gpearl Geschrieben 30. Juni 2010 Geschrieben 30. Juni 2010 (bearbeitet) Eigentlich wollte ich ja in Mondsee fahren, meines maroden Zustandes wegen allerdings bloß auf der B-Strecke. Ohne zu wissen, worauf ich mich da einlasse, bin ich stattdessen beim Dreiländergiro eingesprungen. A-Strecke, versteht sich. Soll heißen: 168 km mit 3.300 Hm, 12 Stunden Autofahren und 8 Stunden Radfahren. Kurz: ein recht entspanntes Wochenende. Wenigstens können wir einmal wieder richtig ausschlafen - Start ist ja erst um 6:30. Schlotternd und mit verschwiemelten Augen strampeln wir in der Morgendämmerung mit 3000 anderen von Nauders entlang des Reschen-Stausees auf den Reschenpass nach Italien und dann in rasanter Abfahrt runter in den Vinschgau. http://www.dreilaendergiro.at/uploads/tx_templavoila/streckenprofil_a_popup.gif http://farm5.static.flickr.com/4078/4748479645_82e720089e_b.jpg Bis Kilometer 38 beginne ich schön langsam Gefallen an der Sache zu gewinnen. Die Sonne ist herausgekommen und hinter dem breiten Rücken der Gruppe lässt es sich ganz kommod dahinrollen. Das sich eben einstellende innere Aequilibrium wird jetzt aber nachhaltig auf einer Strecke von 25 km gestört. Die Störung setzt sich zusammen aus bis zu 15% Steigung und 1.860 Höhenmetern von 900 m auf 2.760 m und heißt Stilfser Joch. Zunächst wenig ansteigend am Talgrund bis an die Bergflanke heran, dann in unzähligen, geschickt in den Hang gebauten Serpentinen, führt die Straße auf Italiens höchsten Gebirgspass, den Passo dello Stelvio. Mit zunehmender Höhe bauen sich immer gewaltigere Berg- und Gletschermassive um uns herum auf, überragt durch den König Ortler, der mitleidlos über seine kalte Nordschulter auf uns herabblickt. Von oben brennt mittlerweile erbarmungslos die Sonne und der Schweiss rinnt in Strömen. Vom Strassenrand eröffnen sich schwindelerregende Ausblicke auf die Mäandern unterhalb, über die sich wie Ameisen hunderte Radler heraufwinden. http://farm5.static.flickr.com/4093/4749579952_18c6f4dd73_b.jpg http://farm5.static.flickr.com/4140/4743055545_617645377d_b.jpg http://farm5.static.flickr.com/4142/4748938563_fb9804f613_b.jpg http://farm5.static.flickr.com/4078/4749117772_52aa5a552c_b.jpg http://farm5.static.flickr.com/4077/4743062399_42ae7579e9_b.jpg http://farm5.static.flickr.com/4094/4748945183_344f66f821_b.jpg Oben auf dem Pass wird ein bisserl geklatscht und gejubelt. Schnell ein Foto beim Passschild gemacht, Weste übergeworfen und hinabgestürzt in die Schweiz, die wir über den Umbrailpass auf 2.500 m erreichen (übrigens der höchste Strassenpass der Schweiz). Von hier geht es noch einmal knappe 1.200 Hm bergab Richtung Norden nach St. Maria im Münstertal. Die Abfahrt ist Genuss pur und die Mühen der Auffahrt sind schon nach ein paar hundert Metern vergessen. Kaum unten angekommen hilft die ansatzlos beginnende Steigung auf den Ofenpass auf 2.149 m meinem Gedächtnis wieder auf die Sprünge. Brütende Hitze, brennende Oberschenkel, der Magen verpickt von Gels & Riegeln und die Zunge klebt wie ein alter Socken am Gaumen. Knapp hundert Kilometer hab ich jetzt in den Beinen und eigentlich würde ich mir jetzt gerne auf der Passhöhe in einem Liegestuhl mit einem kühlen Bierchen zuprosten und Gott einen guten Mann sein lassen. Statt dessen: Abfahrt ins Engadin mit bösem Gegenanstieg auf den Ova Spin auf 1.850 m. http://farm5.static.flickr.com/4101/4749591196_c683f611b7_b.jpg Die danach folgende Strecke von Zernez über Scuol nach Martina an den Fuß der Norbertshöhe geht zwar hauptsächlich Innabwärts, bietet aber einige Gegensteigungen, streckenweise starken Gegenwind und ist entsprechend unangenehm zu fahren. Vor allem, wenn man alleine ist. So sehr ich den Hals nach vorne und hinten recke - da ist weder ein Loch zuzufahren, noch naht Rettung von hinten. Also trete ich missmutig vor mich hin, ohne viel Terrain zu machen, und verfluche unablässig diejenigen, die mir diese ganze Misere eingebrockt haben. Eben als ich beschließe, abzusteigen, mein Rad im Inn zu versenken und mich hinterherzuwerfen, walzt hinter mir ein Gruppetto wie der Glacier Express heran. Grad schaffe ich es noch, so viel zu strampeln, um hinten aufzuspringen. Und dann sause ich wieder herrlich mühelos dahin, genieße die Ausblicke entlang der Strecke, winke Passanten zu und genehmige mir im Salonwagen einen Espresso. Leider werde ich aus meinen Träumerein gerissen, als ich feststelle, dass ich irgendwie plötzlich an zweiter Stelle liege. Was sonst vielleicht ein Grund zur Freude wäre, löst hier tiefe Verzweiflung aus. Und schon ist es soweit und mein Vordermann gibt mich schutzlos dem scharfen Engadiner Wind preis. Jetzt lasse ich mich natürlich auch nicht lumpen und verschieße mein allerletztes Pulver. Ein großes Feuerwerk ist es zwar nicht, es reicht aber immerhin bis zum Fuss der Norbertshöhe, dem letzten Anstieg über knapp 400 Hm zurück nach Nauders. Bei der Labe am Grenzübergang stopfe ich noch Kuchen in mich rein, nutzen wird mir der aber jetzt auch nichts mehr. Dafür feuert er mein Sodbrennen - Powerbar sei Dank! - noch einmal ordentlich an. Irgendwie torkle ich auf die Passhöhe und heim nach Österreich. Dort hat die Topographie dann ein Erbarmen mit mir und es geht zum Ziel nur mehr bergab. Nach 7 Stunden 52 Minuten erreiche ich schließlich ziemlich paniert Nauders. http://farm5.static.flickr.com/4096/4748471931_31b975095d_b.jpg Resümee: landschaftlich großartig, perfekt organisiert und vom Höhenprofil ideal, da die großen Brocken ziemlich am Anfang kommen und es danach tendenziell bergab geht. Mit der entsprechenden Form könnte die Tour sogar durchaus genussvoll sein. Lästig ist natürlich die weite Anreise, wer das Rennen aber mit einem Urlaub in der Gegend verbindet, kann eigentlich nix falsch machen. Neben den vielen schönen Passstrassen gibt es auch zahllose reizvolle Mountainbikestrecken. Und für Bergsteiger und Kaisertreue ist der höchste Berg der Monarchie sowieso ein Muss. Ich glaub, ich komm nächstes Jahr wieder. Bearbeitet 30. Juni 2010 von gpearl Zitieren
bigair Geschrieben 30. Juni 2010 Geschrieben 30. Juni 2010 coole fotos! mit fotostops ist das eh eine respektable zeit! der ofenpass war richtig mühsam, erstens wegen den autos, und zweites sieht man dort nicht wann der aus ist. warst du der, den ich hinauf zum reschenpass gegrüßt hab? viele chaoten hab ich ja nicht gesehen...müsstest wohl du gewesen sein Zitieren
xrace Geschrieben 30. Juni 2010 Geschrieben 30. Juni 2010 super geile fotos :-) hatte ich auch geliebäugelt und jetz wenn ich die fotos seh juckts mich schon richtig. hoff ich bin bald wieder voll fit. Zitieren
gpearl Geschrieben 30. Juni 2010 Autor Geschrieben 30. Juni 2010 coole fotos! mit fotostops ist das eh eine respektable zeit! der ofenpass war richtig mühsam, erstens wegen den autos, und zweites sieht man dort nicht wann der aus ist. warst du der, den ich hinauf zum reschenpass gegrüßt hab? viele chaoten hab ich ja nicht gesehen...müsstest wohl du gewesen sein Ich hab bloß einen Chaoten gesehen und gegrüßt, und zwar beim Start, mit einem Kuota 2RC Dress. Unterwegs ist mir keiner mehr untergekommen. Auch unter Berücksichtigung von Fotostops, Pinkelpausen und dgl. ist meine Zeit sehr bescheiden, v.a. wenn man bedenkt, dass der Sieger unglaubliche 5:24 gebraucht hat. Zitieren
ventoux Geschrieben 30. Juni 2010 Geschrieben 30. Juni 2010 Schöner Bericht,witzig geschrieben und prächtige Fotos. Der Stelvio ist für mich einfach DER Pass. Zitieren
hermes Geschrieben 1. Juli 2010 Geschrieben 1. Juli 2010 coole fotos! mit fotostops ist das eh eine respektable zeit! der ofenpass war richtig mühsam, erstens wegen den autos, und zweites sieht man dort nicht wann der aus ist. warst du der, den ich hinauf zum reschenpass gegrüßt hab? viele chaoten hab ich ja nicht gesehen...müsstest wohl du gewesen sein und wie ist es dir gegangen? würd mich auch mal reizen - vielleicht nächstes jahr. Zitieren
bigair Geschrieben 1. Juli 2010 Geschrieben 1. Juli 2010 und wie ist es dir gegangen? würd mich auch mal reizen - vielleicht nächstes jahr. besser als gedacht. bin mit 39-27 überall raufgekommen. 6:43 gesamt. stilfserjoch und ofenpass sind eh superschön zum fahren. auffahrtszeit aufs joch fast genau 2h. auf jedenfall eine leiwande veranstaltung! am Montag war ich dann noch am Kaunertaler Gletscher, der ist mMn schwerer zum fahren, aber war auch ganz nett: Zitieren
Gast Berghex29 Geschrieben 8. Juli 2010 Geschrieben 8. Juli 2010 hab mich dieses jahr auch auf den grossen gewagt und fands einfach nur wunderschön, das stilfser joch ist für jeden rennradler ein MUSS Zitieren
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