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Rally di Romagna 2016

Rally di Romagna 2016

29.06.16 08:06 6.795Text: NoBrain
René Reidinger

René Reidinger Größe: 180 cm Schrittlänge: 85 cm Gewicht: +/- 72 kg Fahrstil/-können: Auf dem Marathon MTB daheim, auf der Straße ein Novice.

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Fotos: Rally di Romagna, Paolo
NoBrain berichtet für bikeboard.at vom fünftägigen Etappenrennen in der Region Emilia Romagna - und damit von Fahrspaß, Blut und Schweiß.29.06.16 08:06 6.809

Rally di Romagna 2016

29.06.16 08:06 6.8093 Kommentare NoBrain
René Reidinger

René Reidinger Größe: 180 cm Schrittlänge: 85 cm Gewicht: +/- 72 kg Fahrstil/-können: Auf dem Marathon MTB daheim, auf der Straße ein Novice.

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Rally di Romagna, Paolo
NoBrain berichtet für bikeboard.at vom fünftägigen Etappenrennen in der Region Emilia Romagna - und damit von Fahrspaß, Blut und Schweiß.29.06.16 08:06 6.809

Die Rally di Romagna startet in Riolo Terme. Das ist ein kleiner Kurort nur 45 Kilometer südöstlich von Bologna. Die Hügel am Rande des Appennino Faentino sind nicht ganz so lieblich, wie es von Weitem scheint. Im Laufe der fünf Etappen fanden die Veranstalter viele, teilweise unmenschlich steile Rampen, über die wir unsere Räder bewegen durften.
Neben einer gut restaurierten Burg würden auch heute noch die Thermalbäder samt feudalem Grand Hotel die Hauptattraktion der Stadt darstellen - wäre da nicht eine Gruppe von Mountainbikern, die sich in den Kopf gesetzt hat, ein außergewöhnliches Rennen auf die Beine zu stellen - die Rally di Romagna ...

Das Ziel der Veranstalter rund um Gino und Roberto ist es, auf über 220 Kilometern und 8.000 Höhenmetern das Letzte aus ihren Startern heraus zu kitzeln und dabei noch ein Lächeln auf ihre Gesichter zu zaubern. Feinste Trails und steile Rampen reihen sich deshalb nahtlos aneinander und stellen auch für wirklich gut trainierte Mountainbiker eine wahre Herausforderung dar. Das Rennen besteht aus vier Etappen und einem Prolog. Start und Ziel sind immer in Riolo Terme - oder ganz in der Nähe.
Diesem Umstand verdankt man, nicht jeden Morgen seine sieben Sachen packen und sich nach der jeweiligen Etappe in einem neuen Quartier für eine Nacht lang einrichten zu müssen. Dafür geht etwas Lagerfeuerromanik verloren, da in einem Hotel Quartier bezogen und nicht in Zelten genächtigt wird, wie sonst oft bei Etappenrennen üblich.

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Prolog

Der Prolog startete um 17 Uhr etwas außerhalb von Riolo und führte uns in nur 13 Kilometern und 550 Höhenmetern zurück in das kleine Städtchen. Um die Sache dennoch nicht stressig werden zu lassen, reisten wir bereits am Vorabend an und lernten andere Fahrer sowie das köstliche regionale Weinangebot kennen.
Am Vormittag nützten wir die Gelegenheit, Teile des Prologes bereits vorab besichtigen zu dürfen. Was uns Locals und Gino, einer der Veranstalter, zeigten, wirkte vielversprechend: steile Rampen bergauf und Downhills, die das Bikerherz höher schlagen ließen. Die Vorfreude auf den Prolog stieg.

Beim Briefing um 16 Uhr erfuhren wir, dass wir neutralisiert zu einem sechs Kilometer entfernten Steinbruch fahren würden, wo das Rennen dann tatsächlich losgehen sollte. Mangels exakteren Angaben gestaltete sich diese „neutralisierte“ Phase sehr unruhig und - zumindest für mich – teilweise bereits im Renntempo. Und auch der Start geriet etwas abenteuerlich. Schon hundert Meter später führte die Strecke in einen sehr, sehr staubigen Tunnel.
Meinen anderslautenden Bedenken zum Trotz wurde ich gesund und munter an dessen anderem Ende wieder ausgespuckt. Nachdem sich der Staub gelichtet hatte, war ich im Mittelfeld eingezwickt und musste mich mühsam nach vorne kämpfen. Nur am einzigen längeren Anstieg auf Schotter konnte ich etwas Boden gut machen. Auf schnellen, schönen Trails ging es danach zurück nach Riolo Terme. Für mich schaute der 12. Gesamtrang heraus.

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1. Etappe

Am zweiten Tag durften sich die rund 1.000 Starter des Granfondo Vena del Gesso, einer Parallelveranstaltung, mit uns messen. Auf 45 Kilometern und 1.650 Höhenmetern ging es abermals ins Hinterland von Riolo. Dieses Mal sahen sich die Veranstalter gezwungen, etwas mehr breite Wege einzubauen, um die Massen sicher durch den Tag zu führen.
Angespornt von den Tagesausflüglern, war das Tempo im Feld enorm hoch. Am ersten Berg fand ich keinerlei Rhythmus und hechelte hinterher. Erst in der zweiten Hälfte des Rennens kamen meine Kräfte zurück. Auch fand ich jetzt endlich Zeit, die Landschaft rund um mich zu genießen. Es waren nicht nur die Bilder, die mich beeindruckten, sondern vor allem die Gerüche. Die frischen, saftigen Wiesen mit ihren unzähligen Blumen dufteten in unterschiedlichsten Variationen; teilweise glaubte ich, durch einen Gewürzladen zu fahren.

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Im Ziel war ich mit meiner Leistung durchaus zufrieden und glaubte an eine klare Verbesserung im Klassement. Allerdings hatte ich nicht mit der Stärke der italienischen und internationalen Konkurrenz gerechnet - trotz meiner Aufholjagd nur Platz 22!
Zum Glück gab es bei der Pastaparty reichlich Rotwein, um das Weltbild wieder zurecht zu rücken. Gemeinsam mit Klaus Hannawald, einem Bayern, der in Graz lebt, ließ ich die kurze, aber umso anstrengendere Etappe Revue passieren. Auch er war nicht restlos mit seiner Leistung zufrieden. Danach erkundeten wir die kleine Stadt. Rund um die alte Burg gruppierten sich zahlreiche Hotels mit teilweise atemberaubenden Einblicken in die umgebene Landschaft. Auch das eine oder andere Kaffeehaus entdeckten wir. Besonders gut gefiel uns das Caffè del Corso in unmittelbarer Nähe des Start- Zielgeländes, wo man uns ausgezeichneten Cappuccino kredenzte.
Das anschließende Abendessen - wie bereits tags zuvor viergängig und exzellent - nützten wir zur physischen wie psychischen Vorbereitung für die dritte Etappe. Knapp 90 Kilometer und 2.900 Höhenmeter würden am folgenden Tag am Programm stehen. Klaus, der schon das dritte Mal bei der Rally teilnahm, kannte Details zur Königsetappe. Er erzählte von unzähligen kleine Rampen, endlosen Singletrails und "The Wall" - einem Anstieg, der an seiner steilsten Stelle 40% Steigung haben soll. Ob seiner Prophezeihung von knapp fünf Stunden Fahrzeit legte ich mich unmittelbar nach dem Abendessen schlafen.

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3. Etappe – die Königsetappe

Das Wissen um die kommenden Anstrengungen ließ den dritten Tag ruhiger beginnen. Niemand hatte mehr Interesse, in den ersten neutralisierten Kilometern durch gefährliche Attacken Unruhe ins Feld zu bringen. Dann begann das Rennen, und von Beginn an fühlten sich meine Beine gut an.
Am Ende des ersten Berges hatte ich Glück, denn niemand war vor mir. So konnte ich die ersten technisch anspruchsvollen Kilometer konzentriert und flüssig hinter mich bringen.
Die nächsten zwei Stunden boten Mountainbiken vom Feinsten. Wir fuhren fast ausschließlich auf Trails. Die Uphills waren mit unzähligen kürzeren und längeren Rampen gespickt. Bergab ging es auf schweren, aber größtenteils fahrbaren Wanderwegen – als Touristen hätten wir keine Chance gehabt, diese Schätze alleine, ohne die Hilfe von Locals zu finden.

Ich bewunderte meine Konkurrenz; fast alle fuhren mit nur einem Elffach-Kettenblatt und mussten sämtliche Anstiege im kräfteraubenden Wiegetritt nehmen. Anfangs hielt ich die 2x11-Bestückung meines Canyon Exceed (Testbericht in Kürze) für übertrieben. Doch mit der Zeit lernte ich meinen 28/40-„Rettungsring“ sehr zu schätzen.
Besonders bei Kilometer 38 konnte ich die Vorzüge meiner Zweifach-Kurbel voll ausnutzen: „The Wall“ hat ihren Namen zu recht: Auf Schotter und mit 1x11 wäre ein Weiterkommen dort gänzlich unmöglich gewesen. Dank Zweifach-Übersetzung und betoniertem Untergrund gelang es mir jedoch, dort einige Plätze gut zu machen, wiewohl auch ich den letzten Abschnitt schieben musste.

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Danach folgte eine einfache, ebene, gerade Forststraße. Und wie es der Teufel oder meine mangelnde Achtsamkeit wollte, rutschte mir dort plötzlich das Vorderrad weg. Ohne die Chance einer Reaktion lande ich am Boden und bremste zu allem Überfluss auch noch mit der Stirn im Schotter.
Entsetzt sprang ich auf und tastete meine Gesichtsknochen und die Nase ab. Es schien nichts Gröberes passiert zu sein. Nur schmeckte ich Blut. Also irgendwo dürfte ich mich sehr wohl verletzt haben. Da ich gerade alleine war und mich eigentlich „ok“ fühlte, fuhr ich jedoch weiter. Zum Glück kam ich bald bei einem Streckenposten vorbei. Diesen bat ich um eine erste Diagnose. Er deutete mit dem Daumen nach oben und wusch mir mit Wasser die Stirn ein wenig sauber. Dann schickte er mich weiter.

Die zweite Hälfte des Tages verging schneller als befürchtet. Die Rennstrecke verlief immer noch auf größeren und kleineren Wegen - allerdings nicht mehr ganz so technisch anspruchsvoll, und dadurch ging es schneller voran.
Mein Cut oberhalb des linken Auges dürfte furchterregend ausgesehen haben, denn im Ziel wurde ich von gleich drei Sanitätern versorgt. Sie wuschen und desinfizierten meine Wunden, gaben mir aber schließlich ebenfalls per Handzeichen zu verstehen, dass alles halb so wild sei. Daraufhin wollte ich nur mehr unter die Dusche und in mein Bett. Erfreuliches Detail am Rande: Trotz meines Missgeschicks erreichte ich bei der Königsetappe Platz 11. Der Abstand zum Sieger war mit rund zwanzig Minuten überraschend klein. Doch die hohe Dichte an erfahrenen Stage-Racern verhinderte eine Top-10-Platzierung.

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4. Etappe

Die Nacht war wenig berauschend - meine Abschürfungen ließen mich nicht wirklich gut schlafen. Zum Trost wartete eine mit 50 Kilometern und knapp 2.000 Höhenmetern nicht ganz so lange Etappe. Allerdings wurde ein noch höherer Singletrail-Anteil vorhergesagt. Das war einerseits gut, weil wir wieder schöne Wege kennenlernen würden; andererseits halt noch kräfteraubender.
Aber gut is' g'angen, nix is' g'schehn! Und auf den letzten Kilometern hatte ich auch noch das Glück, den Wiener Axel Strauss zum zweiten Etappensieg in seiner Klasse zu begleiten.

Am Nachmittag widmeten wir uns wieder ausgiebig der Regeneration. In Italien heißt das neben Massage und Dehnen auch Vino Rosso und Cappuccino bzw. Doppio. Bei einem kleinen Rundgang durch Riolo Terme entdeckten wir wieder neue Fassadengemälde, enge Gassen und kleine, leider verschlossene, Lokale. Faszinierend waren die Ausblicke in die Hügeln hinter der Stadt, die Stimmung war einmalig, die Wolken schwebten tief, trotzdem schaffte es die Sonne, die Oberhand zu behalten.
Die Zeit verging schneller als gedacht, und so versäumten wir beinahe das Briefing für die letzte Etappe. Dort erfuhren wir von einer eher schlechten Wetterprognose für das Finale. Sollte der Regen zu stark werden, so die Veranstalter, dann gäbe es noch ein weiteres Briefing am nächsten Morgen vor dem Start. Dort sollte dann entschieden werden, wie die letzte Etappe tatsächlich aussehen würde. Etwas verunsichert ob der Vorsicht der sonst so unbekümmerten Italiener machten wir uns auf den Weg zum Abendessen ins Hotel.

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5. Etappe

Der erste Blick um 7:18 galt dem Himmel. Zu meiner Überraschung war das Wetter wie schon die Tage zuvor. Auch die Temperatur schien angenehm. Also auf zum Cross-Country, den mir ein belgischer Mitstreiter, zur heutigen Streckencharakteristik befragt, versprochen hatte!
Tatsächlich kam die Distanz mit 40 Kilometern und 1.500 Höhenmeter einem klassischen XC-Bewerb recht nahe. Entsprechend legten meine Konkurrenten auch das Rennen an. Jede Rampe im Wiegetritt, jeder Downhills Vollgas, ohne Rücksicht auf Verluste.
Erfreulicherweise zeigte die Massage vom Vortag bei mir den gewünschten Effekt: Diese letzte Prüfung fiel mir verhältnismäßig leicht. Nach meinen mittlerweile gewohnt verhaltenen Start konnte ich gemeinsam mit erwähntem Belgier Platz um Platz gut machen. Während des gesamten Rennens war ich bis jetzt über einen vierten Platz in meiner Klasse nicht hinaus gekommen, obwohl ich für meine Begriffe eine wirkliche gute Woche hatte. Natürlich wünschte ich mir für den letzten Tag endlich einen Platz unter den ersten drei - zumindest in meiner Klasse.
Zu meiner großen Freude sah ich gegen Ende des Rennens den Dritten meiner Altersklasse vor mir. Das motivierte natürlich zusätzlich. Der vorletzte Anstieg war wieder ein "typischer" für die Rally - steil, steiler, am steilsten. Genau dort konnte ich auf meinen Konkurrenten aufschließen und ihn auch überholen. Die letzten Kilometer ins Ziel ließ ich mir den Vorsprung nicht mehr nehmen - ein schöner Erfolg zum Abschluss!

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Sodann wurden die überwundenen Strapazen ausgiebig gefeiert. Im Zielgelände spielte eine Band, es gab Tischwein und Bier. Die Pasta wurde dieses Mal serviert, außerdem ein zweiter Gang - natürlich Fleisch; dann eine kleine Süßigkeit als Nachspeise. Die Stimmung war ausgelassen, alle freuten sich, die letzten fünf Tage ohne größere Probleme bewältigt zu haben. Die Siegerehrungen bilden den Abschluss der Veranstaltung.
Den Gesamtsieg holt sich souverän der Portugiese Gomes Rodrigo. Nur beim Prolog musste er sich dem späteren Zweiten Marza Bedos Pau aus Spanien geschlagen geben. Als Gesamt-Dritter gewann der Italiener Segata Claudio die Klasse der über 40-Jährigen. Der Italiener Pretolani Tiberio gewann vor Axel Strauss die Klasse Ü50, die Italienerin Mandelli Chiara ließ sich den Sieg bei den Frauen nicht nehmen.
Ich konnte mich gesamt auf dem 12. Rang platzieren, in meiner Klasse bedeutete das Rang 5. In Anbetracht der wirklich starken Konkurrenz bin ich mit meiner Platzierung sehr zufrieden.

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Resümee

Ich kann das Rennen guten Gewissens weiter empfehlen. Jede/r zukünftige Teilnehmer wird seine Freude mit der Gastfreundlichkeit der Veranstalter haben. Ich hatte immer das Gefühl, in Riolo Terme gut aufgehoben zu sein.
Die Strecke lässt, wie schon oben erwähnt, das Herz eines Mountainbikers höher schlagen. Eine Unzahl an Trail-Kilometern, sowohl bergauf als auch bergab fordern jeden Fahrer aufs Äußerste. Trotzdem bleibt auch Zeit, die Landschaft zu bewundern und die Gerüche in sich zu speichern.
Ich bin froh, im Winter die Entscheidung getroffen zu haben, an der Rally teil zunehmen … und darf mich bei den Veranstaltern rund um Gino und Stefano für die schönen Tage bedanken!

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