexion

40,5

Extension

29,7

Laterale Flexion

17,6

Kompression

12,2

Total

100


Wirbelsäulen-Bewegung

Häufigkeit der Verletzungen

Prozent

Laterale Flexion

4

21

Flexion

14

42,4

Axiale Belastung / Kompression

8

24,2

Extension / Hyperextension

4

12,1

Horizontaler Aufprall / andere

3

9,1

Total

33

100



Die Häufigkeit neurologischer Schädigungen einzelner Halswirbel wurde in einer Studie mit 396 Patienten, die im Zuge von Motorradunfällen traumatische Rückenmarksverletzungen erlitten, in Taiwan zwischen Juli 1992 bis Juni 1996 festgehalten [14]:

Level

Prozent an Verletzungen

C1

7,57

C2

14,36

C3

17,2

C4

11,99

C5

26,35

C6

11,99

C7

1,58

Verletzungen durch Flexion und Extension bei Halswirbelsäulen sind also sehr häufig. Leatt sieht denselben Trend bei Mountainbike- und Motocross-typischen Unfällen.
Motorrad- und Mountainbike-Unfälle sind sehr komplex und bestehen normalerweise aus einer Mischung aus Flexion, Extension und Kompression. Obwohl eine Nackenstütze nicht vor "puren" axialen Belastungen schützen kann, ist es wichtig zu wissen, dass die Stütze Hyperflexion und Hyperextension auch nach diesem Typ des Aufpralls vermindert und dadurch wichtiger weise den Kopf stabilisiert und weiteren neurologischen Schäden vorbeugen kann.

Die Entwicklung

Bei der Entwicklung der Leatt Moto GPX sah man sich zu Beginn mit dem grundlegenden Problem konfrontiert, dass es kaum Anhaltspunkte für die Konstruktion einer Nackenstütze gab - keinen theoretischen Leitfaden, um die Richtung des Designs zu steuern, und keine praktischen Testmethoden, um die Resultate zu messen.

Einwirkende Kräfte und Dynamiken der Halswirbelsäue

Um die Reaktion der Wirbelsäule bei einem Aufprall vollständig verstehen zu können, sind physikalische Tests und Simulationen mit validierten Modellen nötig. Zu den einwirkenden Kräften zählen die Axiale Kraft, Biegemoment und Scherkräfte. Die Kopf/Gehirn-Dynamik, vertebrale Winkel der Nij (Neck Injury Criteria) und HIC (Head Injury Criteria) sind Faktoren, die bei der Entwicklung eines Nackenprotektors beachtet werden sollten.

Gemäß White Paper [1] ist es schwierig genug einen Apparat zu designen, der die Wirbelsäule schützen soll. Noch schwieriger wird es, wenn man die komplexe Verhaltensweise des Rückgrats in die Entwicklung einbezieht - was aber wiederum ein Muss ist, denn zum Beispiel liefern menschliche Kadaver gewisse Einsichten dahingehend, wie eine Nackenstütze wirken würde; andere Faktoren wie gegenwirkende Kräfte durch Muskelvorspannung und Kontraktion oder Vorspannung durch Bänder lassen sie jedoch vermissen; ergo wäre das Resultat stark beeinträchtigt und würde zu Fehlinterpretationen führen.
Um also zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen, müssen die positiven Attribute von Tests und Simulationen kombiniert werden. Grundlegende Tests können z.B. mittels H-III ATD Dummies erfolgen. Daraus werden Simulationen erstellt, welche die Tests nachahmen. Danach kann ein validiertes Modell errichtet werden, um dieselben Resultate der physischen Tests mit identischem Setup, Belastungen und Design-Parametern nachzuahmen. Idealerweise müsste man das Modell z.B. mittels Berücksichtigung von Bandscheibenhärte oder Biomechaniken von Muskeln und Bändern weiter verfeinern. Das genaue Simulationsmodell kann dann für Tests von lebensechten Unfallszenarien verwendet werden, die in einem physischen Test unmöglich oder unpraktisch zu erzeugen wären. Daten von Unfalls-Rekonstruktionen können auch benutzt werden, um die Unfall-Kinematik eines typischen Verletzungs-Szenarios von verschiedenen Sportarten nachzubilden.
Mit Hilfe der Finite Element Methode (FEM) Analyse und anatomischen Modellierungen war es letztendlich möglich ein geeignetes Nackenmodell zum Testen zu erstellen.

Axiale Kraft

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Die axiale Kraft ist jene Kraft (gemessen in Newton), welche in längslaufender Richtung parallel zur Wirbelsäule auf diese einwirkt.

Biegemoment

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Das Biegemoment ist einer der wichtigsten Faktoren, der bei der Entwicklung von Nackenprotektoren berücksichtig werden sollte. Dieser Parameter kann mit axialen Kräften kombiniert sein.
Das Biegemoment wird in Simulationsmodellen berechnet aus einwirkenden Kräften (in Newton) auf ein Wirbelpaar, multipliziert mit der Distanz, von wo diese auf das Zentrum der Rotation (COR) wirkt. Das Ergebnis wird in Nmm angegeben.

Scherkräfte

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Scherkräfte sind die Kräfte (in Newton), welche auf den Wirbel von zwei entgegengesetzten Richtungen einwirken, was bewirken kann, dass Bandscheiben oder Facettengelenke scheren oder auseinanderreißen, wenn die Krafteinwirkung zu hoch ist. Diese Kraft, kombiniert mit der Distanz, von welcher sie zum Zentrum der Rotation eines Wirbelpaares einwirkt, liefert einen weiteren Wert, welcher (vor allem bei der C0/C1 Verbindung) in der Kalkulation des Nij-Kriteriums (Neck Injury Criteria, siehe unten) Anwendung findet.

Kopf/Gehirn-Dynamik

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Im Prozess, die Wirbelsäule zu schützen, müssen auch Dynamiken des Hirns berücksichtigt werden. Das Gehirn ist während eines Rotationstraumas am gefährdetsten, wenn das Gehirn relativ zum Schädel in einer angewinkelter Form beschleunigt (oder abgebremst) wird. Wenn eine exzessive Bewegung auf die Halswirbelsäule durch eine Nackenprotektion in einem plötzlichen (nicht absorbierten) Stopp resultiert, kann das Hirn hohen angewinkelten Beschleunigungen ausgesetzt werden.
Wichtig ist es deshalb, den Kopf im Fall einer Extension (nach vorangehender Flexion) frühzeitig abzubremsen und dadurch dem Gehirn (welches sich in einem verzögerten Rückschlag der Flexion befindet) zu erlauben, zur Schädelbewegung aufzuschließen und damit die gefährlichen Krafteinwirkungen zu vermindern.

Vertebrale Winkel

Vertebrale Winkel werden in Simulationsmodellen verwendet und können durch die Veränderung des Winkels in der Verbindung C0/C1 und C7/T1 oder durch die Veränderung des Zentrums der Rotation in den Bandscheiben gemessen werden. Die Messung erfolgt hauptsächlich in Computersimulationen, etwa mit der Software LifeMOD.

Nij

Die Mehrheit an Nackenverletzungen wird durch indirekte Belastungen erzeugt, welche Kräfte vom Torso auf den Kopf oder vom Kopf auf den Torso übertragen. Die Reaktion des Kopfes während eines Aufschlags ist die Kombination von multidirektionalen Rotationen und Translationen.
Es ist wichtig, diese kombinierten Einflüsse auf die Wirbelsäule zu studieren, um einen Verletzungsfaktor kalkulieren zu können. Aufgrund dessen wurde das Neck Injury Criteria (Nij) entwickelt, welches mittels Dummies die Ernsthaftigkeit einer Verletzung während eines Crash-Szenarios messen kann. Der Nij setzt sich aus einer mathematischen Formel zusammen, die alle oben genannten Einflüsse beinhaltet.

HIC

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Das HIC, oder Head Injury Criteria, setzt sich aus drei Komponenten zusammen: Schädel, Haut und Weichteilen, sowie Schädelinhalt.
Aus dem HIC lässt sich eine Toleranzkurve ableiten, die angibt, über welchem Wert sich tödliche Belastungen ergeben.
Eine Form dieser Darstellung ist die Wayne State Toleranzkurve:

Designobjektive

Eine Nackenstütze hat mehrere Funktionen zu erfüllen, hauptsächlich aber den Bewegungsradius des Kopfes einzuschränken und die einwirkenden Kräfte zu absorbieren bzw. zu verteilen.

Hier die Kriterien bzw. Aufgaben, welche die Leatt Moto GPX zu erfüllen hatte [1]:

  • Verringerung der Anzahl und Stärke von signifikanten Nackenverletzungen durch Unfallvermeidung oder die Reduktion des Verletzungsgrades von neurologischen Defiziten.
  • den besten Kompromiss zwischen der Verringerung von gefährlichen Bewegungsradien, auf den Nacken einwirkende Kräfte und Impuls-Momentum-Beziehungen zu finden, bei Erhaltung der Nutzbarkeit seitens des Fahrers.
  • ein System zu designen, welches ähnlich dem einer D-Cell Kopf- und Nackenstütze (bekannt aus dem Autorennsport) ist; diese schränkt extreme Bewegungen durch alternative Angriffsflächen und Belastungspfade ein und ist zwecks korrektem Sitz mit dem Fahrer verbunden.
  • extreme Bewegungsumfänge, welche assoziierte Verletzungen produzieren, zu unterdrücken [8].
  • den ROM bis zu einem bestimmten Grad zu erhalten, da ein zu stark eingeschränkter ROM in hohen axialen Kräften resultieren würde; z.B. die Fähigkeit des Kopfes, einer Aufprallkraft ausweichen zu können, soll erhalten bleiben.
  • laterale Kompression-Flexion-Kräfte zur Stütze zu transferieren.
  • Extension-Kompressions-Kräfte zur Stütze zu transferieren.
  • dem Nacken zu erlauben, sich zu bewegen, um Kompressions-Verletzungen zu reduzieren, aber extreme Bewegungen, welche Verletzungen verursachen können, einzuschränken.
  • Kräfte von einem Halswirbel-Bewegungssegment auf eine größere Anzahl von Bewegungssegmenten, sowie Brust, paraspinale Muskeln und Schultern zu übertragen.
  • eine dynamische Stütze zu kreieren, welche für eine kontrollierte Abbremsung des Kopfes und Nackens sorgt, mit einer eingebauten Fähigkeit zu kollabieren, um den empfohlenen Bereich an sicherer Bewegung ohne kollaterale Verletzungen zu erhalten.
  • eine kontrollierte Abbremsung des Kopfes zu gewährleisten, um traumatischen Gehirnverletzungen vorzubeugen.
  • die vorderseitige Exposition des Halses vor potenziell gefährlichen Objekten wie Vegetation, Zäunen und anderen Hindernissen zu schützen.
  • die rückseitige Exposition des Nackens vor Trauma durch Eindringung zu schützen
  • Nackenermüdung bei langen Fahrten vorzubeugen
  • sicherzustellen, dass die Stütze mit vielen verschiedenen Körperformen passt.

Erlaubter Range of Motion

Die Leatt Brace gibt die optimale Höhe zwischen Helm und der Oberfläche der Stütze zwischen 15 und 85 mm an. Liegt die Stütze zu nahe am Helm bedeutet dies, dass der Nacken nicht aus dem Pfad einer Kraft, welche auf den Helm gerichtet ist, ausweichen kann, was sich in hohen axialen Kräften auswirken würde. Eine Stütze, die zu niedrig sitzt, verliert ihre Wirkung.
Die Stütze soll extreme Bewegungsbereiche einschränken, muss aber genug Freiheit in der Bewegung ermöglichen, um keine exzessiven Kräfte auf den Helm zu übertragen oder den Blickwinkel zu stark einzuschränken.

  • Extreme Kopfbewegung ohne Nackenstütze
    Extreme Kopfbewegung ohne Nackenstütze
    Extreme Kopfbewegung ohne Nackenstütze
  • Extreme Kopfbewegung mit Leatt Nackenstütze
    Extreme Kopfbewegung mit Leatt Nackenstütze
    Extreme Kopfbewegung mit Leatt Nackenstütze

Alpinestars gibt den besten Abstand als Kompromiss zwischen Schutz und Beweglichkeit mit 40 mm an, obwohl ihre Tests zeigen, dass noch näher besser wäre. Die Kräfte würden dadurch umso besser und schneller absorbiert werden können, je näher der Helm an der Stütze ist. Nach ihren Erkenntnissen würde es sogar Sinn machen, bereits vor dem Aufprall den Helmrand mit der Stütze in Kontakt zu bringen (siehe auch Testresultate), was sich in der Philosophie zu jener von Leatt unterscheidet (siehe oben). Dies ist ein Szenario, welches sich im Ernstfall durchaus von selbst bzw. durch geschultes Verhalten ergeben könnte, wenn man zum Beispiel über den Lenker abgeht und den Helm nach hinten überstreckt. Auf alle Fälle, ein Punkt den man sich im Vorhinein überlegen kann um vielleicht in der Sekunde des Ernstfalles den Kopf in Richtung der Nackenstütze bewegen zu können.

Bei Ortema empfiehlt man den Abstand einer Zeigefingerstärke zwischen Unterkante des Helms und der Stütze.

Alternativer Belastungstransfer

Die sog. Leatts Alternative Load Path Technology bezeichnet die Fähigkeit, Kräfte, welche in Unfallsituationen auf den Nacken einwirken, umzuleiten. Es geht darum, die Helmbewegung zu einem kontrollierten Stopp zu bringen, und die Energie auf die Nackenstütze zu leiten, welche wiederum in ihrer Struktur Energie aufnimmt und teilweise an andere Körperstellen wie den Torso verteilt, um den Nacken zu entlasten.
Alpinestars bedient sich bei der Erklärung der Umverteilung der Analogie eines Wasserflusses: Stellt man sich die Aufschlagskraft als große Wassermasse vor, die plötzlich durch ein enges Rohr (den Hals) geführt wird, ist die Chance sehr hoch, dass das Rohr bricht.

  • Analogie des Halses als RohrAnalogie des Halses als Rohr
    Analogie des Halses als Rohr
    Analogie des Halses als Rohr
  • Aufschlag ist repräsentiert durch plötzlichen WasserzuflussAufschlag ist repräsentiert durch plötzlichen Wasserzufluss
    Aufschlag ist repräsentiert durch plötzlichen Wasserzufluss
    Aufschlag ist repräsentiert durch plötzlichen Wasserzufluss

Bei einer weichen Nackenrolle würde eine kleine alternative Route existieren. Ihr Kräftetransfer wäre allerdings so gering, dass die Hauptenergie immer noch an den Nacken abgegeben würde.
Bei einer Version wie der BNS Nackenstütze agiert die Oberfläche als eine Art zweites Rohr (bleibt man bei der Analogie des Wasserflusses), um die Kräfte zu verteilen.

  • Keine Protektion Keine zusätzliche Route für WasserKeine Protektion Keine zusätzliche Route für Wasser
    Keine Protektion
    Keine zusätzliche Route für Wasser
    Keine Protektion
    Keine zusätzliche Route für Wasser
  • Weiche Nackenstütze Kleine Route, aber sehr eingeschränktWeiche Nackenstütze Kleine Route, aber sehr eingeschränkt
    Weiche Nackenstütze
    Kleine Route, aber sehr eingeschränkt
    Weiche Nackenstütze
    Kleine Route, aber sehr eingeschränkt
  • Steife Nackenstütze Harter Kontakt bietet eine gute alternative RouteSteife Nackenstütze Harter Kontakt bietet eine gute alternative Route
    Steife Nackenstütze
    Harter Kontakt bietet eine gute alternative Route
    Steife Nackenstütze
    Harter Kontakt bietet eine gute alternative Route

Material und Absorption

Eine Nackenstütze sollte so konstruiert sein, dass sie den Kopf in einer kontrollierten Art abbremst, ohne eine Kraft durch plötzliches Abbremsen auf das Gehirn zu übertragen. Die Wahl des Materials und der Aufbau der Stütze spielen also eine wichtige Rolle.
Eine Mischung, bei der die Plattform nicht zu steif, aber auch nicht zu weich oder flexibel ist, sollte angestrebt werden. Dasselbe Prinzip gilt auch für die Polsterung der Nackenprotektoren.

Einstellbarkeit

Eine Stütze, die nicht korrekt an die Körperform, verwendete Bekleidung/Protektorenjacken oder insbesonders an den Helm angepasst ist, kann die Wirkungsweise stark beeinträchtigen oder völlig sinnlos gestalten.
Alle am Markt erhältlichen Modelle bieten zumindest Anpassungen über verschiedene Polsterungen, bei einigen Modellen kann man auch vielfache Positionsänderungen am Spoiler oder der Thoratic Strut vornehmen. Mehr zum Thema Anpassung und Einstellung in Part II dieser Story.

Thoratic Strut

Hochwertige Nackenstützen verfügen über eine rückwertige Verlängerung im Rückenbereich zur Abstützung und Energieableitung. Wird ein Teil der Energie bei Leatt und Alpinestars über diese Thoratic Strut, wie Leatt sie bezeichnet, an die Regionen der Brustwirbelsäule von T6/T7 und T7/T8 abgegeben, verteilt die Ortema ONB Nackenstütze die Kräfte auf die Schulterblätter – zwei der größten Knochen im Körper.
Um eine fatale Übertragung der Kräfte an die untere Halswirbelsäule bzw. Brustwirbelsäule zu vermeiden, sind sowohl die Leatt-, als auch die Alpinestars-Stütze mit Sollbruchstellen versehen, welche nach einer gewissen Kraftaufnahme brechen. Umfangreiche Tests bei Leatt haben ergeben, dass selbst bei Belastungen, die zum Bruch der Thoratic Strut führen, keine gefährlichen Belastungen an die T6/T7- bzw. T7/T8-Region abgegeben werden, da diese zuvor von der Nackenstütze und deren Verlängerung absorbiert worden sind und die Restenergie von den Bandscheiben und paraspinalen Muskeln dieser Region aufgenommen werden können.
Es sei auch erwähnt, dass die Stütze im Falle eines worst-case-Szenarios Kraft von T3 bis T8 verteilt.

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Die großflächige Verteilung der Restkraft eines Aufpralls erfolgt bei Ortema über die hufeisenförmige Auflage auf die Schulterblätter, die darunter liegende Muskulatur und die teil-eastisch gelagerten Rippen (kleine Rippengelenke). Daraus resultiert ein körpereigenes biomechanisches Dämpfungssystem. Man kann dies mit einer Stoßstange am Auto vergleichen. Früher war diese aus Stahl. Für den Unfallgegner bedeutete dies starke Verletzungen sowie Brüche. Die heutigen Stoßstangen aus Kunststoff und Schaum führen zu wesentlich geringeren Verletzungen.
Auch die Atlas Brace verteilt die Kräfte über zwei separate Polster links und rechts von der Wirbelsäule. Zusätzlich werden auch auf der Brustseite Kräfte über flexible Platten abgedämpft.

Schlüsselbein

Oft wird der Vorwurf laut, dass man sich bei Verwendung einer Nackenstütze im Falle eines (harmlosen) Sturzes schnell einmal das Schlüsselbein brechen kann. Dieses Vorurteil ist bei einem durchdachten Design nicht wirklich haltbar, und im besten Fall kann eine gut konstruierte Nackenstütze sogar helfen, das Schlüsselbein zu schützen.
Sieht man sich typische Hergänge von Schlüsselbeinbrüchen an, können diese auf drei Arten vor sich gehen [1]:
1. Ein Fall auf einen ausgestreckten Arm kann die Kraft den Arm hinauf zum Schlüsselbein übertragen
2. Ein direkter Fall auf die Schulter überträgt die einwirkende Kraft auf das Schlüsselbein
3. Der Helmrand schlägt bei einem Fall auf das Schlüsselbein.

Detailansicht

Im Fall von Leatt wurde die Stütze so konstruiert, dass die dritte Verletzungsart limitiert wird. Eine sogenannte Clavicle Relief Area schafft Platz für das Schlüsselbein. So kann man sogar die Arme bzw. Schultern hochheben, ohne dass das Schlüsselbein mit der Unterseite der Nackenstütze in Berührung kommt.
Ortema sorgt gleichermaßen durch seine Form für eine Aussparung des Schlüsselbeins.
Genauso Alpinestars, wo genug Freiraum besteht um für eine Pufferzone beim Schlüsselbein zu sorgen. Zusätzlich besteht durch die eigens entwickelte Polsterung - welche sich im Kontaktfall Druckpunkten wie Knochenecken anpassen kann - die Möglichkeit, den Impact auf Knochen großflächig zu verteilen.

Sollbruchstellen

Um einen umfassenden Rundum-Schutz zu gewährleisten, werden in kritischen Bereichen Sollbruchstellen installiert, die unter kritischen Belastungen nachgeben, um den Fahrer zu schützen.
Eine der Wichtigsten befindet sich bei den meisten Herstellern beim Thoratic Strut, der Verlängerung, die am Rücken aufliegt. Leatt führt zudem Sollbruchstellen am hineteren Spoiler, vorderen Spoiler und den seitlichen Flügeln an.

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Die Konstruktion bei Ortema ist so aufgebaut, dass sich das System beim Impact verformt und dadurch Spannungsenergie aufgebaut wird. Diese reduziert die Rest-Impact-Kraft, die auf den Körper wirkt dermaßen, dass bei ihrem Modell ihres Ermessens nach eine Sollbruchstelle dadurch nicht notwendig ist.

Verschlusssysteme

Nach einem schweren Sturz ist es wichtig, dass eine Nackenstütze unproblematisch von Hilfskräften entfernt werden kann. Leatt ermöglicht dies durch jeweils einen Verschluss auf den Seiten des Nackenprotektors. Dadurch kann bei einer Person in Rückenlage zuerst die Frontpartie abgenommen werden, was einen schnellen Zugang zum Hals ermöglicht, ohne den Fahrer bewegen zu müssen.
Bei Alpinestars befindet sich eine einzige Schnalle auf der Vorderseite. Dann klappt man die linke Hälfte zur Seite und kann die Hälfte auf einem Scharnier auf der Rückseite aushängen. Danach können auch bei einer am Boden liegenden Person die Hälften entfernt werden.
Bei Ortema befindet sich die Schnalle auch an der Front, die Viertelteile klappen dann aber über ein auf den Seiten befindliches Lager auf. Im absoluten Notfall kann die ONB von einen Nothelfer am Scharnier aufgeschnitten werden, was im Nachhinein auch wieder repariert werden kann.
Im Fall der Atlas Crank, welche auf der Rückseite von Haus aus geteilt ist, kann man in drei kleinen Schritten auf der Vorderseite die Stütze in zwei Hälften teilen.

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    Leatt Verschlussystem
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    Ortema Verschlussystem
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Hinter dem Vorhang

Um eine möglichst funktionelle Nackenstütze herstellen zu können, benötigt man verschiedenste Testapparaturen, Prototypen-Equipment, Computersimulationen und Hochleistungs-Dummies. 2008 wurde das Leatt Lab in Cape Town, Südafrika gegründet, in dem sich die hochwertigsten Testgeräte befinden um neue Produkte zu entwickeln und ständig weiterzuentwickeln.
Auch Alpinestars verfügt über ein modernes Testlabor mit teilweise selbstentwickelten Maschinen.

  • © Alpinestars© Alpinestars
    © Alpinestars
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Tests und Simulationen

Dummies

Hybrid III ATD Dummies werden für viele Simulationen mit starken Aufschlägen verwendet, hauptsächlich in der Autoindustrie, die über unzählige Daten zu einwirkenden Kräften und Biegemomenten verfügt. Der Vorteil der Hybrid III ATD Dummies: sie beinhalten aktive Gelenke, welche Muskeln repräsentieren, und simulieren die Dynamik von Bandscheiben.
Die hauptsächlich verwendeten Modelle entsprechen in Größe und Gewicht einem 75 kg-Mann (der Durchschnittswert, der auf rund 50% der männlichen Menschheit zutrifft). Für gewisse Tests eignen sich darüber hinaus motorradspezifische H-III MATD-Dummies, welche sich in ihren Analyse-Möglichkeiten etwas vom ATD-Modell unterscheiden.

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Pendeltests

Im Fall der Entwicklung der Leatt Moto GPX Prototypen wurden unter anderem Tests in BMWs Testlabor in München durchgeführt. Die Deutschen hatten damals einen Pendeltest entwickelt, der sich für Tests an Dummies ohne Beschränkungen des Oberkörpers gut eignete.
Die dort gewonnenen Resultate stimmten gut mit den Computersimulationen von LifeMOD mit dem H-III ATD-Dummy überein, bzw. validierten diese Ergebnisse. Heute verfügt Leatt über ein eigenes Pendeltest-Setup in ihrem Lab.

Auch Ortema verwendete Pendeltests in Zusammenarbeit mit BMW um ihre Nackenstütze zu entwickeln und weiterzuentwickeln.

Bei Atlas ging man mit Hilfe der Firma Dynamic Research, Inc einen Schritt weiter und entwickelte ein Pendel, welches Vorwärts- sowie Abwärtsbewegungen simulieren kann und dadurch nicht nur eine Ablenkung des ersten Aufschlags, sondern auch die Kompression auf Kopf und Nacken bei der sekundären Belastung durch den Aufprall des Körpers simulieren kann.

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Setup:
Das Modell wurde genau wie das Test-Setup hergerichtet. Ein fixierter Stahlblock mit 72 kg wurde als Aufprallkörper für den schwingenden Dummy-Körper verwendet. Der Aufprallpunkt war der obere Teil des Helmes, um Hyperflexion, Hyperextension und laterale Hyperflexion zu simulieren. Der Dummy wurde mittels fixiertem Rotationspunkt von einer festgelegten Höhe geschwungen, wodurch ein wiederholbares Setup geschaffen wurde.

Resultate:
Tests ergaben, dass der Nij ohne Stütze im Vergleich zur Verwendung einer Nackenstütze von einem Wert von 0,3 auf ungefähr 0.1 reduziert werden konnte, was einer Reduktion von 67 % entspricht.

  • Biegemoment oberer Nacken, ermittelt durch Pendeltest bei BMWBiegemoment oberer Nacken, ermittelt durch Pendeltest bei BMWBiegemoment oberer Nacken, ermittelt durch Pendeltest bei BMW
    Biegemoment oberer Nacken, ermittelt durch Pendeltest bei BMW
    Biegemoment oberer Nacken, ermittelt durch Pendeltest bei BMW
  • Biegemoment oberer Nacken, ermittelt durch Computersimulation durch LifeMODBiegemoment oberer Nacken, ermittelt durch Computersimulation durch LifeMODBiegemoment oberer Nacken, ermittelt durch Computersimulation durch LifeMOD
    Biegemoment oberer Nacken, ermittelt durch Computersimulation durch LifeMOD
    Biegemoment oberer Nacken, ermittelt durch Computersimulation durch LifeMOD
  • Axiale Kraft auf oberen Nacken, ermittelt durch Pendeltest bei BMWAxiale Kraft auf oberen Nacken, ermittelt durch Pendeltest bei BMWAxiale Kraft auf oberen Nacken, ermittelt durch Pendeltest bei BMW
    Axiale Kraft auf oberen Nacken, ermittelt durch Pendeltest bei BMW
    Axiale Kraft auf oberen Nacken, ermittelt durch Pendeltest bei BMW
  • Axiale Kraft auf oberen Nacken, ermittelt durch Computersimulation durch LifeMODAxiale Kraft auf oberen Nacken, ermittelt durch Computersimulation durch LifeMODAxiale Kraft auf oberen Nacken, ermittelt durch Computersimulation durch LifeMOD
    Axiale Kraft auf oberen Nacken, ermittelt durch Computersimulation durch LifeMOD
    Axiale Kraft auf oberen Nacken, ermittelt durch Computersimulation durch LifeMOD
  • Nij folgend auf Biegemoment, axiale Kraft und Scherkraft, ermittelt durch LifeMOD ComputersimulationNij folgend auf Biegemoment, axiale Kraft und Scherkraft, ermittelt durch LifeMOD ComputersimulationNij folgend auf Biegemoment, axiale Kraft und Scherkraft, ermittelt durch LifeMOD Computersimulation
    Nij folgend auf Biegemoment, axiale Kraft und Scherkraft, ermittelt durch LifeMOD Computersimulation
    Nij folgend auf Biegemoment, axiale Kraft und Scherkraft, ermittelt durch LifeMOD Computersimulation

Alpinestars führt viele seiner Tests mit einem spezifischen pendelndem Gewicht mit Aufprall aus verschiedenen Winkeln durch. Ihre Interpretation der Resultate sind allerdings unterschiedlich zu der von Leatt.

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Resultate: Tests, welche sie mit dem Hybrid III-Dummies und Pendeltests durchführten, zeigten keine signifikante oder nur wenig Unterschied beim ersten Aufschlag zwischen dem Tragen einer Nackenstütze oder ohne - wobei sie einige der gängigsten am Markt erhältlichen Stützen neben ihrer als Referenzmodelle verwendeten. Die erste, sehr starke und oftmals fatale Belastungsspitze, welche den meisten Schaden anrichten kann und sich bildet, noch bevor der Helm mit der Stütze in Berührung kommt, konnte nicht reduziert werden.

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Computersimulationen

Ein heutzutage nicht mehr wegzudenkendes Hilfsmittel stellen Computersimulationen verschiedenster Arten dar. Durch Software wie wie MSC Adams, LifeMOD oder MADYMO können die Verhaltensweisen eines H-III ATD Dummies verifiziert oder simuliert werden bzw. komplette Unfall-Szenarien reproduziert werden. Der komplizierte Aufbau einer Wirbelsäule samt Muskel- und Gelenksfunktionen kann dabei berücksichtigt werden.
Auch das Produkt selbst kann durch Finite Element Analysen in seiner Struktur detailliert untersucht werden.

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In Bezug auf die Resultate, welche Alpinestars beim Pendeltest erzielte, wurden auch in Computersimulationen mit dem Programm MADYMO ähnliche Werte der Pendeltests nachvollzogen. Hierbei lieferte ihnen der Computer allerdings eine Lösung um die erste Belastungsspitze um bis zu 50 Prozent verringern kann, wenn der Helm bereits vor dem Aufprall mit der Nackenstütze in Kontakt ist - was den Unterschied zwischen einer katastrophalen Verletzung oder nicht, ausmachen könnte.

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SFI 38.1 Frontaler Schlittentest mit angegurtetem Torso

Mittels eines H-III ATD Dummies wurden Tests nach dem Automobil-Crash-Standard SFI 38.1 durchgeführt. Dabei wird ein Schlitten in einem Winkel von 0° und 30° mit einem 70G starken Aufprall gegen ein Hindernis gejagt.
Die erzielten Ergebnisse wurden auch mittels LifeMOD Software in Computersimulationen validiert und reproduzierbar gemacht.
Verwendete Leatt zu Anfang die Anlage bei Delphi in Ohio, bauten sie später ihr eigenes Setup, auf dem verschiedene Aufprallszenarien simuliert werden können.

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Resultate:
Die Biegemomente und der Nij blieben in allen von Leatt durchgeführten Tests bei Verwendung ihrer Nackenstütze unter den gefährlichen Werten.

  • Biegemomente des oberen Halses, ermittelt durch Tests und SimulationenBiegemomente des oberen Halses, ermittelt durch Tests und SimulationenBiegemomente des oberen Halses, ermittelt durch Tests und Simulationen
    Biegemomente des oberen Halses, ermittelt durch Tests und Simulationen
    Biegemomente des oberen Halses, ermittelt durch Tests und Simulationen
  • Nij, erhalten durch Tests und SimulationenNij, erhalten durch Tests und SimulationenNij, erhalten durch Tests und Simulationen
    Nij, erhalten durch Tests und Simulationen
    Nij, erhalten durch Tests und Simulationen

Auch Ortema verwendet eine Version eines Schlittentests zur Evaluation von Hyperextension. Ortemas Resultate zeigen zum Beispiel eine Verringerung der Hyperextension um 30 Grad.

Weitere Testmethoden

In den Anfängen der Entwicklung wurden zusätzlich Untersuchungen des James Marshall Sturzes (Motocrossfahrer, welcher einen fatalen Sturz mit Aufprall auf dem Kopf erlitt) und von Hirnverletzungsmustern während Schleudertrauma-artiger Unfälle gemacht.
Durch Nachstellung mittels Dummies und Validierung durch Computerprogramme konnten wichtige Informationen gesammelt werden; außerdem die Erkenntnis, dass das Tragen einer Leatt Brace die Biegemomente in der oberen Nackenbiegung um ca. 85% in Extension reduzieren hätte können. Auch Kopf- und Gehirn-Beschleunigungen hätten stark reduziert werden können.

Helmaufpralls-Testmaschine

Diese Apparatur ist fähig, alle gängigen Helmstandards in Europa und den USA wie DOT, Snell und ECE zu testen. Sie wird verwendet, um die Wirkungsweise zwischen verschiedenen Helmdesigns und Nackenstützen zu evaluieren.

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Zug- / Kompressions-Tests

Ein relativ simples, aber nutzvolles Gerät erlaubt, Teile der bzw. die ganze Nackenstütze auf ihre Belastbarkeit nach Produktions-Spezifikationen zu testen.

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Dynamische Aufpralls-Testmaschine

Diese Maschine wird verwendet, um EN-Standards abzuprüfen und auch, um die Eigenschaften von neuen Materialien zu evaluieren.

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Destruktiver Fall-Testmaschine

In dieser Maschine werden Nackenstützen zu Bruch gebracht, um Schädigungen in der realen Welt besser zu verstehen. Kräfte aus realen Unfällen können reproduziert werden und in weitere Tests und Designs der Nackenprotektoren einfließen.
Die Testmaschine wird darüber hinaus dazu verwendet, um sicher zu gehen, dass verwendete Materialien stark genug sind, dennoch aber die Sollbruchstellen an der Stütze erhalten - ergo nicht zu stark sind.

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Aus allen Tests fügt Leatt seine Resultate folgendermaßen Zusammen:

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Zukünftiger Teststandard

Zusammen mit der SFI Stiftung arbeitet Leatt an einem neuen Standard (SFI 57.1) für die Evaluation von Nackenstützen für einen uneingeschränkten Torso.
Damit sollen in Zukunft Nackenprotektoren verschiedener Hersteller auf ihre Funktion und Wirkungsweise getestet und verifiziert werden. Ein wichtiger Schritt, da es bis heute weder in Europa noch Amerika eine Verifizierungsmethode gibt, die bestätigen kann, wie effizient eine Nackenstütze arbeitet.

Fazit

Verständlicherweise gibt es keinen Hersteller von Nackenprotektoren, der 100-prozentigen Schutz vor Verletzungen, Lähmungen oder sogar dem Tod verspricht. Fett gedruckte dahingehende Warnungen sowie der Hinweis, dass der Hersteller nicht für Verletzungen haftbar gemacht werden kann, sind wie bei allen Protektoren gang und gäbe. Alpinestars geht so weit, dass sie sagen, dass weder ihre, noch andere Nackenprotektoren die momentan am Markt erhältlich sind, bei einem direkten axialen Aufprall ihre Wirksamkeit ausspielen können. Wie dem auch sei, so glauben auch sie fest an die umgreifende protektive Wirksamkeit und Wertigkeit ihrer Nackenstütze und investieren weiterhin stark in die Erforschung und Entwicklung von neuen Technologien.
Downhill-Mountainbiken oder Motocross-Fahren bringt unweigerlich Risiken mit sich, die kein Produkt auf diesem Planeten vollständig ausschließen kann. Wirft man aber einen Blick auf die Statistiken seit der Einführung der Leatt Brace, bemerkt man einen deutlichen Rückgang von schweren Verletzungen in diesem Bereich. AMA (American Motorcycle Association)-Statistiken zufolge entfielen in den Jahren 2002 bis 2005 (wo keine Stützen getragen wurden) 7% der Verletzungen bei Unfällen auf die Wirbelsäule. Seit der Einführung der Nackenstütze ist kein Fall mit neurologischen Beeinträchtigungen bei der AMA bekannt.
Nach Rückfrage bei Leatt sind überhaupt nur ein bis zwei Motorrad-bezogene Fälle bekannt, in denen Fahrer beim Tragen einer ihrer Nackenstützen schwere Nackenverletzungen davontrugen. Todesfälle gab es gar keine. Demgegenüber stehen unzählige Nachrichten von Benutzern (mittlerweile wurden über 500.000 Leatt Braces verkauft), denen zufolge die Nackenstütze vermutlich ihr Leben gerettet bzw. sie auf alle Fälle vor schweren Verletzungen geschützt hat.
Nach Evaluation aller Fakten kann man also nur zu dem Ergebnis kommen, dass Nackenstützen eine absolute Berechtigung im Downhill- bzw. auch Freeride-Sport haben, da sie vor schweren Nackenverletzungen, Lähmungen oder sogar dem Tod schützen können, wohingegen die Argumente, keine zu tragen, nicht standhalten können.

Wings for Life

Nach einem fatalen Sturz von Hannes Kinigadner bei einem Benefiz-Motocross-Rennen und der daraus resultierenden Querschnittslähmung, riefen sein Vater - der zweifache Motocross-Weltmeister Heinz Kinigadner - sowie sein Freund und Red Bull-Firmenchef Dietrich Mateschitz die gemeinnützige und staatlich anerkannte Stiftung für Rückenmarksforschung Wings for Life ins Leben. Mit Hilfe von Spendengeldern fördert und finanziert Wings for Life seitdem die weltweit aussichtsreichsten Forschungsprojekte, um hoffentlich eines Tages Querschnittslähmungen heilen zu können.
Mehr Informationen und die Möglichkeit zu spenden unter www.wingsforlife.com

Wolfgang Illek

C Wings for Life
Wolfgang Illek, © Wings for Life

Einer von Österreichs damals besten Downhillern, Wolfgang Illek, erlitt 2004 beim Downhillen eine Rückenverletzung und sitzt seitdem mit Querschnittslähmung im Rollstuhl. Nach langer Rehabilitation konnte er sein Studium der Wirtschaftspädagogik abschließen. Seither arbeitet Wolfgang bei Wings for Life.

Was ist deine Position bei Wings for Life?
Ich bin Projektmanager für diverse Projekte und Leiter der Sparte Prävention.

Welche Fortschritte haben sich seit der Gründung von Wings for Life im Jahr 2004 in der Rückenmarksforschung ergeben?
Um diese Frage zu beantworten, muss man zuerst viele Unterscheidungen treffen. Es gibt unterschiedliche Typen von Querschnittslähmung, wie zum Beispiel einen hohen und einen tiefen Querschnitt. Es ist auch ein Unterschied, ob der Halswirbel verletzt ist oder das Rückenmark darunter. Ein weiterer Faktor ist die Splittung in länger- oder chronisch Verletzte und Frischverletzte. Dies alles unterscheidet auch die Forschung ganz grob. Um ein Beispiel zu nennen: im Frischverletzten-Bereich hat es sehr große Fortschritte gegeben. Im Rahmen einer klinischen Studie wurde erkannt, dass, wenn man das Medikament Minocyclin, welches bereits seit mehreren Jahren auf dem Markt ist, gleich nach dem Unfall in einer Überdosis verabreicht, dies im weiteren Verlauf eine sehr positive Auswirkung für den Patienten hat. Man muss sich vorstellen, dass bei einem Unfall das Rückenmark anschwillt und das Immunsystem zusammenbricht, sowie weitere Vorgänge am Arbeiten sind. Diese Verabreichung, natürlich unter ärztlicher Aufsicht, hat sehr positive Auswirkungen vor allem bei hohen Querschnittsverletzungen. Es gibt hierzu sogar schon eine Phase 1, eine klinische Studie, die bereits am Menschen durchgeführt worden ist.

Arbeitet jemand an einer Art von Wundermittel?
Es sind zwar viele Forschungskräfte am Arbeiten, trotzdem: Die eine Spritze oder das eine Medikament, dank dem die Patienten aufspringen und wieder gehen, das gibt es noch nicht und wird es vermutlich auch nie geben. Der Weg wird sicher sein, dass Patienten behandelt werden und parallel auch intensive Physiotherapie oder Ergotherapie machen werden müssen.

Was ist der beste Weg, um euch in eurer Tätigkeit zu unterstützen?
Der beste Weg ist natürlich durch finanzielle Unterstützung, da wir die Spenden zu 100 % an die Forschung weitergeben können. Auch Kommunikationstechnisch ist uns geholfen, wenn man zum Beispiel unsere Website oder unseren Slogan "Querschnittslähmung muss heilbar werden" bewirbt. Möglichkeiten hierzu gibt es viele, wie zum Beispiel in eine E-Mail-Signatur hineinzustellen, dass man Wings for Life unterstützt - samt Link zur Webadresse. Beide Wege bringen uns weiter.

Wie ist dein Unfall damals verlaufen?
Ich bin bei Fotoaufnahmen gestürzt. Ich bin dabei ziemlich langsam eine Steilpassage hinuntergefahren und vermute, dass ich einen Schlag auf das Hinterrad bekommen habe, der zu einem Überschlag geführt hat. Dadurch, dass es so steil war, bin ich nicht schnell genug mit den Armen vorgekommen, um mich abzufangen oder abzurollen, sondern bin mit dem Kopf frontal in den Boden eingespitzt. Dabei habe ich mir den fünften und sechsten Halswirbel gebrochen, wobei es zu einer Rückenmarksquetschung gekommen ist.

Was ist deine generelle Meinung zum Thema Nackenprotektoren?
Aus meiner Sicht sind sie sehr sinnvoll, da sie die Kräfte bei einem Unfall auf die Schultern oder den Oberkörper ableiten. Die schlimmste Verletzung, die man haben kann, ist ein hoher Querschnitt, da auch die Finger und Hände von der Lähmung betroffen sind. Daher ist dieser Bereich auf alle Fälle zu schützen.

Rückblickend gesehen, kann man sich sicher die Frage sparen, ob du beim Downhill einen Nackenprotektor tragen würdest. Aber was würdest du zu jemandem sagen, der wegen des Preises oder der Unbequemlichkeit das Tragen eines solchen Protektors grundsätzlich ablehnt?
Ich würde sagen, dass ein Leben im Rollstuhl noch unangenehmer ist, als beim Sport einen Nackenschutz zu tragen, und dass ein Leben mit dem Rollstuhl auch finanziell sicher hochpreisiger ist, als sich einen Nackenschutz zuzulegen.

Referenzen

[1] Leatt White Paper; Dr. Chris Leatt, Cornel de Jongh, Pieter André Keevy; http://www.leatt-brace.com/company/leatt-lab-knowledge-library

[2] Allen BL, Ferguson RL, Lehmann TR. A mechanistic classification of closed, indirect fracture and dislocations of the lower cervical spine. 1982;7(1):1-27.

[3] Robertson, A. et. al.: Spinal Injuries in Motorcycle Crashes: Patterns and Outcomes: Journal of Trauma

[4] Ooi, S.S. et. al: Cervical Spine Injuries Sustained by Motorcyclists in Road Crashes in Malaysia
Ooi, S.S., et. al: Mechanisms of Cervical Spine Injuries for Non-Fatal Motorcycle Road Crash: Med J Malaysia

[5] Christelis L. Scanning and motion capturing of vertebral kinematics [Master's thesis]. Stellenbosch: Stellenbosch University; 2008.

[6] Panjabi M (Yale University School of Medicine, New Haven, CT), Meyers B (Duke University, Division of Orthopaedic Surgery, Durham, NC). Cervical spine protection report. Prepared for NOCSAE, 1995 [cited 2009 Feb]. Availible from:
http://www.nocsae.org/research/rep/CSpine_Report.pdf


Jetzt hat's ob so viel geballter Information allen die Sprache verschlagen :rolleyes::D

Oder seid ihr noch, wie ich, am Studieren der div. Diagramme und Kurven? Ich hätt ja ehrlich gesagt nicht gedacht, dass das alles sooo eine Wissenschaft ist ... *staun*

 

 

In der Realität gehts in den Forschungsabteilungen und Testabteilungen noch sehr viel mehr wissenschaftlicher zu. Da wird zentnerweise Papier geschwärzt, Terrabyte für Terrabyte an Messdaten gespeichert uvm. Ich bekomme davon teilweise etwas mit und habe einiges an Fachwissen da ich mehrere Jahre in der Entwicklung gearbeitet habe.

 

 

Der Bericht ist sehr gut geschrieben, alles gut nachvollziehbar erklärt und mit sicherheit ein Link den ich in Zukunft noch vielen Leuten empfehlen werde.

 

Gibt es eine ungefähre Info wann Part 2 erscheint?

Bearbeitet von Pyrosteiner
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Geplant für 5.11., aber ein paar Tage Verschiebung auf oder ab (die unwahrscheinlichere variante ) kann's immer geben

 

uuups, zu viel/zu früh versprochen. Lieferverzögerung bei einem Testmodell bis nach Park-Sperrzeiten. Somit wird's wohl eher Frühjahr werden, bis Teil II raus kann (weil am Schotterwegerl hinterm Haus könn ma Dreiradler testen, aber nicht Nackenprotektoren auf Herz & Nieren)

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Fazit aus der Praxis: wenn man sich an einen Leatbrace einmal gewöhnt hat, stört er beim Fahren kaum/garnciht mehr. ich würde mittlerweile eher ohne Rückenprotektor oder Ellbogenschützer fahren als ohne Leatt... und im Fall eines Falles hilft er sehr... bei bisher zwei unglücklichen Stürzen hat er mir zumindest schwere Genicksschmerzen erspart, und im Be3kanntenkreis steht es ebenso.

Schöner Bericht!

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  • 4 Monate später...
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