Zum Inhalt springen

heuriger


 Teilen

Empfohlene Beiträge

Kierlinger — die Zeitmaschine

 

19., Kahlenberger Straße 20

Der Kierlinger ist was sehr, sehr Besonderes. Der Kierlinger-Heurige sieht uralt aus, ohne aber ein Museum zu sein. Betritt man den Heurigen von der Kahlenberger Straße aus, glaubt man, in eine andere Epoche versetzt worden zu sein, ein uralter Winzerhof mit winzigen Fenstern, unheimlich dicken Mauern, krummen Stiegen und ohne irgendeinen Hinweis darauf, dass man sich nicht in der Mitte des 19. Jahrhunderts befindet. Andere Heurige in der Kahlenberger Straße nutzen ihren Raum freilich besser als der Kierlinger, aber genau dieser Hof ist’s, der einen in die spezielle Kierlinger-Stimmung versetzt. Die Stube ist finster, man sitzt auf einfachsten Bankerln auf schwarzem Asphaltboden, die beleuchtete Vitrine dient als eine der wenigen Lichtquellen. Und auch hier: keine Brokkoli-Ingwer-Salate, keine Topinamburaufläufe, keine Shrimpscocktails, sondern pure Vitrinenechtkeit. Die wird allerdings gepflegt, denn die Blunzen und der Kümmelbraten sind legendär, und der Liptauer wird von kundiger Seite als der beste der Stadt (und damit der Welt) bezeichnet, denkbar, schließlich kommt ja hier auch noch echter Brimsen rein. Es sind aber auch die Details, die das Heurigenherz beim Kierlinger frohlocken lassen: die Senftiegerln etwa oder die Salzmandel-Kleinpackungen. Abgesehen davon, dass die Weine von Martin Kierlinger, und da speziell der gemischte Nussberger oder der Riesling, erstklassig sind und sich der Weißburgunder auch nicht zu verstecken braucht.

Und dann natürlich der Garten: Komisch, dass ein Heurigengarten mit so überhaupt keiner Aussicht dennoch so schön sein kann. Auch hier dürfte es an der gepflegten Urtümlichkeit liegen, an genau der richtigen Dichte, am schönen Schatten der großen, alten Bäume, an einem ganz speziellen, unaufgeregten Publikum, das sich hier unter sich weiß, Neuankömmlingen aber keineswegs feindlich gesinnt ist. Irgendwie ist das beim Kierlinger alles ein bisschen wie aus einem schmeckenden Karin-Brandauer-Film, living history, super.

 

Zawodsky — und er bewegt sich doch, der Heurige

 

19., Reinischgasse 3

Den Zawodsky unterscheidet von anderen Heurigen so einiges: Am Kaasgraben, wo er sich befindet, gibt es zwar jede Menge teure Villen, Botschaften und eine bei Heiratenden sehr beliebte Kirche, Heurige sonst aber eher nicht; außerdem vermittelt das Zawodsky-Haus nicht einmal ansatzweise Grinzinger Heurigenlieblichkeit, keine schmiedeeisernen Ranken, keine Wagenräder, keine Butzenscheiben, der rosa gestrichene Bungalow mit Flachdach ist sogar ein bisschen hässlich, könnte man sagen, und die Räume innen haben den Charme einer Liftstation. Was aber wurscht ist, weil der Zawodsky einen so unglaublich guten Garten hat, mit einer Laube und einem Bereich unter alten Obstbäumen und noch ein paar Tischerln zwischen einem alten Lattenzaun und einem pittoresken Miniatur-Weingarten, und eine Terrasse gibt’s auch noch. Jeder Tisch hat irgendwie eine fantastische Aura, von einigen sieht man in die Weingärten der Lage „Thorsäulen“, von anderen streift der Blick über das, was von der Stadt über die Wipfel Oberdöblings drüberschaut. Außerdem anders: Man setzt hier auf bio, ein eigener Garten wirft zum Beispiel alte Paradeisersorten ab, die am Buffet verkauft werden. Letzteres entspricht sonst eher den gängigen Standards, ist aber gut sortiert und von tadelloser Qualität, Liptauer wird sogar in zwei Schärfevarianten angeboten.

Besonders anders ist beim Zawodsky aber das Publikum. Nicht schunkelnde Pensionisten, sondern primär „Kreative“ und Spät-Bobos finden sich hier ein, das Aufkommen an Kindern und Hunden ist relativ groß, die Stimmung hat weniger was Idyllisches, sondern geht oft eher in Richtung Party oder Kindergeburtstag bei Jungarchitekten. Das führt nicht selten dazu, dass an den Tischen solcher Runden überhaupt kein Wein getrunken wird, sondern nur mehr gespritzter Hollersaft — wobei beides beim Zawodsky sehr gut ist, muss man sagen. Immerhin einer der wenigen Heurigen mit eigenem Profil und reichlich Zukunft.

 

Rauscher — der Letzte seiner Art

 

19., Langackergasse 5a

Nachdem der Wolf-Köller jetzt schon ziemlich lange nicht mehr ausgesteckt hat, sieht es so aus, als wäre der Rauscher-Franz tatsächlich der letzte wirkliche Heurige in Grinzing. Und „wirklicher Heuriger“ heißt in dem Fall: mit ausschließlich eigenen Weinen, ausschließlich aus Wiener Weingärten; mit eingeschränkten Aussteckzeiten; mit traditionellem Buffet, ohne warme Küche, ohne Restaurantkonzession, ohne Bierausschank und Kaffee. Von solchen gibt’s ja überhaupt nicht mehr viele; nach dem Tod desr Betreiber des legendären und absolut unvergleichlichen Bacher-Heurigen im verzauberten Camaldulenserhof in Alt-Sievering oder dem Ende des skurrilen Miniheurigen Rieke-Humbs in der Neustifter Mitterwurzergasse blieben neben den Touristenheurigen mit ihrer institutionalisierten Dirndl-Freundlichkeit kaum mehr echte und wahrhaftige über.

Der Rauscher schon. Man geht ein steiles Wegerl hinauf, gelangt zu zwei nicht besonders heimeligen Terrassen, die fugenlos mit Waschbetonplatten verkleidet wurden, aber dennoch nicht eines gewissen Charmes entbehren. Das liegt vielleicht an der Hecke mit wild sich rankenden Uhudlerreben, welche die obere Terrasse von einem kleinen Weingarten dahinter trennt, oder an den akkurat lackierten Holzbankerln. Wirklich fantastisch ist der Rauscher aber ohnehin drinnen. Da hat sich nämlich seit mindestens fünfzig Jahren nichts geändert, nicht in den finster-holzigen Stuben und vor allem nicht beim Buffet, das ein bisschen wie aus einem Dorfmuseum wirkt, inklusive alter Kühlschränke, Glasvitrinen und den wenigen, wunderbaren Sachen in der Vitrine: das Bratlfett in einem Steinguttopf, Kümmel- und Schweinsbraten, mit Alufolie zugedeckt, damit sie länger warm bleiben, Vintschgerl, aufgeschnitten im Körberl — Glück! Die Weine beim Rauscher sind — na ja — auch ein bisschen wie vor fünfzig Jahren, aber das gehört einfach dazu, da muss man durch.

 

Franz Rath

 

19., Hameaustraße 11

Kaum zu glauben: Am oberen Rand von Neustift, gegen das ja sogar Grinzing noch ein Inbegriff von authentischer und unverfälschter Heurigenidylle ist, gibt’s ein Platzerl, das sich ziemlich von seiner Umgebung unterscheidet. Der Rath besteht aus einer kleinen grünen Wiese mit ein paar Obstbäumen, unter der ein paar Bankerln stehen. Drinnen ist alles sehr gepflegt, aber sehr alt und unverfälscht, ein bisschen düster, die Schank ist wie aus einem Bockerer-Film, es gibt nur einen Wein, und zwar einen Gemischten Satz vom eigenen, recht kleinen Weingarten. Der Rath sei übrigens der Lieblingsheurige von Ernst Happel gewesen, erfährt man.

 

Hengl-Haselbrunner

 

19., Iglaseegasse 10

Bei aller Größe und aller gutbürgerlichen Pracht hat der Hengl was ganz Wesentliches: erstens einen bezaubernden Garten, zweitens einen ziemlich guten Wein (Riesling vom Hungerberg oder Riesling Nussberg sind immer sehr gut, die experimentellen Rotweine einen Versuch wert), drittens ein äußerst komplettes Buffet mit Spezialisierung auf hochwertige Käse aus Vorarlberg und viertens einen Raum namens „Alter Saal“, der schon recht viel Atmosphäre besitzt.

 

Sirbu

 

19., Kahlenberger Straße 210

Das Beste am Sirbu ist die Anfahrt über den Nussberg und der Ausblick auf die Nussberger Nordseite namens Weißleiten, auf die Donau, den Leopoldsberg, umgeben vom Wiener Weingartenmeer. Kann man nicht auf der Terrasse sitzen, ist der Sirbu ein recht normaler Heuriger mit etwas spezialisiertem Buffetangebot auf dem Sektor der Vitalkost und des Käse.

 

Heuriger Hirt

 

19., Eisernenhandgasse 165, Kahlenbergerdorf

Ein nicht unskurriler Heuriger, nur mit reichlich Orientierungssinn und Lust an der Steigung zu erklimmen. Dafür hat man dann eine fröhliche Hütten- und Terrassen-Atmosphäre mit schönem Blick auf Donau, Weingärten und Strebersdorf, drinnen hat’s was absolut Uriges, Schutzhüttiges. Am Bisamberg betreiben die Hirt-Leute auch noch einen ebenfalls recht skurrilen Heurigen namens Zur Schildkrot.

 

Wieninger

 

21., Stammersdorfer Straße 78

Der Wieninger-Heurige in Stammersdorf ist mittlerweile ganz schön riesig, eigentlich immer bummvoll, die Weine zählen nicht nur zu den besten der Stadt, sondern auch zu den besten im Land (besonders interessant Pinot Noir und die Weine vom Nussberg), das Buffet ist erstklassig und besitzt einen „modernen“ Touch, Spezialitäten werden außerdem noch extra zubereitet.

 

Göbel

 

21., Stammersdorfer Kellergasse 151

Wiens erster und einziger Designerheurige, der sich aber nicht nur durch seine schlichte und reduzierte Gestaltung abhebt, sondern auch küchenmäßig, indem Hans-Peter Göbel nämlich Franz Karner — früher Hilfskoch bei TV-Blauauge Alois Mattersberger und dann bei den Umars am Naschmarkt — engagierte, der hier die etwas andere Heurigenküche zelebriert.

 

Zahel

 

23., Maurer Hauptplatz 9

Das Weingut Zahel zählt zu den großen Aufsteigern des Wiener Weins, und das ist gut so. Auch beim Heurigen legten die Brüder zu, vergrößerten um einen Wintergarten, die Stube und das Buffet blieben aber zum Glück unberührt und damit sehr authentisch und urig. Das Buffet ist reichhaltig, es gibt reichlich gute Käse und auch Deftigeres.

 

Irene Langes

 

2102 Bisamberg, Adalbert-Stelzmüller-Gasse 16

Eigentlich liegt Bisamberg ja im Weinviertel, und eigentlich ist Irene Langes ja auch Ministerialbeamtin, und eigentlich hat sie in Wirklichkeit gar keinen Heurigen. Aber dennoch zählt sie zu den herausragenden Figuren des Wiener Weins der letzten Jahre, ihre Weingärten befinden sich größtenteils in Wien, und jeden Freitag ist in dem schon etwas verfallenen Haus in einem Bisamberger Wohngebiet Weinverkaufstag, der dann zu so etwas wie einem Heurigen wird — hervorragende Schinken, Käse, Aufstriche.

 

Petershof

 

21., Stammersdorfer Kellergasse 39

Ein paar Holztische unter einem Baum in der Kellergasse, eine steile Treppe in ein Kellergewölbe mit einem einzigen langen Tisch, ein kleiner Garten darüber, mit wunderschönem Blick nach Südosten, auf Kahlenberg, Kahlenbergerdorf und Hermannskogel, ein paar belegte Brote und biologisch produzierte Weine mit reichlich Auszeichnungen — über die errungenen Gold- und Silbermedaillen informieren zahlreiche Holztafeln. Auch interessant: Der Winzer Peter Ulreich ist eigentlich Architekt, war dreißig Jahre in Schweden und betreibt Weinbau erst seit etwa zehn Jahren.

 

Gschiessl

 

21., Breitenweg 6

Der Heurige liegt sozusagen mitten in den Weingärten, umgeben von hervorragenden Chardonnay- und Burgunderlagen. Am besten sitzt es sich auf den Bankerln direkt am Breitenweg, von hier schaut man wunderbar auf die Weingärten und auf Stammersdorf. Innen ist der Gschiessl eher karg, das Buffet nicht gerade üppig, aber immerhin straight und zuverlässig, die Weine besonders spritzig.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

ich suche für die hier urlaubende familie einer in wien lebenden luxemburgischen bekannten einen gscheitn heurigen, keinen touristencheckpoint, sondern was ordentliches...

 

bitte schnellst möglich um antwort von den heurigenprofis :D

 

blessings

 

ps: offen sollt a auch sein ;)

 

Hagenbrunn oder Stetten als Heurigenort sind sehr zu empfehlen

Hagenbrunn z.B. Heurigen Oberschill - Hauptsrtr. 4

Stetten: Heurigen Pfaffl - genaue Adresse weiß ich leider nicht

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Dein Kommentar

Du kannst jetzt schreiben und Dich später registrieren. Wenn Du ein Konto hast, melde Dich jetzt an, um unter Deinem Benutzernamen zu schreiben.

Gast
Auf dieses Thema antworten...

×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung jetzt entfernen

  Nur 75 Emojis sind erlaubt.

×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

×   Dein vorheriger Inhalt wurde wiederhergestellt.   Editor leeren

×   Du kannst Bilder nicht direkt einfügen. Lade Bilder hoch oder lade sie von einer URL.

 Teilen

×
×
  • Neu erstellen...