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  • Wenn's lauft, dann lauft's ...

Einmalig sein, aus der Masse hervorstechen, anders sein als die anderen - mal ehrlich: Wer will das nicht?
US-Hersteller Trek hat dieses zutiefst menschliche Bedürfnis nach Abgrenzung, Hervorhebung bereits vor einem Jahrzehnt erkannt und "Project One" erfunden: Das eigene Fahrrad als Mittel, Eigenständigkeit zu erlangen, Originalität zu demonstrieren. Rahmendesigns, so individuell wie ihre Besitzer, Räder, so einzigartig wie ein Unikat - nicht mehr und nicht weniger verspricht das Custom-Programm des Großkonzerns. Die erste Ausbaustufe umfasste 10.000 Farb- und Grafikoptionen auf elf verschiedenen Rahmen-Modellen (Bike und Rennrad).
Mittlerweile hat Project One das nächste Level erreicht, und NoMan fragte nach: Wie individuell sind die Create-it-yourself-Räder wirklich, und wie weit wird der Begriff Custom gefasst? Ein Online-Test mit Reallife-Folgen, denn Selbstbeherrschung war der Chefredakteuse Sache noch nie ...


Part 1: Die Online-Konfiguration|Part 2: Die Vermessung|Part 3: Der erste Kontakt|Part 4: On the road|Part 5: Die Saisonbilanz

Part 5: Saisonbilanz

Wenn's lauft, dann lauft‘s ...

... und wenn's nicht lauft, lauft's nicht. Was jetzt keinerlei Anspielung auf den generellen Rundlauf des Trek Madone sein soll. Der ist auch nach 4.107 Kilometern einwandfrei. Vielmehr beschreibt diese Binsenweisheit den Verlauf meiner heurigen Rennsaison. Müßig, zu erwähnen, dass vor allem der Weisheit zweiter Teil zum Tragen kam.

  • Wenn's lauft, dann lauft's ...Wenn's lauft, dann lauft's ...
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Große Pläne hatte ich geschmiedet, für mein neues Rennrad und die Saison 2010. Die Kraftwerktrophy im Mai - nur der Anfang einer steilen Rennkarriere. "Anja Charlotte die Welt zeigen", hatte ich als Ziel im SWAT-Profil angegeben, und damit gemeint: Mindestens die Tiroler Berge sollte das US-Girl im Renntempo zu Gesicht bekommen, und am besten die Kärntner, Südtiroler, Salzburger, Steirer und Niederösterreichischen gleich dazu. Immerhin hielt der Terminkalender liebliche Veranstaltungen parat, die eine solche Österreich-Erkundung zum organisatorischen Kinderspiel hätten machen können: Peakbreak, St. Pöltner Radmarathon, Ötztaler Radmarathon, Eddy Merckx Classic, und zum Drüberstreuen die Festina 24H Radtrophy. Anmelden, Einzahlen - fertig!
Tatsächlich gefahren bin ich dann nur den trotz seines furchterregenden Beinamens ("der Härteste im Osten") vielleicht harmlosesten all dieser Bewerbe. Und auch dort hätte ich beinahe nicht das Ziel gesehen. Ein betrüblicher Umstand - zumal der heißgeliebte Untersatz nicht ganz unbeteiligt daran war. Aber langsam und der Reihe nach.

  • "Ride with us" statt Ötztaler. Die vom Trek Store Wien ausgerufene"Ride with us" statt Ötztaler. Die vom Trek Store Wien ausgerufene
    "Ride with us" statt Ötztaler. Die vom Trek Store Wien ausgerufene
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  • Sonntagsrunde über Manhartsbrunn und UlrichskirchenSonntagsrunde über Manhartsbrunn und Ulrichskirchen
    Sonntagsrunde über Manhartsbrunn und Ulrichskirchen
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  • erwies sich als lustige Alternative zur Höhenmeter-Schlacht in Tirol.erwies sich als lustige Alternative zur Höhenmeter-Schlacht in Tirol.
    erwies sich als lustige Alternative zur Höhenmeter-Schlacht in Tirol.
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  • Den Athleten zu Ehren mampften auch wir echte SportlernahrungDen Athleten zu Ehren mampften auch wir echte Sportlernahrung
    Den Athleten zu Ehren mampften auch wir echte Sportlernahrung
    Den Athleten zu Ehren mampften auch wir echte Sportlernahrung
  • und scheuten das schlechte Wetter nicht - mehr als 80 km lang.und scheuten das schlechte Wetter nicht - mehr als 80 km lang.
    und scheuten das schlechte Wetter nicht - mehr als 80 km lang.
    und scheuten das schlechte Wetter nicht - mehr als 80 km lang.

Die Gründe für läppische 563 Kilometer Renndistanz als Bilanz einer anfangs hoffnungsfrohen Saison sind diffus und wiederkehrend: ein Atemwegs-Infekt, der monatelang systematisches Trainieren vereitelte, ein neuer Job, der seine Eingewöhnungsphase brauchte, eine in der Welt verteilte Großfamilie, die ihre Feste und Jubiläen nicht mit sportadapter.com akkordierte, und eine Fahrerin, die ob all dieser Wirrnisse sogar über den einfachsten Part des Organisatorischen stolperte. Weil nicht anmelden und nicht einzahlen heißt eben im Regelfall auch nicht mitfahren - da kann man sich mit dem Presseplatz eines anderen Teilnehmers wichtig machen, was man will: Ein Ötztaler mit seinen hunderten Wartelisten-Kandidaten hat derlei Spätzünder einfach nicht nötig.

Was zum Trost bleibt, sind 3.544 Kilometer Trainingsdistanz. Tröstlich deshalb, weil sie ohne einen einzigen Defekt, dafür mit vielen schönen Momenten und netten Begegnungen verliefen (an dieser Stelle herzliche Grüße an alle, denen Anja Charlotte in den letzten Monaten eine bewundernde Bemerkung wert war, die sie aus Zeitung und Bikeboard wiedererkannt haben oder sie, einmal gesehen, unbedingt näher kennenlernen wollten. Mittlerweile ist die Gute beinahe beleidigt, wenn sie unterwegs nicht angesprochen wird ...).

Der Härteste im Osten

Die unmittelbare Vorbereitung für die Extrem-Distanz beim "Härtesten im Osten" verlief dem Grundtenor der gesamten Saison entsprechend suboptimal: Eine NYX-Klausur in der Weinstadt Retz, mit langen Planungsgesprächen und kurzen Nächten, und zum Drüberstreuen das Schilterner Kellergassenfest. Auch liegt dieses 300-Einwohner-Dorf gar nicht so nahe an St. Pölten wie gedacht, und so hieß es am 4.7. zu unliebsam früher Stunde aufstehen.
Gott sei Dank wird bei Rennrad-Marathons aber anscheinend ohnehin recht gemütlich gestartet. Sich aufzuwärmen, findet hier keiner notwendig, und entsprechend wurde auf den ersten, polizeilich eskortierten Kilometern hinaus aus der Landeshauptstadt gebummelt.

  • Mittendrin im recht überschaubaren Starterfeld der Extrem-Distanz:Mittendrin im recht überschaubaren Starterfeld der Extrem-Distanz:
    Mittendrin im recht überschaubaren Starterfeld der Extrem-Distanz:
    Mittendrin im recht überschaubaren Starterfeld der Extrem-Distanz:
  • Prominenz wie Benjamin Karl, Snowboard-Weltmeister.Prominenz wie Benjamin Karl, Snowboard-Weltmeister.
    Prominenz wie Benjamin Karl, Snowboard-Weltmeister.
    Prominenz wie Benjamin Karl, Snowboard-Weltmeister.

Vorgewarnt durch des Moderators medizinisch fundierte Ausführungen, welche Gefahren einem dehydrierten Körper drohen, ging's bei bereits beachtlicher Morgenhitze in den ersten Berg. Und siehe da: "Is des des Radl, des im Bikeboard war?" Eine positive Bestätigung konnte ich dem aufmerksamen User noch geben, bei der anvisierten Zielzeit hingegen scheiterte ich. Machte aber nichts, er war eh schon vorne weg. Und so fuhren wir dem ersten Gipfelsieg entgegen, ich schnaufend und schwitzend, Charlotte fröhlich surrend und in der Sonne glänzend. Bergab waren wir schneller als die meisten anderen, schneidig rollte mein Trek-Racer wieder an jene Mannen heran, die ich zuvor bereits hatte ziehen lassen.
Wie von ihm selbst prognostiziert, holten wir am zweiten Anstieg Teamkollege BigAir ein und blieben von da an - ein kurzes "hab meine Brille verloren"-Intermezzo ausgenommen - zusammen. Das heißt: Dominik, anders als ich allmählich in Topform und ganz Gentleman, blieb bei mir. Spendete auf den Geraden großzügigen Windschatten und war auch am Berg nicht zu biegen, sodass ich mich über Wetterlucke und Schwarzenbach tief in seine Schuld radelte. Denn an der Labstation Annaberg, wo wir unsere leer gezuzelten Flaschen auffüllten, erfuhr ich einen überraschend positiven Zwischenstand: "Erste Dame."

Auf den Wastl hinauf spendeten endlich Bäume ein wenig Schatten, ich fühlte mich wohler und wir überholten Teilnehmer um Teilnehmer. Fast war der höchste Punkt des Rennens erreicht, da tat es einen Schepperer, laut schnarrte es aus Richtung Tretlager und ich trat ins Leere. Kette runtergefallen - dabei hatte ich eindeutig nur hinten geschaltet! Rasch drückte ich den vorderen Werfer, ehe mein Schwung schwand, aber die Kette blieb, wo sie war, und die Kurbel stockte. Also umdrehen, runterrollen, weiter versuchen. Nichts zu machen.
Grummelnd stieg ich ab und legte Hand an. Während eine riesige Gruppe und gefühlte weitere dreihundert Solisten an mir vorüber zogen, brachte ich mit sanfter Gewalt und lautem Fluchen die Kette wieder an ihren angestammten Platz, rollte los - und traute meinen Ohren nicht. Die Kette rasselte und rumpelte, hüpfte und schliff. Kein Gang hielt. Wie sich später herausstellte, ist sie so unglücklich runter geplumpst, dass sie sich an einer Ecke des am Rahmen aufgeklebten Schutzblechs verkeilt und dieses und sich selbst verbogen hatte.

  • *verdreh**verdreh*
    *verdreh*
    *verdreh*
  • *schleif**schleif*
    *schleif*
    *schleif*
  • *kettenschmierversifft**kettenschmierversifft*
    *kettenschmierversifft*
    *kettenschmierversifft*

Nun war guter Rat teuer. Wer hat schon bei einem Rennrad-Marathon einen Kettennieter dabei? Ich jedenfalls nicht, womit mein Rennen eindeutig gelaufen schien. Schnarrend und ins Leere tretend rollte ich weiter, ärgerte mich über das heurige Rennpech und das einsame Herumgegurke und beschloss, die nächstbeste Shuttle-Gelegenheit nach Hause beim Schopf zu packen. Allerdings basierte dieser Beschluss auf Unkenntnis der sonntäglichen Ausgestorbenheit des Naturparks Ötscher-Tormäuer. Puchenstuben lag da wie leer gefegt, detto das ganze lange, herrliche Gefälle bis Kirchberg. Das Handy, mit dem ich den als Service-Mann herumfahrenden Mechaniker Strobl zu Hilfe rufen könnte, lag im Auto, und an der nächsten Labe gab‘s zwar freundliche Helfer und ehrliches Mitleid, aber kein Werkzeug.

Detailansicht
Heiß ersehnt, doch nicht getroffen: die rollende Werkstatt.

Also weiterrollen. Zwei Drittel der 177 Kilometer und 3.259 Höhenmeter waren absolviert. Ich hatte mich an die nervtötende Geräuschkulisse des Antriebs gewöhnt und auch daran, mit heißen 200 Watt und 140 Puls einen Marathon zu fahren. Nach einem Beratungsgespräch mit einem netten Streckenposten in Eschenau beschloss ich, über den ersten der drei finalen Hügel zu schauen, wie es sich bergauf ohne Gang fährt. Anschließend würde ich entscheiden, ob ich die Strecke verlasse und geradeaus heimtuckere, oder doch "im Rennen" bleibe.
Das drittletzte Hügerl war harmlos, das zweitletzte schon mühsamer und durch einen gar grausamen Scherz des Schicksals gekrönt: 50 Meter, bevor ich die Bergkuppe erreichte, querte oben der Service-Wagen des Mechanikers ... Der letzte Anstieg hatte dann schon komödiantischen Witz zu bieten: Zum geschätzten zehnten Mal begegnen mir zwei freundliche Damen, die ihre Männer betreuen und mich unbedingt auch unter ihre treusorgenden Fittiche nehmen wollten.
Dann war es geschafft, es warteten nur noch vier Kilometer Abfahrt und die flachen Schlusskilometer ins Ziel. Generös ließ ich die letzte Labe links liegen und setzte durch das schüttere Feld einzelner verbliebener Mitstreiter zum finalen Downhill an. Heißer Wind blies mir ins Gesicht, Charlotte sauste dahin, als ob nichts gewesen wäre und ich sie nicht stundenlang mit offenen Wunden durch die Gegend getreten hätte.
Ein weiterer Teilnehmer kam in mein Blickfeld. Gerade schwenkte ich nach links, um ihn auf der sich ankündigenden Highspeed-Geraden zu überholen, als er vor ein paar verstreuten Kieselsteinen zusammenzuckte. Sein Rad begann zu trudeln, das leise Flattern wuchs sich binnen Sekundenbruchteilen zu einem unkontrollierbaren Schlingern aus, und plötzlich fing sich sein Pedal am Straßenrand. Wie von einem Katapult beschleunigt hob der Mann ab, segelte in hohem Bogen durch die Luft - und geradewegs auf einen gemauerten Brunnen zu. Den Einschlag selbst sah ich nicht, wohl aber hörte ich den dumpfen Knall. "Jetzt hast du zum ersten Mal in deinem Leben jemanden sterben sehen", schoss es mir durch den Kopf, als ich Charlotte in die Wiese warf und zu dem Verunglückten lief. Vor Schmerzen stöhnend, aber bei Verstand und Bewusstsein fand ich das Unfallopfer vor, und noch nie war ich so dankbar, jemanden leise wimmern zu hören.
Zufälliger Weise stoppten nur Sekunden später auch die beiden netten Betreuerinnen von vorhin ihr Auto neben dem Unfallort, und gemeinsam riefen wir die Rettung, versorgten den Mann, so gut es eben ging, spendeten Trost und Schatten, so weit möglich und verfrachteten, als der Notarzt schließlich da war, sein - heil gebliebenes! - Pinarello in den Wagen.

Die Prioritäten verschieben sich ganz schlagartig, wenn man Zeuge solcher Geschehnisse wird. Verbogene Kette, verpatztes Rennen? Was heißt das schon im Vergleich zu dem, was hier soeben passiert ist? Tief in Gedanken versunken rollte ich Richtung St. Pölten. Bei der Siegerehrung teilte man mir mit, dass der Verunglückte keine schweren Verletzungen davongetragen habe und es ihm den Umständen entsprechend gut gehe.
Siegerehrung? Ja, trotz 45-minütiger Verspätung auf Dominik, mit dem ich ansonsten wohl ins Ziel gefahren wäre, hat sich keine andere Frau dazwischengeschoben. Und so endete Charlottes erster Marathon so symptomatisch, wie die gesamte Saison 2010 war: somehow strange …

  • Wenn's lauft, dann lauft's ...Wenn's lauft, dann lauft's ...
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Schluss-Fazit

Fünf neue E-Mail-Bekanntschaften, sieben Telefonnummern frisch gespeichert. Wäre ich auf Partnersuche, hätte ich mit Charlottes Spezial-Design wohl die ultimative Zukunfts-Investition getätigt. Davon abgesehen, dass Männer vom Bunny-Bike angezogen werden wie die Mücken vom Licht, ist die Project One-Lackierung aber auch mir persönlich nach wie vor ein Quell der Freude. Vom innovativen und fahrtechnisch so vielseitigen Rahmen samt seiner zuverlässigen Komponenten ganz abgesehen.
Mit Ausnahme der ruinierten und ausgewechselten Kette beim Radmarathon verlief die erste Saison am Trek Madone 6.9 WSD defektfrei. Auch sind die übrigen Verschleißteile, allen voran die Bremsbacken, trotz des feuchten Sommers weit entfernt von "durch". Und obwohl ich manch Schlagloch böse erwischte, die eine oder andere Bordsteinkante mitnahm und sogar Schotterbänke durchquerte, zeigen sich die Laufräder unbeeindruckt: Seiten- oder Höhenschlag nicht vorhanden, Gummi-Abrieb marginal.

Genau genommen könnte ich Anja Charlotte einwintern, so, wie ich sie schuf. Werde ich natürlich nicht. Erstens hoffe ich auf den Klimawandel und das damit einhergehende Ausbleiben des Winters in Ostösterreich. Und zweitens werde ich ihr vielleicht eine (optisch) filigranere Kurbel verpassen und sie ein wenig hegen und pflegen. In letzter Zeit klang das leise Surren der Naben nämlich immer öfter wie RATA RATA RATA RATA, und erinnerte mich damit frappant an eine ziemlich durchgeknallte Möglichkeit, alles renntechnisch Versäumte 2011 binnen eines einzigen Tages (und einiger Stunden) aufzuholen. Und wer will das schon ...


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