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3T Revo Aerobar

Artikel 1.3.023 ist jener Artikel der UCI-Reglements, der ein für Zeitfahrräder wichtiges Maß regelt: den horizontalen Abstand zwischen Tretlager und dem Ende der Auflieger. Maximal 80 cm sind es, die die Extensions (inkl. vorhandener Schalthebel) vor dem Tretlager sein dürfen. Ausnahmen bis zu maximal 85 cm gibt es nur für besonders große Fahrer, falls diese aus „morphologischen Gründen“ mit den 80 cm nicht zurande kommen.

Für mich war das nie ein besonderes Thema, denn als ich 2013 mit dem Zeitfahren begann und auch das erste Bikefitting machen ließ, lag das alles noch in der Grauzone: Groß ist, wer groß ist, hieß es damals. Und so hatte ich mit meinen 189 cm wenig Probleme, mich und andere davon zu überzeugen, in diese Kategorie zu fallen.

 1.3.023 

Manchmal kann eine simple Zahlenkombination das Leben komplizierter machen.
Als die UCI 2014 ihre eigene Vorstellung von Größe präzisierte ("Groß ist jede/r mit mindestens 190 cm"), habe ich das auch noch eher ignoriert, denn ohne UCI-Lizenz konnte man derartige Regeln mit einer gewissen Leichtigkeit nehmen. Heuer, mit UCI-Lizenz, sah die Welt plötzlich anders aus. Als die UCI dann den Schalthebel selbst als Teil der Extension interpretierte, hatte ich erstmals den Wunsch, diesen einen verdammten Zentimeter größer zu sein.

Hintergrund: Nachdem sich elektronische Schaltungen gerade an Zeitfahrrädern fast schon als Standard etabliert haben, änderte die UCI ihr Regelwerk erneut und interpretiert nun den Abstand "Tretlagermitte - Extensionsende" nicht mehr am Drehpunkt des mechanischen Schalthebels, sondern an dessen Spitze in horizontaler Position. Sprich: Aus Perspektive des Reglements wird der Schalthebel Teil der Extension - sogar dann, wenn er physiologisch gar nicht als Grifffläche dienen kann, wie das mit meinen Ski-Bends der Fall war. Das ergibt zwar keinen Sinn, ist aber so.

Langer Rede, kurzer Sinn: Mit meinem Setup, einem tendenziell langen Rahmen und dem altehrwürdigen 3T-Mistral-Lenker, der sich praktisch nicht verstellen ließ, gab es nur zwei Optionen:
  • alles lassen, wie es war und die Extensions sieben Zentimeter kürzen, oder
  • ein neuer Lenker muss her.

Ich wollte auf jeden Fall nichts unversucht lassen und sägte die Dinger entsprechend zurecht - das Resultat war eine stark gedrängte Position, in der ich mit den Knien an den Ellenbogen anstieß und keinen Druck aufs Pedal brachte, kurz: in der einfach gar nichts mehr passte.

Man muss was ändern. Muss man das?

 Ein neuer Lenker muss her. 

Man muss es.
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3T Revo Team Stealth

MaterialBasislenker: Carbon
S-Bend Extensions: Aluminium
Armauflagen: 7075 Aluminium
Pads: Neopren
Breite40 cm (c-c)
Drop46 mm
Reach72 mm
Ø Lenkerklemmung31,8 mm
EinstellmöglichkeitenHöhe von Vorbau Centerlinie: 30-97 mm
Weite an der Pad-Außenseite: 220-340 mm
Reach von Basebar Center: 20-70 mm
Gewicht770 - 990 g (niedrigster - höchster Stack)
FarbeSchwarz, mit weißen Schriften
LieferumfangInkl. Aluminium S-Bends, Armauflagen mit Neopren-Polstern, Spacer
HinweisDer Revo Lenker ist nicht kompatibel mit Bremshebeln die von aussen klemmen (z.B. 3T Aero Brake Lever Pro) und hydraulischen Bremshebeln wie die Magura RT8 TT und RT 6TT.
Preis:€ 640,-

Safety First

Für den Revo hat 3T die herkömmliche Konstruktion von Zeitfahrlenkern praktisch auf den Kopf gestellt - bzw. im wahrsten Sinne des Wortes umgedreht. Der Basislenker folgt nicht mehr einer Bullhorn-Form, sondern im Wesentlichen der klassischen Lenkerform (mit Ausnahme der Bremshebel).

Diese innovative Bauweise soll nicht nur aerodynamische Vorteile bringen, sondern auch wesentlich zur Verbesserung der Sicherheit in kritischen Situationen beitragen - beispielsweise in schnellen Bergabpassagen, technischen Kurven, oder falls man aus anderen Gründen bremsbereit fahren muss. Und ganz nebenbei hat sie dem 3T Revo noch einen Red Dot Award für herausragendes Design eingebracht.

Anmerkung am Rande: Bei der klassischen Bullhorn-Konstruktion läuft man Gefahr, durch falsches Bremsen oder höhere Gewalt mit den Händen nach vorne vom Lenker abzurutschen und dadurch unweigerlich zu stürzen. Wer glaubt, dabei handle es sich um ein an den Haaren herbeigezogenes Szenario, täuscht sich. Ich habe mir durch genau so einen Vorfall vor zwei Jahren den Ellbogen zertrümmert.

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Unboxing

Schon beim Auspacken wird einem schnell klar: Der Revo ist kein Lenker wie jeder andere. Extensions und Armpads sind zwar konservativ bis unscheinbar, aber der Basislenker ist mehr als nur ein Teil, auf das man die Extensions schraubt.

Durch seine besondere Formgebung macht er seinem Titel „Design-Stück“ alle Ehre. Offensichtlich ließen sich die Konstrukteure vom eigenen Scatto Bahnlenker inspirieren - der schlanke, nach vorne gezogene obere Bereich ähnelt dem aerodynamischen Sprinter-Lenker sehr.
Aber damit enden die Ähnlichkeiten mit anderen Lenkern auch schon wieder. Der Rest der Konstruktion ist ziemlich ungewöhnlich: Am Ende der nach unten gezogenen Lenkerflügel sind Griffe angebracht, die nicht nach vorne, sondern eben nach hinten zeigen. Damit sind sie praktisch eine Mischung aus einem herkömmlichen Bügellenker (in der Theorie) und einem Bullhorn-Lenker (Bremshebelposition).

Trotz seines massiven Designs ist der Revo Team Stealth voll UCI-kompatibel, und mit 770 g ohne Spacer (990 g bei maximaler Spacerturm-Höhe) zählt er auch nicht zu den Schwergewichten in der Aerolenker-Abteilung. Wem das immer noch zu viel ist, der greift berherzt zur LTD-Version, die nochmals 70 g Gewicht einspart.

Die Griffe am Unterlenker sind ergonomisch geformt (wobei sich die Frage stellt, wem diese Ergonomie wirklich zusagt - doch dazu später). Notorisch schlechte Lenkerbandwickler wie ich dürfen sich freuen, denn laut 3T ist nicht beabsichtigt, dass man Lenkerband an den Griffenden anbringt - ich würde auch gar nicht wissen, wie.

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Montage und Initial-Setup

Die Konstruktion eignet sich sowohl für moderne TT-Rahmen mit kurzem Steuerrohr als auch für ältere Modelle. Die Extensions können entweder unter dem Basislenker montiert werden (für traditionelle Rahmen oder kleine FahrerInnen) oder per Spacer beinahe beliebig weit über dem Lenker. Insgesamt kommt man so auf einen minimalen Armpad-Stack von 30 mm (relativ zur Vorbaumitte), maximal sind es 97 mm über der Lenkermitte. Die Montage ist grundsätzlich unproblematisch.

Der Reach kann über die Armpads gesteuert werden, die im Vergleich zu alten 3T Modellen fast schon luxuriös ausfallen. Ein Spiel von etwa fünf Zentimeter vorne/hinten stehen zur Verfügung, um die optimale Position zu finden. Lediglich bei der Weiteneinstellung der Extensions ist man auf zwei Einstellungen beschränkt: eine enge Position mit 22 cm Abstand zwischen den Extensions, oder eine weite mit 34 cm. Hier hätte ich mir ähnlich viel Flexiblität wie bei Stack und Reach gewünscht, oder zumindest eine Zwischenstufe.

Aufpassen muss man bei der Bremshebel-Wahl, denn jene mit externer Klemmung (wie z.B. die 3T-eigenen Pro Bremshebel) können nicht montiert werden. Es müssen zwingend welche mit internem Expander sein.

Die Bremskabelführung ist genial und nervenaufreibend gleichzeitig - je nachdem, welches Ende vom Lenker man betrachtet. An der Flügelhinterkante sind recht große Auslässe, durch welche die Kabel sehr einfach durchgeschleust werden können. Die Auslässe zwingen die Kabel nicht in einen bestimmten Winkel, was das Verlegen verhältnismäßig einfach macht. Am anderen Ende - direkt bei den Griffen - sieht die Sache leider anders aus. Hier müssen die Kabel durch eine sehr enge 90°-Kurve. Für diese Engstelle werden zwar extra Noodles mitgeliefert, wie man sie von diversen V-Brake-Konstruktionen kennt, aber wirklich einfacher machen sie einem die Montage auch nicht.

Bei unseren Versuchen konnten wir auch keinen Unterschied feststellen, ob die Außenhülle mit oder ohne Noodle verlegt wurde. Daher ließen wir sie weg und haben nun eine mögliche Fehlerquelle weniger.

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Re-Fit und Finetuning

Mit dem neuen Lenker unterm Arm ging es zum Re-Fittting bei Christian Bernhard. Nach einer Bestandsaufnahme der aktuellen Position wurde der Lenker getauscht und die optimale, neue Position ermittelt. Das erwies sich in meinem Fall als relativ einfach. Mit ein wenig Experimentieren und Herumschrauben fanden wir eine Position, die den Segen des Gurus hatte („Damit machst mir keine Schand’!“) und die auch über längere Distanzen hinweg fahrbar zu sein schien.

Die Einstellmöglichkeiten des Revo erwiesen sich dabei als vollkommen ausreichend. Vielfältiger als der Mistral (ok, das war nicht schwer) und vielleicht weniger als andere Lösungen am Markt, aber wir konnten alle Parameter so anpassen, wie wir es brauchten.

Bewährt hatte sich dabei besonders die Option, die Extensions ober- oder unterhalb des Basislenkers zu montieren. Bei meinem Rahmen mit relativ hohem Steuerrohr war die Montage unterhalb des Lenkers absolut notwendig - darüber (wie man das bei einem moderneren Rahmen machen würde) wäre das Setup deutlich zu hoch geworden.

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An dieser Stelle sollte auf die Bedeutung eines guten Bikefittings fürs Zeitfahrrad hingewiesen werden: Was zuallererst wie eine unschuldige Änderung der Position der Arme wirkte (durch Nach-hinten-Stellen der Extensions), hatte massive Auswirkungen auf die gesamte Muskulatur des Körpers, die sowohl für die Oberkörperhaltung als auch das Treten verantwortlich waren. Konkret haben wir nicht nur die Lenkerposition angepasst, sondern auch die Sattelhöhe neu eingestellt - und sind dabei sieben Millimeter nach unten gegangen.

Extensions nach hinten - und deshalb Sattel runter? Ich wär' nicht draufgekommen. Aber schon beim Fitting zeigte sich: Der Revo war eine gute Wahl. Durch seine geänderte Form konnte der Abstand zwischen Armpads und Extensionspitze wieder etwas vergrössert werden, wodurch die Armhaltung bequemer wurde. Dank des niedrigeren Sattels kam ich mit der Hüfte weiter nach hinten, um den Rücken zu entlasten.

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Eindrücke aus der Fahrpraxis

Der Lenker ist kompakt und fährt sich auch so. Gefühlt wurde das Rad durch ihn einen Tick nervöser und direkter in der Steuerung als mit dem Bullhorn Basislenker. Das war durchaus gewöhnungsbedürftig - aber nach ein paar Ausfahrten kannte ich das neue Verhalten und konnte meinen Fahrstil daran anpassen. Mit der Zeit fühlte sich das Handling am Basislenker sogar besser an, denn das Rad war agiler und fuhr sich streckenweise fast schon wie ein Rennrad.

Einer Sache gebührt allerdings - zumindest am Anfang - verstärkt Aufmerksamkeit: Bei Bullhornlenkern ist man ja gewohnt, von oben auf den Basislenker zu greifen, wenn man aus den Extensions geht. Das funktioniert beim Revo so nicht, hier wird von hinten nach vorne zugegriffen.

Daher meine Empfehlung: Üben, üben, üben, bis die Muskeln den neuen Bewegungsablauf automatisch ausführen. Denn sonst könnte man in einer Schrecksekunde plötzlich auf dem Oberteil des Lenkers landen und abrutschen ... und genau das sollte ja vermieden werden. Es ist zwar nicht sehr wahrscheinlich, da die Oberfläche des Lenkers guten Grip bietet, aber ausprobieren will man es schließlich auch nicht.

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Im Wiegetritt oder bei technischen Passagen lässt das Lenkerdesign eine sehr aerodynamische Position am Basebar zu, denn durch die starke Kröpfung der Lenkerenden nach unten nimmt man automatisch eine deutlich gebücktere Position ein als auf herkömmlichen Bullhorns. Am ehesten ist die Haltung mit der Unterlenkerposition eines Rennrads zu vergleichen.

Eine Schwäche, die sich im Laufe der Testphase offenbarte, war die Ergonomie der Handgriffe am Basislenker. Sie wurden offensichtlich für Menschen mit kleinen Händen geformt, denn mit normalgroßen Händen weiß man nie so recht, wie man die Dinger am besten hält, um auch über längere Dauer einen komfortablen Griff zu haben. Das Fehlen eines dämpfenden Lenkerbands kommt noch erschwerend hinzu.
Ob es sich dabei tatsächlich um ein Problem handelt, entscheiden der Einsatzbereich oder die Trainings- und Renngewohnheiten. Gerade im Rennen ist man, abgesehen von technischen Abfahrten oder Passagen im Wiegetritt, ohnehin meistens auf den Aufliegern. Im Training jedoch verbringt man meist mehr Zeit am Basislenker - sei es, um per Radweg zur Trainingsstrecke zu gelangen oder einfach nur, um eine Grundlagenausfahrt in entspannter Position zu absolvieren. In beiden Szenarien kann die Griffposition am Basislenker durchaus unangenehm sein und eventuell sogar Schmerzen verursachen.

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Aerodynamik

Die Frage „Was bringt's?“ ist bei Aero-Equipment schwer zu beantworten, wenn man keinen Zugang zu einem Windtunnel hat oder mehrere Stunden alleine auf der Bahn verbringen kann. Ob der Revo für sich aerodynamischer als der Mistral ist, wird sich ohne Windkanal nicht beweisen lassen. Aber das war auch gar nicht die Motivation hinter dem Tausch.
Vielmehr ist es mir darum gegangen, mein Zeitfahrrad so zu modernisieren, dass eine aerodynamischere Körperhaltung die optimale Leistungsentfaltung ermöglicht und UCI-konform ist. Und das ist mir mit Hilfe des 3T Revos und des Bike-Fitters gelungen. Die neue Position fühlt sich gut an, bringt bessere Wattwerte und ist UCI-approved. Das wäre in dieser Form mit dem alten Lenker nicht möglich gewesen, da er praktisch keine Einstelloptionen hatte.

Abgesehen davon wurde mir gesagt, im Radsport zähle in erster Linie, dass das Material "pro" aussehe. Auch hier kann der Revo punkten: Sein futuristisches Design möbelt den Zeitfahrer optisch so richtig auf.

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Fazit

3T Revo Team Stealth
Modelljahr:2016
Testdauer:2 Monate
+Hohe Sicherheit
+Design
+Verarbeitung
-Ergonomie des Unterlenkers
-Bremszugverlegung
-Nur bedingt Di2-tauglich
BB-Urteil:Der 3T Revo Zeitfahrlenker setzt neue Maßstäbe in Sachen Sicherheit und Optik.

Der 3T Revo ist ein idealer Lenker für alle, die zusätzliche Sicherheit schätzen oder sich ein preisgekröntes Design-Stück für den Zeitfahrer gönnen wollen. Ein echter Hingucker für sich, wertet er jedes Rad auch optisch ungemein auf. Dabei beschränkt er sich aber nicht nur aufs gute Aussehen - auch funktionell lässt er keine Wünsche offen.

Mit 640 Euro in der Team Stealth Ausführung rangiert er im oberen Mittelfeld der Aero-Lenker und ist damit sicher kein Schnäppchen. Wer aber einen neuen Zeitfahrer mit klassischem Vorbau aufbauen, oder einen älteren Zeitfahrer modernisieren möchte, wird mit dem 3T Revo sehr zufrieden sein.

Die Einstellmöglichkeiten sind vielfältig und selbsterklärend. Wer auch beim Abstand der Extensions zueinander millimetergenau arbeitet, wird mit dem Revo keine Freude haben; für alle anderen sollte sich der Lenker bestmöglich einstellen lassen.

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Warum kein Lenkerband am Lenker? Dann sollte er doch etwas bequemer werden.

 

Die Griffe sind ergonomisch geformt und hinten abgerundet; Wenn man da ein Lenkerband rumwickelt ... ich wüsste nicht wie man das hinkriegen soll ohne bescheidenes Ergebnis in der alles entscheidenden B-Note (Stilistik). Auch die Herrschaften von 3T waren ob der Frage etwas ratlos. ;)

 

Aber grundsätzlich stimmt's natürlich, wäre eine Verbesserung. Mich hat's auf nur wirklich langen Ausfahrten am Basebar gestört, bei normalen Trainingseinheiten oder Rennen ist es wirklich wurscht.

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