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Einmal um die halbe Welt

Eine Geschichte wider den Winter-Blues: Per Fahrrad von Sydney nach Wien. Die Bankerin, der Student und ihre etwas längere Radtour ...
Text: Ludwig Fotos: Ludwig, Eva Haas

Das Fahrrad. Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2009. Dies sind die Abenteuer eines Pärchens, das mit seiner zwei Bikes starken Ausrüstung 13 Monate lang unterwegs war, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Kilometer von der Heimat entfernt, drang das Duo in Gebiete vor, die kaum ein Mensch zuvor beradelt hat.

Kurz vor dem Abschluss des Studiums und nach zehn Jahren in einer deutschen Großbank entschlossen wir uns zu einer etwas längeren Radtour. Wir, das sind Herr Ludwig, 28, aus Österreich, und Frau Haas, 31, aus Deutschland.
Am 1. September 2009 war es so weit. Unser gemeinsamer Startort: Sydney, Australien. Zuerst fuhren wir entlang der Ostküste nach Townsville. Endlos lange Sandstrände, Wale, Krokodile, Schlangen und Kängurus (die meisten leider tot) begleiteten unseren Weg. In Townsville bogen wir zum ersten richtigen Abenteuer unserer Reise ab: das Outback. Endloses Nichts und kein Baum, der Schatten spendete. Schließlich erreichten wir Anfang November Darwin, von wo wir per Flugzeug nach Bali flogen.

Bali, unser erster Kontakt mit Asien: Menschengewimmel, Verkehrschaos (es gibt nur eine Regel: keine Regel), kulinarische Besonderheiten (Schildkröte, Frösche, Insekten, Hund) - Dinge, die uns von nun an viele Monate begleiten sollten.
Das Land war rasch umrundet, und dann ging es weiter nach Sumatra. Dieses beeindruckte uns zwar landschaftlich mit unglaublicher Dschungelvegetation, doch Reisekrankheiten und die hohe Bevölkerungsdichte machten uns zu schaffen: zwei weiße RadfahrerInnen, schwer bepackt mitten in einem entlegenen Dorf, das sorgt in vielen Ländern für Aufsehen.
Per Fähre ging es weiter nach Kuala Lumpur, der Hauptstadt Malaysias. In Kuala Lumpur blieben wir vier Wochen, um diverse Visumsanträge und einen kurzen Abstecher nach Singapur zu machen.

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Anfang Januar verließen wir das lieb gewonnene "KL" und fuhren weiter zur thailändischen Grenze. Wir peilten das bekannte Urlaubsparadies Ko Samui an. Doch wir waren entsetzt - dickbäuchige Touris und Hansis Schnitzelhaus waren nicht das, wonach wir suchten. So fuhren wir rasch weiter nach Ko Phangan und Ko Tao, um erstmal Urlaub vom Urlaub zu machen. Ganze zehn Tage blieben wir an den Traumstränden von Ko Tao ...
Zurück am thailändischen Festland, radelten wir weiter nach Ayutthaya und Chiang Mai. Ab dort wurde es bergiger und erstmals auch kühler.

Entlang des Mekong fuhren wir an die laotische Grenze und verabschiedeten uns schweren Herzens von Thailand. Es ging weiter Richtung Laos, genauer gesagt Vientiane, der Hauptstadt des Landes. Prunkvolle Kolonialbauten und viele TouristInnen empfingen uns. Doch dieses Bild änderte sich schlagartig, als wir die Stadt verließen: Schilf- und Holzhütten, gekocht wurde hauptsächlich am offenen Feuer und die wenigen Straßen, die asphaltiert waren, wurden vor allem von Nutztieren benutzt. Kilometerlange Fußwege zur Schule oder zum einzigen Dorfbrunnen sind für die EinwohnerInnen dieses Landes selbstverständlich.
Laos gilt als das am heftigsten bombardierte Land der Welt (rd. 500 kg Bomben pro EinwohnerIn), und aufgrund nicht explodierter Sprengkörper sind viele Felder unbrauchbar. Ein großer Teil der Bevölkerung leidet daher an Mangelernährung. Umso erstaunlicher, mit welcher Wärme wir von den Menschen gegrüßt und empfangen wurden.

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Nach sieben Tagen durch das bergige Laos wartete nun das nächste, große Abenteuer auf uns: China. Unsere anfängliche Skepsis wich schon nach wenigen Tagen. Zunehmend genossen wir die fantastische Küche, entdeckten die Größe des Landes und suchten den schwierig herzustellenden Kontakt mit Einheimischen. China war auch das erste Land, in welchem wir uns sehr, sehr schwer taten, zumindest einige Sprach-Basics zu lernen. Deutschland auf Chinesisch heißt „Déquó“. Nun will man jemanden erklären, dass man aus Déquó kommt. Man spricht es zehn Mal aus, doch stößt man nur auf Unverständnis. Irgendwann sagt das Gegenüber dann: „Ah, Déquó!“. Hä? Das hab ich doch eh gesagt! Die Crux mit phonetischen Sprachen…

War der Süden Chinas noch tropisch geprägt, ging es von nun an sukzessive bergauf: via Jinghong weiter nach Menghai, Dali und Lijang. Leider ist es RadfahrerInnen nicht mehr gestattet durch Tibet zu reisen, und so entschlossen wir uns, auf kleinen Straßen entlang der tibetischen Grenze zu fahren. Doch die klar dominierende tibetische Kultur (die Mehrzahl der EinwohnerInnen sind TibeterInnen) mit ihrer schönen tibetischen Architektur und dem traditionellen tibetischen Essen sowie die Anzahl der Polizeikontrollen gab uns stets das Gefühl, in Tibet zu sein.
Schnee und Eis, nächtliche Temperaturen weit unter 0°C und die Höhe von bis zu 4.700 m (mit 25 kg Gepäck pro Rad) machten uns zu schaffen. Trotzdem war die Fahrt durch die Randzone Tibets einer der schönsten Abschnitte auf unserer Reise. Denn als Radreisende/r erlebt man auch ein besonders Maß an Menschlichkeit. Niemals werden wir die Momente in den Zelten und Bauernhäusern der Menschen vergessen, wenn wir einen Schlafplatz, etwas zu essen oder einfach nur einen Platz an einem Ofen angeboten bekamen, um uns vor den Schneestürmen zu schützen oder uns die Nächte im Zelt zu kalt wurden.

Anfang April verließen wir das tibetische Gebiet und radelten weiter durch die Taklamakan-Wüste, besuchten die chinesische Mauer und erreichten schließlich den Tiefpunkt unserer Reise: -150 m liegt die Stadt Turpan unter dem Meeresspiegel. Unglaublich, welche geographischen aber auch kulturellen Unterschiede China bietet. Denn nach den Begegnungen mit TibeterInnen, Han ChinesInnen und anderen Völkern Chinas trafen wir hier auf das Volk der UigurInnen, ein Turkvolk ganz im Westen Chinas.

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Ende Mai 2010, nach drei Monaten China, verließen wir dieses voller Wehmut und reisten nach Kasachstan ein. Ab hier erinnerte uns vieles an zu Hause: die Architektur, das Aussehen der Menschen; und wir trafen sogar auf Angehörige deutscher Minderheiten.
Die kasachische Steppe erwartete uns mit Wildpferden, unendlicher Einsamkeit und schlechten Straßen. Gelegentlich bedeutete sie auch eine logistische Herausforderung, denn die Abstände zwischen den Siedlungen betragen bis zu 150 km.
Da Kasachstan allerdings ein riesiges Land ist und wir nur ein 30-Tage-Visum erhielten, mussten wir in Astana, der lieblosen Retortenhauptstadt, den Zug ans kaspische Meer nehmen.

Am kaspischen Meer setzten wir per Fähre (ein Höhepunkt hygienischer Grauslichkeiten!) nach Aserbaidschan über. Auch in den beiden Kaukasusstaaten Aserbaidschan und Georgien erfuhren wir unglaubliche, selbstlose Gastfreundschaft welche jene der vorangegangenen Länder nochmal übertraf. Wir wurden zum Tee trinken, Essen und Pferde reiten eingeladen. Fantastisch!
Aufgrund der Größe der beiden Länder radelten wir rasch auf eine nächste, große Unbekannte zu: die Türkei. Hier wurden endgültig alle unsere Vorurteile über den Haufen geworfen. Wir erlebten grenzenlose Gastfreundschaft, nahmen (als Gäste) an einer türkischen Hochzeit teil und wurden oftmals zum Übernachten, Essen oder Tee eingeladen.
Einen besonders interessanten Einblick in die türkische Kultur gaben uns auch die vielen (ehemaligen) GastarbeiterInnen, die wir trafen. Sechs Wochen blieben wir insgesamt in der Türkei - doch hätten wir nicht zumindest einen groben Zeitrahmen für unsere Reise gehabt, so wären wir vermutlich noch immer dort ...

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Wenige Tage, nachdem wir die 16 Millionen EinwohnerInnenstadt Istanbul durchquert hatten, kam dann leider auch der Abreisetag. Von hier waren es nur noch rund drei Wochen bis nach Wien. Via Bulgarien, Rumänien und Serbien fuhren wir nach Ungarn. Früher schon und auch heute noch war und ist es dabei berührend zu sehen, wie groß die sozialen Unterschiede auch innerhalb Europas sind.
Die Fahrt durch Serbien und Ungarn mit all den sprachlichen und architektonischen Überbleibseln der Donaumonarchie erlebten wir wie die „Fahrt durch das Vorzimmer Wiens“. Angenehm, denn da wir uns trittweiße am Nachhauseweg befanden, fiel der finale Kulturschock dann sehr gering aus. Am 24. August kamen wir schließlich über die Brücke von Andau in Österreich an. Uns erwarteten asphaltierte Feldwege, Trinkwasser und Streichelzoos …

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Geblieben sind uns unzählige Erinnerungen. 13 Monate, in welchen wir Gastfreundschaft, Wind und Wetter erlebten; Menschen, die Wasser vom Dorfbrunnen holen, Leitungswasser, das in den meisten Ländern nicht trinkbar ist, tagelang keine Dusche. In 15 Ländern erfuhren wir fantastische Landschaften, herrliche Regionen; aber auch Umweltverschmutzung, Ressourcenverbrauch, Wachstum, Armut und soziales Ungleichgewicht. Die Probleme und Dimensionen dieser Welt haben für uns nun ein Gesicht bekommen.

Das Fahrrad hat sich in all dieser Zeit als ideales Reisemittel herausgestellt: nicht zu schnell, nicht zu langsam. Es erlaubt, in Gegenden abseits ausgetrampelter Touristenpfade vorzudringen. Man ist unmittelbar der Landschaft und der Kultur ausgesetzt und kann so auf ganz andere Art und Weise ein Land „er-fahren“.
Besonderer Dank gilt an dieser Stelle unseren zwei tüchtigen Fahrräder: Abgesehen von 15 Platten, sorgte vor allem die höchst zuverlässige 14-Gang Rohloff-Nabenschaltung für ein sorgenfreies Reisen.

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nur wenn der drahteselheld sich auf ein türkisches pferd setzt, sieht's etwas unbeholfen aus

da muss ich jetzt die evi verteidigen (zufällig weiß ich nämlich, dass die des reitens mindestens so mächtig ist wie des radelns): ohne sattel zu zweit fast widerrist-hoch im wasser, das dürfte wirklich spannend sein - zumal bei dem lenkbehelf ;-)

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nabenschaltung? hat die vorteile bei sowas?

 

Ja, eindeutig. Auf der ganzen Reise haben wir kein einziges Mal die Kette gewechselt, nie die Schaltung nachgestellt. Gegen Witterungseinflüsse ist die Nabenschaltung maximal resistent - im Vergleich zu anderen Schaltungen. Außerdem ist das Laufrad stabiler eingespeicht (auf beiden Seiten die gleiche Speichenlänge). Teuer aber das Ding läuft und läuft und läuft und rechnet sich somit... .

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chapeau - was für eine tour!! verliert man nach so langer zeit on tour nicht etwas die fähigkeit zur wahrnehmung von besonderen menschen und landschaften - wenn es jeden dritten tag förmlich flasht? mir würden drei monate in china schon reichen - aber dann noch kasachstan, aserbeidschan, georgien - wie war das nochmal in sumatra und australien?? und wie können wir die empfangene gastfreundschaft der menschen hier weitergeben, in all dem jubel, kauftrubel, besinnlichkeits und berauschungs-wahnsinn?? - machts ihr irgendwann einen vortrag?? lgs
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chapeau - was für eine tour!! verliert man nach so langer zeit on tour nicht etwas die fähigkeit zur wahrnehmung von besonderen menschen und landschaften - wenn es jeden dritten tag förmlich flasht? mir würden drei monate in china schon reichen - aber dann noch kasachstan, aserbeidschan, georgien - wie war das nochmal in sumatra und australien?? und wie können wir die empfangene gastfreundschaft der menschen hier weitergeben, in all dem jubel, kauftrubel, besinnlichkeits und berauschungs-wahnsinn?? - machts ihr irgendwann einen vortrag?? lgs

 

Njein. Es wäre schön gewesen, an bestimmten Orten vielleicht auch mal tage-, wochen- oder gar jahrelang zu bleiben um einen besseren Einblick in die Lebensweise der Menschen zu bekommen, die Wahrnehmung zu schärfen. Doch gerade mit dem Fahrrad ist das Reisen sehr besonders, denn die Geschwindigkeit ist im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln wohl ideal - grade schnell genug und doch langsam genug um Land und Leute zu "erfahren".

Ab spätestens Westchina, bei den UigurInnen hatten wir auch so ein bisschen das Gefühl von "zu Hause", denn die UigurInnen sehen nicht so wie die Han-ChinesInnen aus und sprechen eine Turksprache. Es gab also immer wieder Elemente von "zu Hause".

 

Aserbaidschan, Georgien usw. ist gar nicht soooo anders als Österreich, es lohnt sich dort mal Urlaub zu machen.

Der Kulturschock fiel nicht so schlimm aus, da wir uns trittweise der Heimat näherten und die Ähnlichkeiten von Land zu Land größer wurden.

 

Vortrag gibts vielleicht mal. Und Weihnachten fand ich sowieso schon immer komisch ;)

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  • 4 Jahre später...
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