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Marzocchi Bomber Air im Test

Marzocchi Bomber Air im Test

06.02.23 08:03 3.662Text: Ralf Hauser
Ralf Hauser
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Fotos: Erwin Haiden, NR22
Vor einigen Monaten präsentiert, fand zwischenzeitlich Marzocchis Bomber Air Hinterbauelement den Weg in eines unserer Bikes. Wie sich der Gravity-taugliche Luft-Dämpfer über Stock und Stein hielt, verraten wir euch hier.06.02.23 08:03 3.843

Marzocchi Bomber Air im Test

06.02.23 08:03 3.8431 Kommentare Ralf Hauser
Ralf Hauser
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Erwin Haiden, NR22
Vor einigen Monaten präsentiert, fand zwischenzeitlich Marzocchis Bomber Air Hinterbauelement den Weg in eines unserer Bikes. Wie sich der Gravity-taugliche Luft-Dämpfer über Stock und Stein hielt, verraten wir euch hier.06.02.23 08:03 3.843

Schön, dass - obwohl Marzocchi mittlerweile zum Fox Shox-Konzern gehört - der Bomber Air Dämpfer nicht einfach nur ein bereits bestehendes Produkt mit neuen Stickern einer anderen Marke ist.
Das erkennt man äußerlich am schräg montierten Ausgleichsbehälter. Aber auch intern, wurde uns versichert, arbeitet ein eigenständiges Dämpfungssystem – angelehnt an die zuverlässige Konstruktion des Bomber CR-Stahlfederdämpfers. Zum Beispiel wurde die Umsetzung des Base Valves, welches den Ölfluss in den Ausgleichsbehälter regelt und ein sehr wichtiger Teil der Druckstufendämpfung darstellt, sehr ähnlich zum Bomber CR aufgebaut.

Die technischen Spezifikationen haben wir bereits in unserer Vorstellung im Detail besprochen.
Zusätzlich zu der Info, dass der Bomber Air in zahlreichen metrischen Standard- und Trunnion-Maßen erhältlich ist, sollte erwähnt werden, dass dank interner Anpassung mittels Travel-Spacern auch gewisse Hubkonfigurationen, die sich nicht in der offiziellen Liste finden, in 2.5-mm-Schritten erzielt werden können.

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Setup

Eine einfache und schnelle Abstimmung auf Fahrergewicht und Fahrstil ist - neben dem geringeren Gewicht - immer noch das Hauptargument, welches für Luft- gegenüber Stahlfederelementen spricht. Beim Bomber Air wird dieses Prozedere besonders leicht gemacht.
Per Luftdruck (maximal 350 psi) wird das Element auf das Fahrergewicht und den gewünschten Sag abgestimmt. Je nach nötigem Luftdruck findet sich eine Tabelle mit empfohlenen Settings für die Zugstufendämpfung in der Gebrauchsanweisung. Mehr gilt es für das Grundsetup eigentlich nicht zu beachten.

Im Detail lässt sich die Federkennlinie mittels Volumen-Spacern vor allem im mittleren und finalen Federwegsbereich in ihrer Progression variieren. Dieser Prozess ist denkbar simpel: Luft in 50 psi-Schritten ablassen (dazwischen 10 bis 20 Mal den Dämpfer um 25% komprimieren, damit sich die automatisch ausgleichende Negativ-Luftkammer anpassen kann), dann per Hand das Hauptreservoir abschrauben und schon gelangt man ins Innere der Hauptluftkammer (anders als in unserer schnellen Wechselaktion am Trail sollte dies natürlich in einer möglichst staubfreien Umgebung stattfinden).
Je nach Rahmendesign muss man dazu den Dämpfer nicht einmal ausbauen. Der Volumen-Spacer befindet sich am Ende des Kolbens hinter einer großen Beilagscheibe versteckt und kann einfach aus- und eingeklickt werden.
Volumen-Spacer sind im Set von sechs Stück (mit Volumen-Dicken von 0,1 bis 1,0 Kubik-Inch) als Zubehör erhältlich. Je nach Hub des Dämpfers lassen sich nur gewisse Dicken des Volumen-Spacers verbauen. Auch dafür gibt es Tabellen zum Download aus dem Service-Bereich der Webseite. Der Bomber Air kann auch gänzlich ohne Volumen-Spacer gefahren werden.
Beim Blick ins Innere des Federelements sieht man dort auch den Bottom-Out-Bumper, der bei massiven Schlägen ein komplettes Durchschlagen von Metall zu Metall verhindert.

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Die Dämpfung kann auf zwei Möglichkeiten angepasst werden: mittels Zugstufenverstellung (zehn Stufen) und Low-Speed-Druckstufe, auch genannt Sweep Adjust.
Die Zugstufen-Einstellung hat hauptsächlich Auswirkungen auf die Low-Speed-Zugstufe, interagiert aber auch zu einem gewissen Teil mit der High-Speed-Zugstufe. Der Einstellbereich der Zugstufe ist so gewählt, dass er für einen großen Bereich an Fahrergewichten funktioniert. Für Personen, die aus diesem „Normalbereich” hinausfallen, gibt es passende Tuningmöglichkeiten im Shop.
Der Sweep-Adjust am Bomber Air ist eine stufenlose Low-Speed-Kompressionseinstellung, sehr ähnlich zur Einstellungsmöglichkeit am Bomber CR. Obwohl Marzocchi die Verstellung als 2-Positions-Variante anführt, ist in Wirklichkeit genau das Gegenteil der Fall: Sie kann in jeder Stellung ohne Rasterung im 180-Grad-Verstellbereich gefahren werden.

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Auf dem Trail

Trotz oder gerade wegen der reduzierten Einstellungsmöglichkeiten von Marzocchis Bomber Air ist es ein Leichtes, in kürzester Zeit das Bike mit viel Vertrauen den Berg hinunterzujagen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, und ohne Frage eine der reizvollsten Eigenschaften des Bomber Air: Einfach auf den nötigen Sag des Bikes abgestimmt und den empfohlenen Rebound-Bereich aus der Tabelle abgelesen, und schon arbeitet das Luftelement in stets berechenbarer Art und Weise.
Dabei zeigt der Dämpfer stets viel Unterstützung, ohne in den Federweg einzusacken und scheint gerade dann so richtig aufzuwachen, wenn er richtig gefordert wird. Besonders die Fähigkeit, gekonnt auf schnell aufeinander folgende Schläge zu reagieren, vermitteln im unwegsamen Gelände und bei schnellen Abfahrten ein hohes Maß an Kontrolle.

Neben obligatorischen Enduro-Trails drehte ich mit einem 160 mm Enduro-Testbike auch im Bikepark so manche Runde und jagte es vorrangig auf den Downhill-Race-Pisten mit Wurzeln, Felsen und manch größerem Drop hinunter, ohne jemals das Gefühl gehabt zu haben, den Dämpfer damit zu überfordern. Insofern kann man dem Teil auch einen sehr breiten Arbeitsbereich attestieren, der einer Vielzahl an verschiedenen Fahrweisen und Einsatzbereichen zugutekommen wird.
Von Performance-Problemen während des Test-Zeitrauns gibt es nichts zu berichten, eine Veränderung der Federungsperformance während eines vollen Downhill-Runs konnte ich auch nicht feststellen.

Die Feinfühligkeit ist gut, es gibt allerdings Federelemente, die aufgrund ihrer Bauart und teuren Beschichtungen ein etwas sänftenartigeres Ansprechen ermöglichen. Nach längerer Einfahrzeit wird dieser Unterschied allerdings geringer und fällt in der Gesamtabrechnung nur geringfügig ins Gewicht.

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Dass Marzocchi die Sweep Adjust-Kompressionsdämpfungsverstellung als 2-Positions-Variante anführt, ist irreführend und kann eigentlich nur als Irrtum abgehakt werden.
Der runde Verstellhebel ist stufenlos zu bedienen und zeigt in jeder Position über einen 180 Grad-Winkel einen Funktionsunterschied, ähnlich der Kompressions-Verstellungen an Marzocchis Federgabeln.
Als Lockout-Hebel ist der Sweep Adjust nicht zu verstehen. Er dient grundsätzlich zur Anpassung des Gegendrucks seitens der Dämpfung bei Belastungen, die der Fahrer aktiv mit dem Körper einleitet - sei es das Pedalieren, der Abdruck bei Absprüngen, Belastungen in Anliegern und dergleichen.
Dementsprechend kann der Sweep Adjust auch ein Wippen der Hinterbaufederung beim Klettern etwas unterdrücken. Aufgrund der Form des Hebels eignet sich der Sweep Adjust allerdings nicht unbedingt (obwohl durchaus möglich, je nach Position des Dämpfers am Bike) als flinke Verstellung während des Fahrens; dank meist ausgereifter Federungs-Kinematiken kommen die meisten modernen Bikes allerdings auch ohne unterstützende Funktionen beim Klettern gut zurecht.
Durchläuft man das Spektrum vom komplett offenem zum Firm-Anschlag, ist ein Unterschied im Federungsverhalten leicht spürbar, allerdings nie in einem Ausmaß, bei dem man die Federung als negativ beeinflusst wahrnehmen würde.

Im Endeffekt fiel meine generelle Wahl für Trail-Einsätze auf eine Stellung ungefähr im ersten Drittel des Settings aus; im Bikepark wusste der volle Anschlag des Firm-Settings Sinn zu machen, für zusätzlichen Support bei Sprüngen und Anliegern, wo sich das Feature wohl am meisten bewährt.
Apropos Bikepark: Kann es sein, und ist es auch berechtigt, dass mancher Downhill-Racer nach hochspezifischen Einstellungsmöglichkeiten wie getrennter High- und Low-Speed Zug- und Druckstufendämpfung sucht? Absolut. Andererseits spricht nichts dagegen, dass selbst in einem Downhill-Rennen der Bomber Air ein Bike sicher auf Spur halten würde.

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Die Wirkung der Volumen-Spacer auf die Federungskurve ist stark wahrnehmbar. Bereits mit dem dünnsten 0,1 Kubik-Inch Spacer arbeitet der Bomber Air ausreichend progressiv bei einer modernen, halbwegs smart konstruierten Hinterbau-Kinematik. Bei einem 0,6-Spacer braucht man sich auch bei höheren Drops und generell fordernder Fahrweise keine Gedanken zu machen, unkontrolliert am Ende des Federwegs durchzuschlagen. Beim dicksten 1,0 Kubik-Inch Spacer - überhaupt in Zusammenarbeit mit dem Bottom-Out-Bumper, der auf den letzten Millimetern Federweg als mechanischer Anschlagschutz agiert - werden auch Extrem-Freerider glücklich werden, allerdings wird dann die Allround-Tauglichkeit des Bikes vermutlich etwas leiden, da man bei gemäßigter Fahrweise nur einen geringeren Prozentanteil des Federwegs effektiv nutzen können wird.
Dank dieses extrem hohen zu erreichenden Durchschlagschutzes und scheinbar guten Gegendrucks im mittleren Federwegs-Bereich, kauft man der Marketing-Abteilung ihr Versprechen, wonach der Bomber Air generell auch für Rampage-artige Fahrweisen geeignet sei, gerne ab. Bei der jüngsten Ausgabe des Freeride-Events im Oktober 2022 setzten offensichtlich tatsächlich zahlreiche gesponserte Athleten auf das Bomber Air-Modell.
Anders gesehen, ist der Bomber Air eine gute Wahl wenn man versuchen möchte, zu linear arbeitende Fahrwerke positiv durch höhere Progression zu beeinflussen.

Nachdem im Test-Rahmen keine Platzprobleme vorherrschten, lässt sich nur schwer sagen, inwieweit das schräggestellte Reservoir den Zugang erleichtert. Rein technisch gesehen ist allerdings selbst die Verstellung des Sweep-Adjust von einer der beiden Seiten aufgrund der Anwinkelung etwas simpler - egal, welches Rahmendesign zum Einsatz kommt.

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Fazit

Marzocchi Bomber Air
Modelljahr: 2022
Testdauer: 6 Wochen
Preis: € 639,- UVP
+ Schnell und leicht abzustimmen
+ Hohe Funktionalität mit breitem Einsatzbereich
+ Gravity approved
+ Progression sehr gut abstimmbar
o Hart umkämpftes Preissegment
o Limitierte Abstimmungsmöglichkeiten, die aber Teil des Konzepts sind
BB-Urteil: No-nonsense Dämpfer mit schneller Abstimmung und tadelloser Funktion, auch im rauen Einsatz.

Marzocchi ist bekannt dafür, viel Leistung bei angemessenen Verkaufspreisen zu liefern. Vergleicht man den Bomber Air mit Konkurrenzprodukten am europäischen Markt, fischt er in einem hart umkämpften Segment um Fans - oftmals gegen Dämpfer, die gegen ein paar Euro mehr mit zusätzlichen Features aufwarten können.

Aber nicht alle wollen ein Studium zur korrekten Abstimmung ihres Dämpfers absolvieren. Im Gegenteil, ein Großteil der Fahrer ist vermutlich mit simpleren Setup-Methoden besser beraten, um zu größtmöglichem Fahrspaß zu gelangen.
Zweifelsfrei ist die größte Stärke des Bomber Air, dass er seine hohe Funktionalität für einen sehr breiten Einsatzbereich bereits nach simpelstem Setup ausspielen kann. Dass selbst Profi-Freerider oftmals auf den Bomber Air setzen, unterstreicht sein Potenzial. Sollte er darüber hinaus die gute Haltbarkeit von Marzocchi – welche sich die Marke in den letzten Jahren zurückerkämpft hat – bestätigen, würde es nicht überraschen, wenn sich in Zukunft mehr und mehr Bomber Airs auf verschiedensten Bikes wiederfinden würden.

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