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Cyclophobia


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Liebe Boardies!

 

Meinem Onkel wird es nicht recht sein, wenn ich Euch erzähle, dass er unter Cyclophobie leidet.

 

Er hat panische Angst vor Fahrrädern und allem, was damit verbunden.

 

Schon bei der Erwähnung des Wortes "Fahrrad" bilden sich Grand Canyontiefe Falten auf seiner

Stirne und seine Zehennägel rollen sich auf.

 

Nun begab es sich vor einigen Wochen, dass ihm, dem nicht mehr Allerjüngsten, vom AMS eine

Stelle in einem Großkaufhaus "verordnet" wurde.

 

Als arbeitsloser gelernter Verkäufer konnte und durfte er nicht Nein sagen.

 

In der Abteilung Sportartikel war ein Mitarbeiter in Pension gegangen oder gestorben

oder beides.

 

Pünktlich wie immer, harrte er am ersten Arbeitstag des ersten Kunden.

 

Und da war er auch schon! Hautkrebsgebräunt und muskelgestählt betrat er die Arena

und brachte in forscher Manier seinen Wunsch vor: "Ich möchte ein Fahrrad kaufen"!

 

Mein Onkel, Egon heißt er, er kann nichts dafür, spürte sofort den nahenden Zusammenbruch

seines Immunsystems, sein Magen schlug Purzelbäume, und auf seiner Haut begannen

unzählige kleine wassergefüllte stark juckende Bläschen ihr Unwesen zu treiben.

 

"Mein lieber Herr", so sprach mein Onkel, "Ich möchte ihnen dringendst vom Erwerb des

von ihnen vorhin genannten Sportartikels abraten, es könnte ihr Schaden sein, ja sie

sogar ins Unglück stürzen"!

 

"Ihr Bremsseil könnte reissen, ihr Sattelrohr zerbröseln, der Lenker knicken, der

Schaltkäfig brechen, oder, wenn ihnen das nicht genügt, ein tieffliegender

Manta-Fahrer sie übersehen und direkt von der Straße ins Jenseits befördern"!

 

Die gutgemeinten Warnungen meines Onkels verhallten ungehört,

der Unbelehrbare beharrte unbeirrbar auf seinem Wunsch.

 

"Ich möchte ein Fahrrad"!

 

Onkel Egon war schon wieder einer Panikattacke sehr nahe.

 

"Junger Mann, wir haben auch sehr schöne Bälle! Damit können sie Fensterscheiben

zertrümmern, statt ihrer Kniescheibe. Wir haben auch derzeit Expander im Angebot,

die sind weit billiger und der Weg zum Governor of California rückt in nächste Nähe!

Auch einen Restposten von Hula-Hoop Reifen um drei Euro das Stück wäre ins Auge

zu fassen"!

 

Selbstzufrieden bleckte mein Onkel Egon die Zähne, in der irrigen Ansicht, seinen

Kontrahenten überzeugt zu haben.

 

"Opa, hast es noch immer nicht kapiert? Ich möchte ein Fahrrad"!

 

Das ist ein Hartnäckiger, so dachte mein Onkel und begann unwillkürlich schwer

zu atmen. Doch einen Silberstreif sah er noch am Horizont!

 

"Lieber Herr, ich habe noch etwas anzubieten, das sie unmöglich abschlagen können!

Ein Laufband mit integriertem Großformat-Flatscreen! Sie können die Strecke, die sie

laufen wollen, per DVD selbst wählen!

 

Wenn sie zB durch einen Wald laufen, ertönt Vogelgezwitscher und ein kleines Gebläse

sorgt für Moos- und Pilzduft!

Auch der Jakobsweg ist anwählbar! Sie können in ihrem Wohnzimmer nach Santiago de

Compostela pilgern"!

 

Undankbar, wie Kunden gegen wohlmeinende Ratschläge halt sind, verließ der Besagte

wortlos die Sportabteilung, nicht ohne sich vorher in der Direktion über Onkel Egon zu

beschweren.

 

Mein Onkel ist jetzt wieder arbeitslos, aber langweilig ist ihm nicht!

 

Er hat sich von mir Geld geborgt, das Laufband gekauft, läuft jetzt täglich mit

Pilz- und Moosduft nach Santiago de Compostela.

 

Mit den restlichen 50 Euro hat er sich eine Webcam gekauft, die er am Kopf

befestigte, zwecks Dokumentation seiner Laufleistung.

 

Derzeit befindet sich mein Onkel Egon in St. Pölten.

 

Sollte er wider Erwarten doch nach Santiago kommen, hat er mir versprochen,

Euch alle zu segnen.

 

Liebe Grüße, :zwinker:

 

Hans

 

:wink:

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Gast lotusblume

nette Story!

 

obwohl ich angesichts sowas - jaja, ich weiß: eine Phobie ist eine Krankheit.... - aber iregendwie bekomme ich da doch einen dicken Hals.

Einerseits finanziert unser System(AMS..) jeden möglichen Schmarrn für Arbeitslose(Buchhalterkurse für fertige BWL Magister....) andererseits sind sich

viele einfach "zu gut" einen ordentlichen Job anzunehmen.

Aber die Story hat was! Vielleicht überkommt Deinen Onkel ja virtuell ein Blitzgedanke für ein neues Geschäftsfeld...

vielleicht sollte das AMS auf die Art orientierungslosen jungen Männern die Möglichkeit geben etwas aus sich zu machen.

- ins Laufband einspannen, Vogelgezwitscher und Wald vorspielen und nach Compostella laufen lassen - denen fällt dann sicher was ein.

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