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Wien-Montenegro

Eastern Europe by Bike - mit zwei Unterhosen und ohne Plan statt zum Schwarzen Meer dann doch zur Adria.
Text: Thilo Hauschildt Fotos: Thilo Hauschildt

Eine etwas andere Radreise erlebten wir, Julian und Thilo, letzten Sommer in unseren Sommerferien, als wir von Wien nach Montenegro fuhren. Wir sind beide Studenten, Mitbewohner und abenteuerlustig. Wir hatten nur eine Straßenkarte, zwei Unterhosen und zwei Shirts im Gepäck, und ein Ziel gab es auch nicht wirklich für diesen Trip. Wir wollten einfach nur hinaus und gen Osten, und dabei so leicht und unkompliziert wie möglich reisen.
Am 9. August ging es endlich los. Bei den letzten paar Bierchen am Vorabend hatten wir noch herumgesponnen mit Zielen wie "Schwarzes Meer" oder "Türkei." Kurz vorm zu Bett gehen einigten wir uns darauf, erst einmal Richtung Bratislava zu fahren, und der Rest würde sich schon von alleine ergeben ...

Da wir nur mit einer groben Straßenkarte von Osteuropa ausgestattet waren, gab es gleich auf den ersten 30 km Probleme. Wir verfuhren uns einige Mal an der Donau, mussten oft umkehren und unsere Räder durch Sumpfgebiete schieben. "Was für ein Start!” dachten wir, nahmen es aber mit Humor.
Unser erstes Ziel war Bratislava, und irgendwann sind wir dann auch auf dem richtigen Weg dorthin gelandet. Kurz hinter Hainburg schlugen wir frühen Abends unser Zelt in einem Wald auf - froh in der Natur zu sein, und motiviert bis über beide Ohren gingen wir in unserem 1-2 Mann-Zelt schlafen.

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Für unserer Reise hatten wir uns einen zusätzlichen Fitnessplan auferlegt: Liegestützen und Kniebeugen waren Bestandteil unseres Frühstücks; so auch am ersten Morgen. Nach einer Stunde Fahrt erreichten wir Bratislava. Wir gönnten uns eine kurze Sightseeingtour und sattelten dann wieder auf, um der Donau entlang Ungarn entgegen zu fahren.
Wir genossen astreinen Rückenwind bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 30 km/h, passierten Staudämme und trafen den ein oder anderen Tourenradler. Mit einem Traum von Schlafplatz und Lagerfeuer ließen wir den anstrengenden Tag ausklingen.

Der Weg entlang der Donau ist zwar schön, aber ziemlich mühsam, weil es oft Schranken gibt die man langsam umfahren muss. Irgendwann mutierte das asphaltierte Band zu einem Schotterweg, was die Strecke zusätzlich erschwerte. Das extrem gute Wetter und die vielen Reiher, die wir sahen, ließen uns die Strapazen aber oft vergessen.
An diesem Nachmittag passierten wir die slowakisch-ungarische Grenze bei Kowarno, fuhren über Dorog die Landstraße entlang und hielten auf einem Hügel, um in der heißen Mittagssonne Siesta zu halten. In Summe hatten wir einen echt guten Run! 15 Kilometer vor Budapest machten wir es uns in zwei Meter hohem Schilf gemütlich. Zur Abwechslung gab es Mal wieder Pasta …

Durch Ungarn ...

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In Budapest angekommen, pausierten wir auf einem recht lebendigen Platz mit vielen Touristen. Nachdem wir kein Geld in einem Restaurant ausgeben wollten, holten wir unseren Gaskocher raus und kochten uns Nudeln. Kaum zu glauben, aber in diesem Moment waren wir von größerem Interesse für die Leute, als der ganze übrige Platz mit all seinen Prachtbauten. Mehr als einmal wurden wir fotografiert und fragenden Blickes beäugt.
In einem Café luden wir dann noch unsere Kameraakkus und Handys auf. Zu später Stunde und mit ersten Knieproblemen verließen wir die Stadt - Julian hatte keine Schmerzen, doch bei mir zwickte es ziemlich am rechten Meniskus. Ein Schmerzgel schuf schnell erste Abhilfe.

Die Strecke durch Ungarn empfanden wir beide als den langweiligsten Abschnitt. Dies lag aber mit Sicherheit auch daran, dass wir nur entlang der Landstraßen gefahren sind und dort permanent von Autos überholt wurden. Dafür waren die Abende am Lagerfeuer sehr erholsam. Unsere Hintern schmerzten nun schon seit einigen Tagen und die Landschaft veränderte sich kaum. Es war Zeit für einen Wechsel und einen neuen Grenzübergang.
Doch kurz vor der ungarisch–serbischen Grenze die ersten Reifenprobleme. Erst das Vorderrad, dann das Hinterrad – beide platt! Glückspilze, wie wir sind, fanden wir alsbald ein Fahrradgeschäft, wo wir zwei neue Schläuche kauften und sie gleich wechselten, um die kaputten dann am Abend zu flicken. Aber das Problem lag nicht, wie wir wenig später feststellen mussten, an den Schläuchen. Wir hatten uns richtig fette Dornen eingefahren. In der heißesten Mittagssonne, die wir bis dahin erlebt hatten, suchten wir die Mäntel nach den Übeltätern ab und flickten unsere nagelneuen Schläuche in der Hoffnung, das es nun endlich Mal gut sei.

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Der Grenzübergang nach Serbien erwies sich als einer der besten und witzigsten die wir je erlebt hatten. Wir informierten uns bei Einheimischen, wo wir die Grenze passieren sollten und suchten daraufhin vergeblich mehr als zwei Stunden nach dem Übergang.
Total verzweifelt standen wir neben der Autobahn, und sahen den Autos dort beim Überqueren der Grenze zu. Nie im Leben hätten wir daran gedacht, auf den Highway aufzufahren. Zwei ungarische Grenzpolizisten belehrten uns eines Bessseren. Als wir sie fragten wie wir denn nach Serbien kommen sollen, antworteten sie mit: „Just go on the Motorway ...Yes sure“! Wir konnten nicht mehr vor Lachen, als wir auf die Autobahn fuhren und uns ganz normal hinter all den anderen Fahrzeugen einreihten. Die Leute und auch wir selbst staunten nicht schlecht!

... und Serbien

Sowie wir Ungarn verlassen hatten, änderte sich die Fahrt komplett. Ein ganz anderes Reisegefühl entstand. Alles war aufregend! Die Landschaft änderte sich ständig von anfangs flach zu hügelig und schließlich sogar wirklich anstrengenden Pässen im Süden. Wahnsinn, wie schnell man eigentlich in einer anderen Welt sein kann!
Die serbischen Dörfer waren alle noch richtig rustikal, mit Ausnahme einiger großer Supermarktketten und Geschäftslokale. Selbst den einen oder anderen Trabant sahen wir noch durch die Gegend fahren.

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Eine Woche waren wir nun schon unterwegs. Unser Ziel, uns treiben zu lassen, hatten wir beibehalten, der Hintern schmerzte immer noch wie verrückt, aber die uns beiden eigene, gute Laune ging nie wirklich verloren.
Wir waren gefühlt nur noch ein paar Stunden von Belgrad entfernt. Es war schon dunkel, doch unser tägliches Ziel von 100 Kilometern wollten wir unbedingt noch erreichen... Zu reichlich später Stunde und völlig erschöpft fielen wir auf unsere Isomatten und schliefen sofort ein.

Die nächsten drei Tage verbrachten wir in Belgrad. Es tat gut, mal eine Pause einzulegen, zu duschen und unser wenig Hab und Gut zu waschen.
Natürlich mussten wir Belgrad auch auf seine Ausgeh-Qualitäten hin prüfen, und was eignet sich hierfür besser als ein echtes Bierfest! Eigentlich wollten wir nur eine Nacht hier bleiben, doch uns gefiel es so gut, dass wir drei daraus machten.

Bis zu diesem Zeitpunkt war die Strecke nicht wirklich schwer zu fahren. Hinter Belgrad sollte sich das radikal ändern - zum Glück waren meine Knieprobleme Schnee von gestern! Eine lange, lange Bergzunge wurde immer höher. Unsere Fahrten waren ein ständiges Bergauf, Bergab. Toll!
Und ehe wir es wirklich bemerkten, befanden wir uns schon im Balkan. Endlose Reihen von Pinienbäumen, Mondlandschaften und wilde Flüsse bereicherten unsere Fahrt enorm. Jeder Tag war anders, aber auch anstrengend!

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Wir empfanden die Serben als sehr gastfreundliche und herzliche Menschen, die uns zu sich nach Hause einluden, hausgebrannten Slibowitz mit uns tranken und uns in ihren Pflaumenbaumgärten übernachten ließen.
Aber es war auch der anspruchsvollste Teil unserer Reise. Wir strampelten von morgens acht Uhr bis in die Mittagshitze. In der prallen Sonne war an radeln nicht zu denken – erst am Spätnachmittag wurde wieder aufgesessen. Herrliche Sonnenuntergänge und das Fahren in der Dämmerung sowie bei Nacht entpuppte sich als sehr angenehm. Die Hitze war weg und der Verkehr nahm auch ab.

… nach Bosnien? Montenegro? Egal!

Ganz unten, im Süden Serbiens, mussten wir eine Entscheidung treffen. Geht’s nun östlich oder doch wieder westlich? Uns wurde klar: Unseren Traum, das Schwarze Meer von hier aus in weniger als 14 Tagen zu erreichen, würde ein solcher bleiben. Die Lust auf Meer und Strand stieg allerdings mit jedem Kilometer. Die logische Konsequenz: Mittelmeer, wir kommen!
Die Idee war, über Bosnien ans Meer zu gelangen. Wie wir die Adria dann aber tatsächlich erreichten, war sympomatisch für unsere Art, zu reisen: Ganz im Osten Serbiens gab es eien Straßengabelung. Die eine Route führte nach Montenegro, die andere nach Bosnien. Da unser Kartenmaterial wirklich nicht detailliert genug war, nahmen wir aus Versehen die Straße nach Montenegro und zu unserem Glück stellten wir das auch erst viele Kilometer später fest. Wir schauten uns an, lachten und beschlossen: Ok, dann fahren wir halt nach Montenegro!

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In dieser Nacht ließen wir noch einen großen, wirklich anstrengenden Pass hinter uns - unfreiwillig, wohlgemerkt. Wir fanden einfach keine Schlafmöglichkeit, bis wir ganz oben ankamen. Wir schoben die Bikes auf einen Hügel, kochten unsere obligatorischen Nudeln und hatten danach keine Lust mehr, das Zelt noch aufzubauen. Kurzerhand schliefen wir unter dem beeindruckenden Sternenhimmel ein. Am nächsten Morgen wachten wir auf einer Wiese inmitten einer Kuhherde auf.

Die Fahrzeit mitsamt den Kilometern verging in Montenegro wie im Flug. Die Anstiege wurden immer länger, aber mit ihnen auch die Abfahrten - teilweise rollten wir 15 bis 20 Kilometer einfach nur dahin!
Auf einer dieser Abfahrten, die zudem ziemlich holprig war, machte mein Equipment nicht mehr mit. Eine der beiden Radttaschen auf dem Heckträger löste sich, die Halterung war gebrochen. Aber gut, dass es Kabelbinder gibt und solche Probleme somit schnell zu lösen sind.

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Gegen Ende unserer Reise, nur noch eine Tagesetappe vom Meer entfernt, begingen wir einen großen Fehler. Wir hatten Fischkonserven eingekauft und diese mehrere Tage bei echter Affenhitze herumtransportiert. Arglos öffneten wir die Dosen und verspeisten ihren Inhalt, freuten uns sogar noch über die finale Abwechslung im Speiseplan.
Julian schien immun gegen das Zeug, mich hingegen packte der Graus pünktlich mit dem nächsten Morgen. Ich musste mich ständig übergeben und permanent in die Büsche aufs Klo verschwinden, und fühlte mich von Mal zu Mal schlapper.
Zu allem Unglück hatten wir nur noch gebirgiges Terrain vor uns. Teilweise musste ich schieben, viele Pausen waren nötig – es ging einfach nichts mehr! Glücklicherweise nahm der kerngesunde Julian große Rücksicht auf mich und schaffte es immer wieder, mich zu motivieren. Wofür wir sonst ein paar Stunden gebraucht hätten, dauerte aufgrund dieses Malheurs den halben Tag. Aber egal, wir hatten es geschafft – wir waren am Meer und das war alles was zählte!

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Faules Finale

Während ich mich wieder erholte, traf es auf einmal auch Julian. Wirklich komisch. Reagiert sein Körper so völlig anders als meiner, oder war vielleicht doch etwas anderes Schuld?! Nun waren wir jedenfalls beide k.o.
Während der letzten vier Tage am Meer fuhren wir deshalb nur noch kurze Strecken, ohne große Anstrengung und mit möglichst viel Komfort. Für die letzten beiden Nächte gönnten wir uns nochmal ein Zimmer. Viele Vitamine und gutes Essen halfen außerdem, das Finale noch zu genießen.

Ursprünglich wollten wir mit der Fähre von Albanien nach Italien und von dort mit dem Zug wieder nach Wien. Als wir aber erfuhren dass es diese Fähre gar nicht mehr gibt und weil die Zeit ohnehin knapp wurde, beschlossen wir, noch am gleichen Tag – es war der 28. August – mit dem Zug von Podgorico über Belgrad wieder nach Wien zu fahren. Wir organisierten die Tickets, was nicht ganz einfach, aber dafür wahnsinnig günstig war. und genossen unseren letzten Tag am Meer.
1.350 Kilometer zeigte der Tacho am Ende unserer Reise an! Gerne hätten wir noch ein paar Tage drangehängt; doch meine Uni ging Anfang September wieder los, und ehrlich gesagt, wollten wir unser Glück auch nicht überstrapazieren. Denn dafür, dass dies unsere erste große Tour war, haben wir sie echt gut gemeistert.
Wir waren ein gutes Team und unsere Freundschaft hat sich mit diesem Trip weiter vertieft. Es gab Höhen und Tiefen, und so wie wir es uns vorgestellt hatten, sind wir nicht dort angekommen wo wir uns es vorgestellt hatten!

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schöne tour, bin letztes Jahr von wien bis Novi Sad am Donauradweg entlanggeradelt, dann aufgrund von knieproblemen leider mit dem Zug weiter in die rumänischen Berge, gibt nix schöneres als ohne großen Plan einfach loszuradeln.

 

Hatte ähnliche anfangsprobleme, erster tag nur durch den Regen und 3 Reifenpannen, da wollt ich auch schon wieder umdrehen und heimfahren....

 

Ohne Karte machts auch mehr spass, obwohl ich mir sicher so manchen Umweg gespart hätte.

 

Wenn ich die Zeit im Sommer haben sollte gehts dieses Jahr von Istanbul nach Wien, ich hoffe das wird was, steht aber noch in den sternen.

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