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Urlaubslektüre

Die Ferien stehen vor der Tür! Wir versüßen euch die Auszeit mit zwei Buchtipps, die nach Italien und Südfrankreich entführen.

Zum 200. Geburtstag des Fahrrades – 1817 rollte Freiherr von Drais erstmals auf seiner Neuerfindung durch Mannheim – sind vielerorts Ausstellungen und Veranstaltungen geplant, die dem Thema neue Aufmerksamkeit und Wertschätzung bescheren. Auch der Covadonga-Verlag, als Radsport-Spezialist ohnehin der Leidenschaft für das Veloziped verfallen, möchte seinen Beitrag leisten – mit u.a. zwei neuen Büchern, die sich durchaus als Ode und Geburtstagsständchen an diese geniale Erfindung lesen lassen.

Italienische Pilgerreise

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Lidewey van Noord (Jg. 1985) gilt als Shootingstar des niederländischen Sportjournalismus. Ungewöhnlich: die junge Autorin fährt selten selbst Rad, schreibt aber häufig darüber. Ergänzend zu diversen Kolumnen, Reportagen und Magazin-Geschichten ist Pellegrina ihr zweites Buch zum Thema.
Illustriert von den ausdrucksstarken Fotografien des Grafikdesigners Robert Jan van Noort, nimmt van Noord ihre Leser mit auf eine Pilgerreise der besonderen Art: Auf den Spuren großer und kleiner Rennradhelden wandelt sie quer durch Italien. Mit ihrer eigenen Faszination für den Radsport nicht hinterm Berg haltend, ergründet sie dabei die unerschütterliche Liebe der Tifosi für ihren ciclismo – und zeichnet gleichzeitig ein Landschafts- und Sittenbild abseits des üblichen dolce vita: Das Italien der Niederländerin scheint mehr schwermütig denn farbenprächtig, eher tragisch denn lebensfroh. Wesentlichen Anteil daran hat van Noords Sprache … bildreich, verführerisch, schillernd, aber auch zurückhaltend erzählt sie von ihren teils absurden, teils berührenden, teils unergiebigen Entdeckungen und Begegnungen.
Ihre Radsportwallfahrt gliedert sich in 27 Geschichten, verteilt über 208 Seiten und sämtliche Landesteile. Diese handeln von Konkurrenz, Religiosität, Eitelkeit und Unsterblichkeit, von Coppi, Bartali, Cipollini und Pantani. Sie thematisieren Verschwörungstheorien und Kriminalität – (Mordopfer?) Bottecchia und Dopingdealer Mazzoleni – aber auch Trauer und Tod: den Passo del Bocco als Sterbeort Wouter Weylandts etwa, oder die 1994 verünglückte Michela Fanini, übrigens die einzige Frau, der – abgesehen von diversen Müttern und Lebensgefährtinnen in Nebenrollen – ein Kapitel des Buches gewidmet ist. Der Schönheit von Mensch und Natur wird ebenso gehuldigt (Daniele Bennati, Lombardei-Rundfahrt) wie dem guten Essen (Restaurantbesitzer Mazzoleni, der gleichzeitig ein flammendes Plädoyer wider die Scheinheiligkeit rund ums Thema Doping hält).
Insgesamt ergibt das ein auch für Nicht-Rennradfahrer durchaus berührendes Sport- und Reisebuch, das Italien von eienr Seite zeigt, die sich in Hochglanzmagazinen und Tourismusbroschüren nur selten findet – tatsächlich aber nicht weniger anziehend wirkt …

Titel: Pellegrina – eine italienische Radsportwallfahrt
Autorin: Lidewey van Noord
Verlag: Covadonga, 2017
Preis: € 24,80
ISBN: 978-3-95726-013-0

Faszination Brevet

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Die große Freiheit auf zwei Rädern - der Übersetzer, Blogger und Mitarbeiter in einer psychiatrischen Klinik, Walter Jungwirth, scheint sie gefunden zu haben. Die Teilnahme an Brevets lässt den Randonneur Jg. 1962 spüren, dass er lebt.
In seinem Debüt Tausend Kilometer Süden schildert er poetisch, rauschhaft und mitreißend seine Erfahrungen bei einer Langstreckenprüfung der ganz besonderen Art: dem Mille du Sud. Dieser führt ausgehend von der Provence über die Alpenriesen und quer durch Ligurien zurück an den Start. Insgesamt gilt es dabei, 1.000 Kilometer binnen 75 Stunden zu absolvieren. Geschlafen wird in Bushaltestellen, auf Parkbänken oder im Straßengraben, gegessen in Bäckereien, Schnellimbissen oder an einer der unangekündigten Geheimkontrollen, die garantieren sollen, dass niemand Abkürzungen nimmt. Mal in kleinen Gruppen, mal - und im Grunde genommen immer - auf sich alleine gestellt, radeln seine Teilnehmer drei Tage und Nächte praktisch non-stop durch Hitze, Kälte, Regen, Wind und Einsamkeit, begleitet von Müdigkeit und Endorphinrausch.
Der Mille du Sud ist Jungwirths liebster Brevet - nichts desto trotz bringt er, respektive sein letzter großer Anstieg, der mit 2.744 Metern grausam hohe Col Agnel, ihn an seine Grenzen. Seine Schilderung gerät zu einer packenden Ode an die Erfindung Fahrrad, die Maschine Mensch, die Landschaft der Mittelmeerregion und die unglaublichen Gefühlswelten, welche sich auftun, wenn man all dies zusammenführt.
Gerade mit letzterem Aspekt ist Tausend Kilometer Süden auch eine Antwort auf die vermutlich oft gestellte Frage: Warum tut man sich Derartiges an? Weil's es wert ist - ebenso wie das Lesen dieser 160 Seiten ...

Titel: Tausend Kilometer Süden - eine Erzählung vom Radfahren in den Bergen
Autor: Walter Jungwirth
Verlag: Covadonga, 2017
Preis: € 14,80
ISBN: 978-3-95726-023-9


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