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Der Bim-Flüsterer


SirDogder
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Der Mann schaute kein einziges Mal auf, wenn eine Straßenbahn vorbei fuhr. Trotzdem irrte er sich nie – er schrieb immer die richtige Wagennummer in sein Logbuch.

Es war neulich. Da rief M. an und erklärte, dass er noch lebe. Und zwar gar nicht so schlecht. Das, waren wir uns einig, war schon eine Neuigkeit. Schließlich hatten wir einander das zuletzt vor etlichen Jahren gesehen. Und damals war M. uns allen – inklusive sich selbst – mit dem unendlichen Klagelied seiner verpfuschten Existenz auf die Nerven gegangen: An solchen Dauergesängen, hatte M. damals schon gejammert, könnten und würden Freundschaften zerbrechen. Er, hatte M. stets gewimmert, würde derlei nämlich nicht ertragen. Das war eine Selffullfilling Prophecy gewesen.

 

Aber jetzt, sagte M., als er da plötzlich am Telefon war, sei das alles längst passé. Trotzdem aber, setzte er fort, melde er sich um der alten Zeiten Willen. Die Stadtgeschichten über die Straßenbahnfans hätten in ihm nämlich die Erinnerung an den alten Mann im Café Carina wachgerufen. Der Straßenbahnen am Klang erkennen konnte.

 

Gürtelszene

 

 

Als M. den Mann erwähnte, fiel er mir auch wieder ein. Obwohl: Eigentlich fiel mir seine Geschichte wieder ein. Denn ich konnte mich weder an ein Gesicht, noch an ein Alter oder gar einen Namen erinnern. Aber die Geschichte war wieder da. Irgendwann hatte jemand in dem immer seltsamen, kurze Zeit aber als hipp-"erdige" Alternative zu den gerade eröffnenden "jungen" Gürtellokalen geltenden Beisl unter der Stadtbahn begonnen, Geschichten über die Geschichte des Carina zu erzählen: Von der Schank, die aus einem Wienerwaldschutzhaus stammte. Von den Straßenbahnern, die hier vor oder nach der Garniturübergabe einkehrten – und von dem Mann, der die Bim am Klang erkannte.

 

Der Mann, hatte es geheißen, sei jeden Tag ein paar Stunden hier. Immer am selben Platz. Er tränke ein oder zwei Gläser Wein, schaue nie von seiner Zeitung hoch und mache sich alle paar Minuten Notizen. Es habe, erzählte man uns, Monate gedauert, bis man herausbekommen habe, was er tat: Er führte Buch. Über Straßenbahnen. Nicht bloß darüber, welche Linie oder welcher Wagentyp da gerade draußen vorbeiknirschte, sondern auch darüber, welche Garnitur es war. Ohne den Blick zu heben.

 

Bim-Ohr

 

 

Die Straßenbahner im Lokal, erzählte man uns, waren dann natürlich af den Mann mit dem Bim-Gehör aufmerksam geworden. Und langsam hätte sich herausgestellt, dass der Mann selbst auch einen täglichen Fahrplan zu absolvieren hatte. Dass er also jeden Tag eine fixe Route abgraste, sich an Mehrfachhaltestellen, Linienkreuzungen und bei Remisen hinsetzte – und eine akustische Inventur des Schienenfuhrparks der Wiener Linien vornahm.

 

Natürlich galt er als Spinner. Als Scharlatan. Es war ihm egal. Aber nachdem man ihm lange genug über die Schulter geschaut hatte und die Zahlen im Heft mit denen auf den Wägen vor dem Lokal verglichen hatte, mussten auch die Skeptiker und die Spötter zugeben, dass der Bim-Flüsterer sich nicht irrte. Angeblich kein einziges Mal. Sogar die Kombinationen von Zugwägen und Waggons soll er stets richtig notiert haben.

 

Flüsterton

 

 

Dunkel erinnerte ich mich jetzt wieder an einen kleineren, ältlichen Mann, der da in einer Koje des Lokals gesessen hatte. Der dort, hatte die Belegschaft hinübergenickt, sei der Bim-Flüsterer. Und weil er doch einer war, der mit den Ohren arbeitete, senkte man immer ein bisserl die Stimme, wenn man über ihn sprach. So, als könnte just dieses eine gesprochene Wort in der Kakophonie aus Beisl- und Gürtellärm die Präzision seiner Wahrnehmung beeinträchtigen.

 

M. gluckste fröhlich vor sich hin während wir am Telefon die Vergangenheit Revue passieren ließ. Bis wir zum Schluss auf den Haken in der Geschichte stießen: Keiner von uns hatte je selbst mit dem Bim-Flüsterer gesprochen. Oder auch nur einen Blick in sein legendäres Heft geworfen. Es hatte uns genügt, dass die, die immer im Lokal gesessen hatten, uns diese Geschichte als reine, allerreinste Wahrheit aufgetischt hatten.

 

Damals hatte das genügt. Schließlich gab es in dieser Region damals noch weit seltsamere Dinge, Figuren und Geschichten – und die hatten (oft genug: leider) jeder Überprüfung standgehalten. Doch auch aus heutiger Sicht, beschlossen M. und ich, die Geschichte weiter zu glauben. Weil sie zu schön und zu banal ist, um sie sich durch genaues Nachprüfen kaputt machen zu lassen. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 14. Jänner 2008)

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Ich weine heute noch dem guten, alten 8er nach!:(

 

 

Wer täglich mit der U6 unterwegs ist, weiss, dass sie mit der Frequenz völlig überfordert ist, bei Störungen oder Verspätungen ist der Ofen dann völlig aus. Früher konnte man einfach mit dem 8er weiterfahren!

 

Aber es ist typisch für Wien, dass für jede U-Bahn Strassenbahnlinien gekillt werden um die Fahrgäste in die U-Bahn zu zwingen....

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Kloa, der 8er war suppa, hast nur läppische 1,5 Stunden von der Philadelphiabrücke bis zum Liechtenwerder Platz braucht, quasi a Schnellstrassenbahn :D

 

Überfordert samma meistens nur, weil am Westbahnhof die Garnitur nur 1 Tür hat, die mittlere vom T, da stehen alle Leut, auch wenn die anderen 18 Türen vom Mischzug offen sind ;)

 

Dass wir mit dem 3-Minuten Intervall technisch überfordert sind, stimmt allerdings, die alten Wagln schaffen des nimma, und die ganz neuen fahren noch nicht mal :rolleyes:

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Die U6 is eh a klasse Linie, Fahrzeuge sind halt schon an der Lebensdauer und nur durch die hervorragende Wartung in der Lage, die Kilometerleistungen zu bringen!:toll:

 

 

Ich meinte das eher allgemein: wenn ich mir U1 ab Kagran ansehe; Geisterzüge bis Leopoldau tagsüber, das war eben die Frequenz die der 25er locker abgewickelt hat.

 

Station Aderklaaer Strasse: Geisterstation, wird schon überlegt die wieder stillzulegen

 

U6 ab Philadelphiabrücke: Frequenz wie eine Strassenbahn, ab Alterlaa sowieso nur Geisterzüge

 

Neue Strab Linie 17: fix und fertig geplant von der MA18, Trasse freigehalten, und der Dodel BV von Floridsdorf Lehner blockiert alles, weil ihm die U6 nicht nach Stammersdorf verlängert wird!

 

Linie 65: Verlängerung zur Wienerberg City fertig geplant, Bezirk will das nicht, weil 20 Parkplätze wegfallen könnten

 

usw

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Die U6 is eh a klasse Linie, Fahrzeuge sind halt schon an der Lebensdauer und nur durch die hervorragende Wartung in der Lage, die Kilometerleistungen zu bringen!:toll:

 

 

Letztens hatten wir einen E6 in Arbeit, da hat die Motor/Getriebe- Einheit sich während des Drehens um fast 1,5cm nach allen Richtungen bewegt, a nettes Gefühl, wennst drunter stehst :eek:

 

Wenn du auf die Probleme rund um den Jahreswäxl anspielst: Wir hatten innerhalb von 48 Stunden 2 Springer, da wird´s dann echt zaach, 2 Züge bis zur techn. Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde abgestellt, danach etliche Wagln wegen Flachstellen durch die Notbremsung betriebsuntauglich, 2 Fahrer weg für jeweils 3 Tage....:f:

 

Von der vollgekotzten Grube nach der Wagenreinigung (Drehgestelle) war ja gsd der Betrieb nicht betroffen :D

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