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Auf Achse: Tour of Türkiye 2023

Auf Achse: Tour of Türkiye 2023

06.11.23 08:31 2.578Text: Gabriwa
Gabriel Waringer

Name: Gabriel Waringer Alter: 33 Jahre Größe: 183 cm Schrittlänge: ehrliche 843 mm Gewicht: ~ 82kg Fahrstil/ -können: Ein Gravelbike ersetzt (k)ein MTB!

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Fotos: Gabriwa
Fear and loathing in Istanbul. Unser GabriWa erhält eine Wildcard als rasender Reporter und berichtet direkt aus der ersten Reihe fußfrei.06.11.23 08:31 16.408

Auf Achse: Tour of Türkiye 2023

06.11.23 08:31 16.4086 Kommentare Gabriwa
Gabriel Waringer

Name: Gabriel Waringer Alter: 33 Jahre Größe: 183 cm Schrittlänge: ehrliche 843 mm Gewicht: ~ 82kg Fahrstil/ -können: Ein Gravelbike ersetzt (k)ein MTB!

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Gabriwa
Fear and loathing in Istanbul. Unser GabriWa erhält eine Wildcard als rasender Reporter und berichtet direkt aus der ersten Reihe fußfrei.06.11.23 08:31 16.408

In der Nacht sind alle Katzen schwarz. Ebenso werden in der Nacht alle Straßen sowie die Landschaften, welche sie durchqueren, schwarz. Deshalb unterscheidet sich die Gegend um Izmir nachts nur wenig von Trausdorf an der Wulka.
Seit beinahe einer halben Stunde sitze ich nun im Mercedes Vito mit einem definitiv nicht werkseitig erhältlichen Sternenhimmel im Fond. Meine Augenlider werden schwerer; es war ein langer Tag, der einfach kein Ende finden will.
Der Grund für meine Reise? Unerwartet hatte ich die Gelegenheit, an der 'Tour of Türkiye' als Reporter teilzunehmen. Gemeinsam mit zwei Kollegen werde ich mir die siebte und achte Etappe dieser Rundfahrt ansehen, und das aus einer für mich ungewohnten Perspektive – nämlich aus einem Begleitfahrzeug oder, dank meines Presseausweises, hautnah direkt aus der ersten Reihe, fußfrei.

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Selçuk - İzmir

Halb acht. Der Wecker läutet. Nur vier Stunden Schlaf - gerne hätte ich mehr gehabt, aber es bleibt keine Zeit zum Jammern. Heute stehen für die Profis knapp 160 Kilometer auf dem Programm, also machen wir uns nach einem schnellen Frühstück auf den Weg zum Start, um der Sign-In Zeremonie und dem gesamten Trubel drumherum beizuwohnen.
Glücklicherweise entdecken wir ein Catering-Zelt, wo wir uns ausgiebig der wichtigsten Mahlzeit des Tages, dem zweiten Frühstück, widmen können. Wir genießen Simit und trinken Tee, während die Teams von Sarper Günsal begrüßt und interviewt werden.
Unsere Organisatorin drängt zur Eile - wir müssen uns sputen, um vor dem Rennstart in Bewegung zu kommen; andernfalls haben wir keine Chance, das Feld einzuholen. Den zugehörigen Marschplan schmieden wir unterwegs im Wagen. Wir einigen uns darauf, am Gipfel des ersten Anstiegs der Kategorie 2, nach 53 Kilometern, auf das Feld zu warten.

Die Bergankunft ist recht unspektakulär. Die mehrspurige Straße sowie alle anderen Straßenabschnitte sind komplett für den Verkehr gesperrt und werden gefühlt alle 100 Meter von Polizisten kontrolliert. Es steht auch sehr viel Militär herum - komplett aufmunitioniert, mit Maschinenpistolen im Flecktarn, überwachen sie das Geschehen genau. Auch ich werde genauestens gemustert und für harmlos befunden.

Ich verfolge das Renngeschehen nur am Rande - im Auto lässt der Fahrer die Liveübertragung auf seinem Handy mitlaufen. Nachdem uns die Fahrer und der Konvoi aus Begleit- und Teamfahrzeugen an der Bergankunft zurückgelassen haben, eilen wir wieder zum Mercedes und nehmen die Verfolgung auf.
Ein paar Nachzügler versuchen, im Windschatten diverser Autos den Anschluss ans Hauptfeld wieder zu gewinnen. Die Anstrengung ist den jungen Athleten ins Gesicht geschrieben, und ich zücke die Kamera, hänge mich bei geöffnetem Fenster weit aus dem Wagen. Noch näher, und ich bräuchte selbst eine Startnummer!
Wir bahnen uns einen Weg durch die Autos vor uns und rücken immer näher ans Hauptfeld heran.

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Eine Mischung aus Adrenalin und Euphorie durchströmt mich. Wie absurd ist diese Situation? Ich sitze im Fond eines Begleitfahrzeuges und habe die einmalige Möglichkeit, Fotos von der 58. Ausgabe der Tour of Türkiye zu schießen! Verrückt, aber wahr.

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Der Fahrer wechselt ein paar Worte mit unserer Begleiterin: "Wir haben keine Gelegenheit, das Hauptfeld zu überholen. Wir müssen entweder hinter ihnen bleiben oder uns eine Ausweichroute überlegen."
Demir, besagter Fahrer, war über zehn Jahre lang Rettungswagenfahrer in Istanbul. Hinter dem Feld ins Ziel zu rollen und die ganze Action zu verpassen, stellt also keine Option dar. Mit gezücktem Telefon wählt er die nächste Abfahrt, und bald finden wir uns auf einem einspurigen Wirtschaftsweg wieder. Ich hatte nicht damit gerechnet, aber als kleine Zugabe bekommen wir einen Vorgeschmack darauf, wie sich eine Rallye-Etappe in der Türkei anfühlen könnte. Ein Hunderter auf Feldwegen mit Traktorverkehr? Mittendrin statt nur dabei.

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Wie durch ein Wunder schaffen wir es unversehrt zurück auf die abgesperrte Strecke, und das noch deutlich vor dem Feld, was uns eine freie Fahrt ins Ziel nach Izmir ermöglicht.

Nach dem Zieleinlauf bietet sich mir die Gelegenheit, direkt in den Auslaufbereich zu gehen, um dort die Athleten und ihre Betreuer zu beobachten - eine einmalige Erfahrung.

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İstanbul - Sultanahmet

Nach einer erneut kurzen Nacht - der Flug von Izmir nach Istanbul hat sich um eine Stunde nach hinten verschoben - dasselbe Spiel: Wecker - Duschen - Frühstück - Auto. Auf dem Weg zum Start zieht Istanbul an unseren Augen vorbei, oder besser gesagt: an den Fensterscheiben unseres Taxis.
Eine Stadt unglaublichen Ausmaßes, etwa so groß wie Vorarlberg, doppelt so groß, rechnet man die Randbezirke dazu. Offiziell leben hier mehr als 16 Millionen Menschen - die Dunkelziffer dürfte jedoch deutlich höher sein. Istanbul ist die größte Stadt Europas und kann auf eine unglaubliche Geschichte zurückblicken.
Aber dafür bleibt wenig Zeit - unser Ziel liegt auf dem Sultanahmet-Platz, wo die achte und somit letzte Etappe stattfinden wird. Das Setup ist dasselbe wie am Tag zuvor: Sign-In, Sarper Günsal (der übrigens neben Englisch auch ziemlich gut Italienisch spricht) und das zweite Frühstück im VIP-Bereich ... das harte Leben eines Bikeboard-Journalisten eben, ungeschönt.

Unsere Reiseleiterin lässt uns wissen, dass wir heute definitiv nicht mehr im Feld fahren werden; anscheinend wurde dieser kleine Ausflug von der UCI nicht befürwortet. Alles, was Spaß macht, wird verboten.
Egal, unser Plan für heute besteht darin, die Strecke vor dem Fahrerfeld abzufahren und die Atmosphäre entlang des Weges zu genießen. Überall findet man Menschen, die Fahnen schwenken - das Interesse an der Tour scheint groß zu sein. Vom Kind bis zum Greis: Alle stehen am Straßenrand und feiern das Event.

Nachdem wir die Route ohne größere Zwischenfälle bewältigt haben (eine Rüge wurde mir erteilt, weil ich während der Fahrt ungefragt auf das Autodach geklettert bin, um Fotos zu schießen - aber gut, wem ist das noch nicht passiert), erreichen wir erneut den Sultanahmet Platz. Nervös suche ich nach einem passenden Platz, um den Zieleinlauf bestmöglich zu dokumentieren, allerdings ohne Erfolg.

Glücklicherweise machen wir die Bekanntschaft einer offiziellen Vertreterin des Ministeriums für Kultur und Tourismus, und nur einen Telefonanruf später halte ich eine offizielle Weste in Signalfarbe für Pressefotografen in den Händen.
"Wollen wir hinter die Absperrungsgitter? Das ist gar kein Problem!", versichert uns eine freundliche Dame aus dem Organisationsteam. Prompt finden wir uns neben drei mäßig erfreuten, echten Pressefotografen knapp 20 Meter hinter der Ziellinie, auf einem etwa einen Quadratmeter großen Fleck, zusammengekauert wieder. Die Minuten bis zum Zielsprint sind intensiv, die Fans sorgen für eine angespannte Stimmung. Nervös überprüfe ich die Einstellungen der Kamera, um sicherzustellen, dass ich den entscheidenden Moment festhalten kann.

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Istanbul

Wer nur einen Tag in Istanbul verbringt, war in Wahrheit gar nicht dort. Nach dem Zieleinlauf, während die Sieger noch auf der Bühne von der Menge gefeiert werden, packen wir unsere Sachen und machen uns auf den Weg.
In die Hagia Sophia können wir so kurzfristig nicht, aber als kleinen Bonus zeigt man uns die Yerebatan-Zisterne, ein imposantes Bauwerk, errichtet unter der Herrschaft von Kaiser Justinian im 6. Jahrhundert nach Christus.

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Ursprünglich als Wasserspeicher für den Palast gedacht, dient sie heute primär als Fotospot für Touristen wie mich. Der Exkurs in die Geschichte dauert leider nicht einmal eine Stunde, dann heißt es ab ins Restaurant und zurück ins Hotel.

Mittlerweile ist es knapp vor Mitternacht, und ich sitze wieder im Hotel, um meine Gedanken in den Laptop zu tippen. Was bleibt von knapp 48 Stunden Tour of Türkiye?
Gänsehaut, das auf jeden Fall. Und die Gewissheit, dass ich sicherlich bald wieder in die Türkei zurückkehren werde - der nächste Flug ist bereits gebucht. Was ich dort machen werde? Ich habe keinen genauen Plan, dafür aber alle Zeit der Welt.

Link zur offiziellen 'Tour of Türkiye' Website


vor 7 Stunden schrieb hermes:

die holländer habens echt drauf, wenns um schuhmode geht.

Das Team Niederlande ist tatsächlich eines der sympathischsten gewesen. Ein cooles Gefühl wenn man seinen Idolen aus Bahntagen wie zum Beispiel Matthijs Büchli direkt im Ziel mit Teamkollegen beobachten kann. 

 

Allgemein eine sehr lohnende Erfahrung. 

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vor einer Stunde schrieb gabriwa:

Das Team Niederlande ist tatsächlich eines der sympathischsten gewesen. Ein cooles Gefühl wenn man seinen Idolen aus Bahntagen wie zum Beispiel Matthijs Büchli direkt im Ziel mit Teamkollegen beobachten kann. 

 

Allgemein eine sehr lohnende Erfahrung. 

Das glaub ich dir aufs Wort.

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