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Wiener Geografie oder warum ich mich bisher in Wien dauernd verfahren habe ...


axel
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Fuer die "G'scherten" im Bikeboard :

 

[...]

 

Hier gibt man natürlich keine Himmelsrichtungen an sondern bezeichnet Weltgegenden weitaus präziser.

Die korrekten Bezeichnungen lauten dementsprechend:

"auffe" oder "rauf" (hinauf), "obe" (hinunter"), "umme" oder "rüber" (hinüber), "ausse" (hinaus), "eine" (hinein), "in" (in den) "viare" (nach vorne"), "hintere" (nach hinten), "auf" (nach), "z'ruck" (zurück), "umman" (um etwas herum), "ummadum" (herum), "gleich dort", "gleich beim", "gleich ums Eck" (irgendwo in der Nähe), "a Stückl" oder "a paar Schritt" (eine kurze Wegstrecke), "amoi umfall'n" (einmal umfallen - kurze Entfernung), "drüben" (über der Donau, Transdanubien), "herüben" (diesseits), "draussen", nebenan (daneben), oben, unten und andere genaue Ortsbestimmungen.

 

Wien fällt zur Donau hin leicht ab, die Aussenbezirke liegen meist etwas höher als der Stadtkern, also ist das mit hinauf und hinunter zu definieren. Man fährt also vom Gürtel zum Ring oder zum Kai "obe".

Aber so einfach ist das auch wieder nicht. Denn man fährt nicht in den ersten Bezirk "obe" sondern "eine". Bis zum Gürtel fährt man "rauf", dann fährt man eigentlich schon "ausse" - oder auch "umme". Das kommt am eigenen Standort an. Fährt man radial um die Stadt herum in einen anderen Bezirk fährt man meist "umme", ausser der Bezirksteil liegt deutlich höher oder niederer, dann fährt man gelegentlich "auffe" oder "obe"

Wer jetzt denkt daß man zur Uno-City "obe" fährt, weil die ja an der Donau liegt, der irrt, denn über die Donau fährt man "umme". In den Nebenbezirk fährt man sowieso "umme" oder einfach "in neint'n" (= in den neunten Bezirk). In Vororte oder wenn die Wegstrecke etwas länger ist, so kann man auch "auf Grinzing ausse" (nach Grinzing hinaus) fahren (dorthin fährt man "zum Heirich'n" = zum Heurigen).

"Viare" geht man zum Wirten an der Ecke vorne (wobei das vorne relativ ist). "Hintere" geht man in einen weniger belebten Stadtteil, in kleine Gässchen oder in soetwas wie eine Sackgasse, wo weiter hinten nicht mehr viel los ist... dann geht man am besten wieder "z'ruck"

"Umme" ist eigentlich eine recht universelle Präzisionsbeschreibung - mit einem Links und Rechts dazu bezeichnet es alle Wege sehr genau.

 

Als Beispiel eine kleine Stadtrundfahrt:

Von der Josefstadt aus gehn's in die Stadt "eine", dann "umman" Ring zum Donaukanal "obe", zu Ringturm "viare", rechts "umme" in Kai entlang zur Ruprechtskirche. Dort gehn's "auffe", links "umme", in Fleischmarkt "hintere". Wenn's "a Stückl" weitergehn ist der Steffl "Gleich um's Eck". Gehns die Kärnterstrassn "obe" zur Oper. Steign's in Einser ein und fahrn's "viare" zur Bellaria. Mit'n 46er fahrn's die Lerchenfelderstrasse "auffe" zum Gürtel und dann nach Ottakring "ausse". Bei der Vorortelinie fahrns "umme" und schaun's wo's den 38er finden. Der fahrt "auf Grinzing". "Z'ruck" fahrn's wieder mit'n 38 "eine" bis zum 5er. Der fahrt "in achten". "Oben" auf der Josefstädterstrassn steigns aus, und fahrn "obe" zum Theater. Wenn's die Piaristengasse "hintere" gehn und dann links "obe" san's "gleich beim" Rathaus. Von dort können's wieder zum Kai "obe" fahren und dann nach Floridsdorf "umme"... "Drüben" fragen's dann am besten wie's "des Stückl" hinkommen. Wiea's wieder hamkumman fragn's "draussen" - müssen's halt a "bisserl ummadum" fragen.

 

Sie merken schon:

Mit keinem GPS könnte man also einen Weg besser beschreiben als mit den paar wienerischen Worten.

 

Natürlich kann man dieserart auch ganze Weltreisen beschreiben - Nach Süden gehts meist (die Weltkugel) "runter", nach Norden "rauf" und nach West und Ost gehts immer "rüber", ebenso wie man in grenznahen Regionen kurze Strecken auch nicht nach Deutschland "rauf" oder nach Italien "runter" sondern nur "rüber" fährt.

 

 

Ähnlich haben die Wiener auch eigene Maßeinheiten für Zeit- und Mengenbegriffe:

z.B. "eh dann glei" (vergleichbar mit dem arabischen "Inshallah" oder dem spanischen "Manjana" ... nur nicht ganz so dringend) = wenn ein Handwerker "eh gleich dann" kommt, kann das schon einige Zeit dauern, wenn er vorher noch "schnell" (oder "kurz") etwas erledigen muß (z.B. eine Wohnhausanlage bauen...) oder "auf einen Sprung" oder "Hupfer" (= kurzer Abstecher, kurzer Besuch) wohin muß. Aus einem Hupfer auf einen Kaffe kann ein Sprung zum Wirtn ("auf ein Achterl") und damit natürlich ein längerer Besuch und ein Doppler werden. Dann "vergeht in Böhmen ein Viertel" (Was immer dort auch solange braucht?) bis "was weitergeht".

Wie gesagt - Mengen und Zeitbegriffe sind relativ....

 

Die Fahrpläne der Öffis sind ein gutes Beispiel:

Der J-Wagen ist meist "bummvoll", kommt oft "eine Ewigkeit" nicht, dafür kommt "alle Boot" ein 5er - der kommt dafür dann, wenn man ihn braucht nur "alle Heiligen Zeiten". Dann steht man sich die Füße in den Bauch und wenn die "blaue" (die letzte Strassenbahn hat ein blaues Schild) weg ist "wartet man auf den Eisstoß" (ein Eisstoß kommt auf der Donau bei Wien entsprechend selten vor).

 

"Ein bisserl" bezeichnet eine (ebenfalls relativ) kleine Menge, worunter auch Zeit zu verstehen ist. Man bleibt noch "ein bisserl" sitzen, ißt noch "ein bisserl" was (vielleicht "eine Kleinigkeit" wie einen Schweinsbraten), trinkt noch ein Achterl (auch wenn es "ein Äuzerl" mehr - z.B. ein Liter - ist). "A Wengerl" (ein wenig) später kann man noch "a Eck weiter" einkehren und wenn man "nachher" mit einer "leichten" Schlagseite das "Stückerl" heimfährt (zu Fuß ist's halt "ein breiter Weg" von Grinzing in die Josefstadt) kann es einem passieren, daß man "a Lawine" Strafe zahlt (im Vergleich dazu hätte das Taxi "einen Nasenrammel" gekostet) - nur weil der Polizist einen "kleinen Stich" mit einem "mordstrumm" Rausch verwechselt - dabei ist da "ein Eckhaus" Unterschied.

 

Apropos "voll" - auch so ein relativer Begriff. Ein Kaffeehaus ist für einen Wiener "voll", sobald alle Nischenplätze besetzt sind, egal wieviel Platz es noch an den freistehenden Tischen im Lokal gibt. ... also gemma!

 

[...]

 

:f:

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Gehns die Kärnterstrassn "obe" zur Oper.

 

da könnt ma aber a sagen

"gehns die Kärnterstrasse "auffe" zur Oper, da der Steffl gemeinhin als der Mittelpunkt (der Erde) zu sehen ist ;)

 

und da im Westen tan sa si scho schwer mit "viertel vier" (15.15) und ähnlichem, wie sollns dann die präzisen Wegbeschreibungen verstehen

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da könnt ma aber a sagen

"gehns die Kärnterstrasse "auffe" zur Oper, da der Steffl gemeinhin als der Mittelpunkt (der Erde) zu sehen ist ;)

 

und da im Westen tan sa si scho schwer mit "viertel vier" (15.15) und ähnlichem, wie sollns dann die präzisen Wegbeschreibungen verstehen

 

wenn ich vom achten bezirk aus erkläre wie man vom steffl zur oper kommt sage ich "gengans umme zur oper" dabei würde ich vielleicht noch eine elegante wischbewegung mit der rechten hand machen

;)

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Gesucht habe ich eigentlich nach Bedeutung bzw. Herkunft von diversen Spruecherln a la "da geht ja in böhmen ein viertel ein". Das Gesuchte habe ich zwar bisher nicht gefunden aber dafuer eben das:

http://www.xxhot.com/city.php?mode=insider&city=94

 

bis du da was findest vergeht in böhmen a viertel

;)

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wenn ich vom achten bezirk aus erkläre wie man vom steffl zur oper kommt sage ich "gengans umme zur oper" dabei würde ich vielleicht noch eine elegante wischbewegung mit der rechten hand machen

;)

 

na des is klar

 

nur wenn du auf der Kärnterstrasse stehst und di fragt wer, wie er/sie zur oper kommt, dann würd ich eher sagen "die Kärtnerstrassen auffe) weil obe gehts zum Steffl....

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die dialekte sind zudem von bezirk zu bezirk teilweise unterschiedlich. kaum zu glauen gö? aber als ich so um die 16. war hatte ich noch den fetten erdberger slang drauf und war irgendwo bei den favorit'nern. da ist so a oida godan gwes'n, der hot mit mir quatscht und gmand, laut meinem spruch muass i aus erdberg sei. na do hob i oba gschaut das der knacker des gneist hot. na und schau au, a poor johr spät'a passiert ma der söbe schass no amoi in meidling bei de wappla :)

und vur zirka an johr hob i an von da he kennen glernt, na der hot mi a voi am dialekt erkaunt. dabei ist wien e so a klaner lächalschass und trotzdem gibts die ärgstn unterschiede unter dem gsindl :)

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na des is klar

 

nur wenn du auf der Kärnterstrasse stehst und di fragt wer, wie er/sie zur oper kommt, dann würd ich eher sagen "die Kärtnerstrassen auffe) weil obe gehts zum Steffl....

 

Sehr korrekt.

 

auffi und owe richten sich nämlich auch nach dem Hausnummernsystem, und das geht üblicherweise sternförmich vom Zentrum nach außen.

 

Aber Tatsache ist, dass die Wiener ein äußerst freundlcihes Volk sind und IMMER Auskunft geben:

 

Suchender: "Bitte, wo ist denn da die Kainzgasse."

Wiener: " I glaub, des hob i scho amoi gheat. Woatns amoi. Jo, do gengans do vire, 3 Gossn weida owe, dann die erste links und irgendwo muss sie dann sein."

Suchender dankt und geht, Wiener ab in der anderen Richtung.

5 Minuten später denkt sich der Wiener: "Hoit, des woa, glaub i , die Kreizgossn. No a Wurscht."

 

Aber gelogen hat er nicht. Denn IRGENDWO ist ja die Kainzgasse tatsächlich." :devil: :D :D :D

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@axel

:toll: du hast das echt supiiii aufbereitet, ist für einen Nichtwiener einfach nur köstlich. Da ich ja nun hier in der schönen Stadt meine Zeit verbring, ist mir das mit dem "aufi", " umi" und "eine" fahrn schon des öfteren aufgefallen. :p

 

.....und was sag ich, wenn ich vom 2. (Messeplatz) übers Rathaus nach St. Marx muss? :rolleyes:

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