
Cervélo S5VWD
03.08.14 20:20 30.8042014-08-03T20:20:00+00:00Text: NoPainFotos: Erwin Haiden, Kurt SchindlerPraxistest des modernen Aero-Renners, der bei 45 km/h eine Leistungs-Einsparung von bis zu 37 Watt gegenüber einem gewöhnlichen Rennrad ermöglichen soll. Wir haben ihn bei Wind und Wetter ausprobiert.03.08.14 20:20 30.8222014-08-03T20:20:00+00:00Cervélo S5VWD
03.08.14 20:20 30.8222014-08-03T20:20:00+00:0018 Kommentare NoPain Erwin Haiden, Kurt SchindlerPraxistest des modernen Aero-Renners, der bei 45 km/h eine Leistungs-Einsparung von bis zu 37 Watt gegenüber einem gewöhnlichen Rennrad ermöglichen soll. Wir haben ihn bei Wind und Wetter ausprobiert.03.08.14 20:20 30.8222014-08-03T20:20:00+00:00Eine gesunde Skepsis gegenüber den Versprechen von Aerorad-Herstellern ist nie verkehrt. Zu oft sollen dem Käufer unrealistisch hohe, per Labortest ermittelte bzw. theoretisch hochgerechnete Watt- und Zeitersparnisse den Mund wässrig machen. In der Realität jedoch lassen sich die genannten Vorzüge selten beweisen und schwer umsetzen; häufig überwiegen die Nachteile der ovalen Rohrformen mit zusätzlichem Gewicht, geringerer Seitensteifigkeit, schlechterer Fahrstabilität und reduziertem Komfort.
Luftwiderstand - Physik Exkurs
Der Luftwiderstand beträgt rund 80% der Summe aller Fahrwiderstände, mit denen der Radfahrer zu kämpfen hat. Rund drei Viertel davon macht die Sitzposition aus, den Rest teilen sich Laufräder, Bekleidung (Einteiler, Überschuhe, Helm) und ein aerodynamisch optimierter Rahmen.
Da die notwendige Leistung zur Überwindung des Luftwiderstands mit zunehmender Geschwindigkeit in der dritten Potenz wächst, wäre beispielsweise für das doppelte Tempo die achtfache Leistung notwendig.
NoPain, Prospekt-Skeptiker
Andererseits begünstigen aerodynamische Rohrprofile, verringerte Stirnflächen, optimierte Trinkflaschenhalter, geschmeidige Übergänge zu den Laufrädern hin und integrierte Brems- und Schaltzüge eine höhere Fahrgeschwindigkeit. Unbestritten sind auch die Geometrievorteile vieler Aerorenner, die es Sprintertypen und Rouleuren erlaubt, tief gebeugt in die Pedale zu hämmern.
Der (Einsatz-)Zweck heiligt die Mittel
Geschwindigkeits-Junkies, die ihr persönliches Leistungspotential, den BMI, ihre aerodynamische Bekleidung und die Felgenhöhe schon maximal optimiert haben, greifen in weiterer Folge - fast schon als logische Konsequenz - zum Aero-Renner. Dabei nehmen sie den einen oder anderen Nachteil gegenüber klassischer Leichtrahmen gerne in Kauf - denn nicht der Weg, vielmehr der Schnitt ist das Ziel. Liebhaber moderner Technik hingegen besitzen ohnehin alle Rechte und tätigen mit einem Aerorahmen nebenbei ein lohnenderes Investment als beispielsweise mit sündhaft teuren Keramiklagern.
NoPain, TOUR-Test-Jünger
laut TOUR 02/2014 "schnellstes Straßenrennrad auf dem Markt", genauestens unter die Lupe zu nehmen. Auch wenn die im Test ermittelten 25,1 Watt gegenüber dem Langsamsten bei 45 km/h, bzw. das Hersteller-Versprechen von 37 Watt gegenüber herkömmlichen Rennrädern, in Anbetracht oben genannter Luftwiderstands-Anteile etwas utopisch klingt, wurde unser Interesse geweckt, sämtliche Zweifel über Board geworfen und ein Testrad in NoPains Wunschgröße beim Bikepirat.at abgeholt. Persönlicher Leistungshorizont hin oder her - für ein paar Watt weniger Luftwiderstand würde unser CEO sogar seine eigene Großmutter verkaufen.
Technologie
Mit dem S5VWD (Vroomen White Design) zeigen die Kanadier, was in Sachen Aerodynamik auf dem Rennrad-Sektor derzeit machbar ist. Der Rahmensatz basiert auf dem günstigeren Modell S5, besitzt die gleichen TrueAero-Rohrformen und wurde nach den neuesten Erkenntnissen des Projects California in puncto Gewicht und Steifigkeit optimiert. In Zahlen bedeutet dies eine Gewichtseinsparung von 270 Gramm. Damit wiegt der Rahmen des S5VWD ca. 990 Gramm in Größe 54 - nicht schlecht für ein Aerobike.
Tiefes Unterrohr
Das tropfenförmige Unterrohr besitzt ein besonders aerodynamisches Profil und liegt etwas tiefer als üblich, um einen perfekten Übergang zum Vorderrad zu schaffen. Dieser reduziert den Luftwiderstand, indem er den Fahrtwind mitsamt der vom Vorderrad generierten Luftströme optimal am Rahmen vorbeigleiten lässt.
Ihre patentierte Technik zur individuellen Anpassung aerodynamisch relevanter Bereiche nennt Cervélo "Aerozone Engineering Principle" .
Schmales Steuerrohr
Das vermeintlich überlange Steuerrohr beruht zum Teil auf einer optischen Täuschung, da das Unterrohr eben tiefer als üblich liegt. Der Steuerkopf ist extra-schmal geformt und besitzt durchgängig 1-1/8" Lenklager, was aus aerodynamischer Sicht zwar durchaus Sinn macht, der Steifigkeit an der Front allerdings nicht gerade zuträglich ist.
Hinter dem 3T-Vorbau verschwindet das Di2-Schaltkabel im Oberrohr; an der linken Seite ist der Bowdenzug der hinteren Bremse zu erkennen.
Shaped for bottles
Cervelo optimierte den Rahmen für die Verwendung einer oder zwei Trinkflaschen. Tests im Windkanal sollen nahezu identische Messwerte mit und ohne Flaschen liefern.
Mittlerweile haben die zwei Flaschenhalter-Positionen am Unterrohr auch schon bei anderen Herstellern Schule gemacht. Wird nur eine Flasche benötigt, bietet sich aus aerodynamischer Sicht die untere Position an. Die obere erlaubt die Montage eines zweiten Halters am Sitzrohr.
Schützende Sitzstreben
"Hiding the rear brake from the wind, not from the mechanic."
Speziell geformte Sitzstreben schützen die hintere Standard Shimano Bremse und lassen den Wind optimal an den Bremszangen vorbeigleiten. Die Bremse bleibt einfach einzustellen und ist bei Bedarf schnell zu öffnen. Außerdem finden die breitesten Felgenprofile locker darin Platz - auch ohne Mechaniker-Diplom.
Erweiterter Sitzrohr-Ausschnitt
Das am Hinterrad relativ knapp anliegende Sitzrohr verbessert laut Cervélo die Aerodynamik am Heck des Rades signifikant. In diesem Bereich gilt es, den Fahrt- und Seitenwind am Hinterrad, das mit fast doppelter Fahrtgeschwindigkeit selbst störende Luftströme erzeugt, vorbeigleiten zu lassen. Das ganze wird durch die bewegten Beine des Fahrers zusätzlich verkompliziert.
Nachteil dieses Designs - in Verbindung mit den nicht einstellbaren und vertikalen Ausfallenden - ist die maximale Reifenbreite von 23 mm. Der Rahmen bietet zu wenig Abstand, um 25 mm breite Clincher oder 24 mm breite Schlauchreifen schleiffrei montieren zu können.
BBright Innenlager-Standard
Auf der linken Rahmenseite steht generell mehr Platz zur Verfügung, da keine Kettenblätter behindern - entsprechend werden Unterrohr, Tretlagergehäuse und Kettenstrebe beim Cervélo BBright sichtbar breiter gebaut.
Auf der Antriebsseite verschenken herkömmliche Rahmen Steifigkeit, denn der nach innen geneigte Kurbelstern verhindert, dass Unter- und Sitzrohr die optimale Breite aufweisen können. Durch die Bauweise des offenen BBright Standards rückt der Rahmen näher an die Kettenblätter. Das Resultat ist ein deutlicher Gewinn an Stabilität, nicht zuletzt durch die 30 mm-Tretlagerachse.
Ausstattung und Geometrie
Ausstattung S5VWD Di2
Rahmen | Cervélo S5 VWD | Tretlager | BBright PF-30 |
Größen | 48, 51, 54, 56, 58, 61 | Kurbel | Rotor 3D+ BBright 52/36 |
Steuersatz | FSA IS2 | Kassette | Shimano Ultegra 6800 11f 11-25 |
Gabel | Cervélo FK26 UL | Kette | Shimano Ultegra 6800 11f |
Vorbau* | 3T ARX Team 100 mm | Schalthebel | Shimano Dura Ace Di2 9070 11f |
Lenker | 3T Ergonova Team 42 cm c-c, 31.8 | Schaltwerk | Shimano Dura Ace Di2 9070 11f |
Lenkerband | Fi'zi:k, schwarz | Umwerfer | Shimano Dura Ace Di2 9070 11f |
Sattelstütze | Cervélo Aero Seat Post (2 position) | Bremsen | Shimano Dura Ace 9000 |
Sattel* | Fi'zi:k Antares | Reifen* | Mavic Yksion Comp 120 tpi 23mm |
Laufräder* | Mavic Cosmic Elite S | Schnellspanner | Mavic |
Gewicht | 7,22 kg in Originalausstattung o.P. | Preis | € 8.000,- |
* im Test | 3T Integra LTD Stem 120 mm -10°, Dash Stage.9 Sattel | Airstreeem Carbon Aero 50 DR, Vredestein Senso SL 23 mm Pneus |
On the road


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Viele Aeroräder besitzen eher hölzerne und träge Fahreigenschaften. Nicht so das S5VWD - es fährt sich extrem agil, dennoch laufruhig und lässt sich präzise um jede Kurven steuern. Hauptanteil dafür trägt wohl seine spezielle Rahmengeometrie mit langen Kettenstreben und steilem Steuerrohr (73,1° in Gr. 54). Einziger Wehrmutstropfen ist der knappe Abstand zwischen Vorderrad und den Zehenspitzen in der 3-Uhr-Stellung. Bei engen Wendemanövern touchiert der Radschuh gerne mit dem Pneu, was zu akrobatischen Einlagen führen kann.
Selbstverständlich fällt die Seitensteifigkeit des S5VWD-Rahmens etwas geringer aus als bei anderen Highend-Allroundern mit breiteren, konifizierten Rohren - für einen kompromisslosen Aerorenner ist sie allerdings im grünen Bereich. Auch auf Tempowechsel und Zwischensprints reagiert das Rad willig und das extrabreite BBright Tretlager gibt dabei gefühlsmäßig keinen Millimeter nach. Oder besser gesagt: Die Steifigkeit ist für normalgewichtige Fahrer im Alltags- und Renneinsatz mehr als ausreichend. Nur echte Sprinter und Schwergewichte wünschen sich hier mehr - die Fahrstabilität bleibt allerdings stets unkritisch.
Die Sitzposition fällt ungewohnt komfortabel aus. Dieser aerodynamische Nachteil beruht auf dem relativ kurzen Reach und dem hohen Steuerrohr, welche den Fahrer in eine aufrechte Position bringen. Für eine optimale aerodynamische Position müssen sämtliche Spacer weggelassen und ein langer, negativer Vorbau montiert werden.
Alles andere als komfortabel ist die die vertikale Dämpfung des Rahmens, insbesonders der geringe Komfort der Aero-Sattelstütze auf schlechtem Terrain. Der Fahrer wird zwar nicht ganz so schlimm durchgeprügelt wie auf einem Venge, aber die allgemein bekannten Komfort-Nachteile von Tropfenprofilen können nicht verleugnet werden.
Aero-Tuning by Castelli
Das Climber Jersey von Castelli wurde zwar für niedrigstes Gewicht und besten Feuchtigkeitstransport entwickelt, ähnelt im Schnitt allerdings dem Aero Race Jersey: extrem passgenau, eng anliegend für maximale Performance im Renneinsatz. In meinem Fall musste ich zu einer Nummer größer als gewöhnlich greifen und spüre auch noch in Größe Large fast keinen Unterschied zu meinem TT-Anzug.
Die aus einem einzigen Stück Power-Stretch-Lycra gefertigt Trägerhose unterstützt neben der Muskelfunktion auch die höchsten aerodynamischen Ansprüche. Wer schon den KISS3 Sitzpolster von Castelli liebt, wird den Progetto X² Sitzpolster mit seinen verschiedenen Polsterstärken vergöttern - versprochen!
Real Life Experience
Nachdem unser hauseigener Windkanal in Wiener Neustadt noch nicht fertiggestellt ist, musste ich meine Speed-Tests auf die freie Wildbahn beschränken.
Dazu wählte ich die Röhsler&Co Einzelzeitfahren rund um Wien und ging bei insgesamt drei flachen Bewerben mit dem Cervélo S5VWD an den Start. Ziel war ein 45er Schnitt über 20 Minuten, den ich bis dato noch mit keinem Rennrad erreicht hatte. Das wäre zwar noch immer kein echter Beweis für die "beste Aerodynamik" gewesen, aber zumindest ein kleines Indiz.
Beim dritten Bewerb rund um Seibersdorf gelang mir schlussendlich ein Schnitt von 45,78 km/h. Auch der anschließende Blick in die Ergebnisliste verdeutlichte: das Rad ist sauschnell und performt aus aerodynamischer Sicht "fast" so gut wie ein echtes Zeitfahrrad.
Fazit
Cervélo S5VWD Di2 | |
---|---|
Modelljahr: | 2014 |
Testdauer: | 1.200 km und drei TT-Rennen |
+ | "best in class" Aerodynamik im Windkanal und auf der Straße |
+ | hohe Alltagstauglichkeit |
+ | agiles Lenkverhalten, laufruhig |
+ | optimiert für Trinkflaschen |
o | Steuerrohr nicht tapered |
o | geringer Dämpfungskomfort der Aerostütze |
o | Rahmenheck für 24 bzw. 25 mm breite Reifen zu knapp bemessen |
- | unwürdiger Laufradsatz |
BB-Urteil: | Schnell, eigenständig, für ein aerodynamisch optimiertes Modell recht leicht, teuer. |
Abgesehen von den generellen, konstruktionsbedingen Nachteilen eines Aerorahmens (Komfort, Seitensteifigkeit, Gewicht) wird der Fahrer mit dem besten am Markt erhältlichen Rennrad-Aerodynamik-Package belohnt.
Hohe Agilität, Laufruhe, top Cornering und "best in class"-Aerodynamik summieren sich zu einem Renner, der viel mehr als eine reine Aeromaschine bietet. Das Cervélo S5VWD hilft Energie zu sparen, sieht trotz "form follows function" extrem geil aus und macht einfach Spaß, gefahren zu werden.
Ideal für lange Solofluchten und Triathlons mit Windschattenfreigabe.