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Test: Canyon Neuron:ON WMN 6.0

Test: Canyon Neuron:ON WMN 6.0

06.03.19 11:58 24.800Text: NoMan
Lisi Hager

nicht mehr sehr blond, immer noch blauäugig, schokosüchtiger denn je

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Fotos: Erwin Haiden
Rückenwind fürs Neuron. Die E-Version des 130-mm-Fullys stellte sich in einer frauenspezifischen Ausführung unserer gestrengen Redaktion zum Test - und gefiel!06.03.19 11:58 25.135

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06.03.19 11:58 25.1352 Kommentare NoMan
Lisi Hager

nicht mehr sehr blond, immer noch blauäugig, schokosüchtiger denn je

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Erwin Haiden
Rückenwind fürs Neuron. Die E-Version des 130-mm-Fullys stellte sich in einer frauenspezifischen Ausführung unserer gestrengen Redaktion zum Test - und gefiel!06.03.19 11:58 25.135

Die Neuron-Familie des Koblenzer Versenders Canyon ist in der zweiten Jahreshälfte 2018 kräftig angewachsen: Auf die Alu-Variante des Trail-Fullys folgten im November ein Carbon-Rahmen und, ganz dem Zeitgeist entsprechend, mit dem Neuron:ON auch eine eigene E-Bike-Version des beliebten All Mountains. Somit steht dem abfahrtsorientieren Spectral:ON für 2019 auch ein gemäßigterer Spielgefährte zur Seite.
Trotz seiner 130 mm Travel folgt das Neuron:ON allerdings nicht dem Trend, Bikes dieser Federwegsklasse durch extrem flache Winkel und lange Oberrohre zu Mini-Enduros aufzublasen. Stattdessen bedient man bewusst die genussorientierten Tourenfahrer.

 Das Neuron widerspricht dem Trend aktueller Trail-Bikes, sich im Federwegsbereich um 130 Millimeter immer mehr auf stark versierte, Speed-hungrige Piloten zu fokussieren. 

Canyon Produktmanager Michael Staab

In den kleineren Rahmengrößen (XS, S) auf 27,5“ gestellt, rollen die größeren Vertreter des E-All Mountains (M, L, XL) auf 29“ Reifen über Forststraßen und Trails. Durch diesen Size-Split will man kleinen wie großen Piloten eine konstant gute Fahrqualität bieten. Ein FlipChip zum lustigen Wechseln zwischen den Laufradgrößen ist, anders als bei etlichen Mitbewerbern, hingegen nicht an Bord.
Zweierlei Laufradgrößen bedeuten natürlich auch zweierlei Lenkwinkel (66,3 vs. 67,5°), außerdem klaffen die Stack- und Reach-Werte über alle Rahmengrößen weiter auseinander als gewohnt. Dementsprechend heißt's relativieren, will man u.a. Befunde fürs Fahrgefühl vom 27,5er (unser Testbike kam in Größe S) auf die Twentyniner umlegen.

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Geometrie

  XS S M L (Unisex) XL (Unisex)
Sitzrohrlänge (mm): 420 430 440 480 520
Oberrohrlänge (mm): 565 586 611 635 659
Steurerohrwinkel (°): 66,3 66,3 67,5 67,5 67,5
Sitzrohrwinkel (°): 74 74 74 74 74
Steuerrohrlänge (mm): 95 100 110 125 140
Kettenstrebenlänge (mm): 440 440 440 440 440
Radstand (mm): 1138 1160 1172 1198 1223
Tretlager-Offset (mm): 30 30 30 30 30
Sattelstützenlänge x Travel (mm): 350x100 400x125 450x150 450x150 450x150
Überstandshöhe (mm): 760 764 779 785 788
Stack (mm): 584 588 614 628 641
Reach (mm): 395 415 435 455 475
Vorbaulänge (mm): 50 50 50 60 60
Lenkerbreite (mm): 740 740 760 760 760
Laufradgröße (Zoll): 27,5 27,5 29 29 29

Preislich markiert das getestete Neuron:ON 6.0 die goldenen Mitte zwischen dem Einstieg um € 3.299,- (Modell 5.0) und dem Toplevel um € 4.299,- (Modell 7.0). Hierfür bekommt man einen 6061 Alu-Rahmen mit komplettem Fox-Fahrwerk (34 Rhythmn Gabel/Float DPS Performance Dämpfer), Shimano SLX 11-fach Schaltung mit XT-Schaltwerk, stabile Alexrims/Deore-Laufräder mit 30 mm Innenbreite und eine 2,6“ breite Schwalbe Reifen-Paarung (vo. Hans Dampf, hi. Nobby Nic) sowie Shimano Deore-Bremsen mit jeweils 180 mm Disc-Durchmesser. Außerdem einen Shimano Steps E8000 Motor mit drei Unterstützungsstufen und maximal 70 Nm Drehmoment, der von einem 504 Wh-Akku gespeist wird.
Frauenspezifisch sind an dem WMN-Rad lediglich die Kontaktpunkte, sprich: Sattel und Cockpit. Bei den Rahmen gibt es, außer geringfügig abweichender Farbkombis, keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Auch der größenabhängige Size-Split der Laufräder zieht sich durch die gesamte Palette – allerdings sind von den WMN-Varianten keine Large- bzw. X-Large Rahmen zu haben.

Tech Specs

Rahmen: 6061 Aluminium, 130 mm Kette: Shimano CN-HG901 11-f
Größen: XS, S, M (Unisex zusätzlich L, XL) Kettenführung:  Canyon Chain Catcher, EP0752
Gabel: Fox 34 Rhythm GRIP, 130 mm Kurbel: Shimano E8000
Dämpfer: Fox Float DPS Performance Sattelstütze: Iridium Dropper, 125 mm
Motor: Shimano Steps E8010 Sattel: Canyon SD:ON WMN
Akku: Lithium-Ionen, 504 Wh Griffe: Canyon Bracelets
Steuerungseinheit: Shimano Steps E7000 Lenker: Race Face Ride Riserbar, 740 mm
Schalthebel: Shimano SLX M7000, 11-f Vorbau: Race Face Ride
Schaltwerk: Shimano Deore XT M8000 GS Felgen: Alexrims EM30
Kassette: Shimano SLX M7000 11-f, 11-46 Z. Naben: Shimano Deore
Kettenblätter: Shimano, 34 Z. Reifen: Schwalbe Hans Dampf/Nobby Nic 2,6"
Kette: Shimano CN-HG901 11-f Gewicht: 22,3 kg
Kettenführung:   Preis: € 3.799,-
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Ausgepackt

Herzstück des Neuron:ON ist Shimanos erfolgreicher Steps E8000 Antrieb. Die kompakte Bauweise dieses Motors lässt den Ingenieuren viel Gestaltungsraum hinsichtlich Geometrie und Kinematik. Canyon hat sich für einen Viergelenker mit parallel zum Oberrohr liegendem Dämpfer entschieden, dessen Wirken im Sinne des Komforts und stressbefreiten Toureneinsatzes betont linear sein soll.
Was die Abmessungen betrifft, fällt das Neuron:ON eher auf die komfortable Seite und kratzt mit 415 mm Reach in Größe Small am kompakten Ende des Spektrums. Darüber hinaus schnürten die Entwickler aus den Shimano-gegebenen Vorteilen (z.B. geringes Gewicht, niedriger Q-Faktor, gewohnte Kettenstrebenlänge möglich) ein gefälliges Gesamtpaket mit gelungen abgestimmten Längen, Winkeln und Maßen – auch in Sachen Gewicht, das mit 22,3 kg nicht nur exakt die Herstellerangabe bestätigt, sondern für diese Preisklasse und Bestückung auch total in Ordnung geht.

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Durch das semi-integrierte Design des Rahmens ist der Akku rasch ein- und ausgebaut (geladen werden kann er aber auch direkt am Rad). An einem für 2019 gänzlich neu entwickelten E-MTB wirkt eine sichtbare Batterie dennoch eher altbacken. Der Trend geht hier ja trotz des Mehrgewichts eindeutig zur Komplettintegration.
Davon abgesehen, erntet das WMN 6.0 beim obligatorischen Schaulaufen im Fotostudio durchaus wohlwollende Blicke für seinen kantig-selbstbewussten Auftritt, die zweifärbige Lackierung mit schönem Verlauf von Mattschwarz zu Mattrot und Details à la Sideloader-Flaschenhalter (funktioniert einwandfrei – allerdings nur mit 0,5 l-Flasche), Kettenführung, Mudguard oder USB-Buchse. Dieses nette Gimmick am Oberror ließe sich zwar formschöner gestalten und eleganter einfügen. Trotzdem ist es grundsätzlich schlau und fein, das Smartphone oder GPS-Gerät im Toureneinsatz via Shimano-Akku laden oder eine Lampe mit Strom versorgen zu können (wichtig hierfür: „Licht ein“ im Steps-Menü anwählen!).
Den robusten Eindruck verstärken die Abdeckplatten fürs Steps-Gehäuse und die massiven Schutzvorrichtungen an Kettenstreben und Unterrohr.

Aufgesessen

Die Jungfernfahrt verlief ungewöhnlich entspannt. Wiewohl die Luftdrücke hierfür nur grob hingeschätzt waren und außer der Sattelstütze nichts exakt eingestellt wurde, machte sich sofort ein Gefühl des Heimkommens breit. Es dürfte wohl daran liegen, dass die Geometrie des Neuron:ON nicht ganz so progressiv daherkommt wie bei den vorangegangenen Testbikes, mithin dem privaten Touren-Fully Baujahr 2014 ähnelt.
Auch die Orientierung am Cockpit war rasch hergestellt: links zwei von der Di2 bekannte Firebolt-Shifter zum Regeln des Motors sowie der Remote für die Dropper Post, rechts zwei weitere Hebel zum Wechseln der elf Gänge – sehr intuitiv, das alles; und mittig das Display, das über Motorstufe, Batteriezustand & Co. informiert.

So sehr sich Letzteres Lorbeeren fürs klare, kompakte Design, den gut lesbaren und minimalistisch-übersichtlichen Bildschirm sowie die einfache Menüführung verdient, so gerne würden wir sein fummeliges Bedienknöpfen von der Unter- an die Außenseite der Steuerungseinheit verfrachten, um den Weg vom/zum Griff ein wenig zu verkürzen.
Und sollte auch die linke Hand einen Wunsch frei haben, sie würde für eine Sattelstützen-Lenkerfernbedienung mit leichtgängigem „Kugelschreiberprinzip“ plädieren. Kleinen Frauenhänden verlangt das montierte Modell nämlich einen zu weit abgespreitzten Daumen ab, um den Lenker noch fest umschließen zu können. Aber wollen wir mal nicht pingelig sein ...

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Schon über die ersten Gehsteigkanten und erst recht dann über Stock und Stein machte sich das für angenehm satten Bodenkontakt sorgende Fahrwerk bemerkbar. Bergauf wie bergab zeigte sich das Handling von Anfang an sehr ausgewogen und lag das Rad wohltuend ruhig in der Hand, ohne träge zu wirken.
Freilich hatten wir uns mit fünf Zentimetern Neuschnee auf haufenweise darunterliegendem Blattwerk und nassen Wurzeln denkbar schwere Bedingungen für Motor und Gummi ausgesucht. Mehr als einmal ging's beim Erstkontakt somit eher schlitternd um Kurven bzw. mit letztlich durchdrehenden Reifen bergauf – gut beleumundete Schwalbe Reifen hin, hochgelobter Steps-Motor her.

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Abgefahren

Aber es kamen trockenere Tage und irgendwann auch wärmere, und je mehr der rund um Wien stets garstige Winterwind einem lauen Frühlingslüftchen wich, desto lieber sattelten wir das Neuron:ON, um auf unseren Haustrails nach dem Rechten zu sehen. Manch weiter entfernten Spot nahmen wir, Stichwort Reichweite, Kraft- und Zeitersparnis, dabei deutlich früher unter die Räder als normal. Und ansonsten gefürchtete Stolpersteine für die noch darbende Kondition verloren dank Motor komplett ihren Schrecken bzw. machten sogar auf ganz neue Weise Spaß. Hier die gesammelten Befunde unserer Testrides:

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Die Sitzposition blieb, zumal nach erfolgtem Feintuning von Sattelposition und Cockpit, so leiwand wie am ersten Tag. Man nimmt entspannt und zentral Platz, sitzt aber noch nicht so aufrecht, dass kein Vorankommen mehr möglich scheint.
In flotten Kurven Druck aufs Vorderrad zu geben fällt ebenso leicht wie das Bike über kleine Stufen oder Hindernisse zu lupfen. Beherzter Wiegetritt oder zügiges Dahinpowern im Sitzen - beide Anliegen unterstützt die Geometrie exzellent. Bergab regiert die Übersicht und herrscht hohes Sicherheitsempfinden, bergauf bleibt dennoch erstaunlich viel möglich. Summa summarum sammelt das Neuron:ON mit - fallweise sogar noch flacher wirkendem - 66,3° Lenkwinkel, 440 mm langen Kettenstreben und 1.160 mm Radstand fleißig scheinbar widersprüchliche Pluspunkte hinsichtlich Laufruhe, Kletterfreudigkeit und Agilität.
Hochsensibles Reaktionswunder wird ein 22-Kilo-Bomber natürlich nie werden. Insgesamt ist es aber doch erstaunlich, wie spaßig sich dieses E-MTB fährt und wie neutral sein Handling ausfällt - bis hin zu kurzen Intermezzi in der Luft.

Auch das Fahrwerk hinterlässt einen durchaus positiven Eindruck. Das Heck werkt sensibel und liefert viel Traktion und Komfort, ohne das Neuron:ON zum Hutschpferd zu machen. Den Federweg nützt man aufgrund der linearen Abstimmung gut und gerne aus. Härtere Gangarten bringen den Hinterbau aber natürlich an seine Grenzen, speziell bei Sprüngen schlägt der Dämpfer durch. Wer's braucht, kann sich hier mit dem beim Float DPS Performance-Federbein recht einfachen Dämpfertuning helfen - oder gleich zum größeren Bruder Spectral:ON greifen.
Ähnlich der Befund an der Front: Die Fox 34 Rhythm liefert brav und zuverlässig und passt in ihrer Charakteristik gut zum Hinterteil. Wer vorne nur ungern tief abtaucht, ist gut beraten, die Kompression um rund ein Drittel zuzudrehen. Für echtes Tuning Richtung Abfahrts-Performance ist dem Modell mittels Volumenspacern recht easy beizukommen.

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Unter Strom

Aber eigentlich fahren wir hier ja ein E-Bike, alles außer Akku und Motor ist insofern primär, wie Hans Krankl sagen würde. Darum hurtig den Hauptakteuren zugewandt. Und hier muss man in aller Kürze feststellen: Der Shimano-Murl hat seine seit der Präsentation 2016 rasant steigende Anhänger-Schar völlig zu Recht.
Ausgeschaltet bzw. über dem Unterstützungslimit von 25 km/h gelegen, pedaliert es sich damit im Vergleich zu anderen Motor-Fabrikaten erfreulich leichtfüßig. Logisch, denn bei einem System, das seine Kraft direkt auf die Kurbel überträgt, entfallen Reibungsverluste durch interne Getriebeeinflüsse.
Sodann decken die drei Unterstützungsmodi Eco, Trail und Boost das Gros der in freier Natur auftretenden Anwendungsbereiche äußerst zufriedenstellend ab.

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Level 1 nivelliert nicht bloß das Mehrgewicht des Systems, sondern hilft bereits mit merklich spürbarem Schub aus, wenn der Boden tief, der Mitfahrer schneller, die Flachpassage beendet oder der Pilot schlichtweg dazu gewillt ist.
Level 3 ist der ultimative Spaßgarant mit Vollgas in allen Lebens- und Geländelagen. Das Fahrgefühl erinnert an einen übermächtigen Begleiter, der permanent mit der Hand am Sattel von hinten anschiebt; und wie bei einer Transalp im Mixed-Team will man den Helfer nicht enttäuschen sondern nimmt die Unterstützung zum Anlass, sich ebenfalls zu pushen, sprich: Ausgerechnet im Boost-Modus erreichten wir am Canyon manch Pulsspitze, einfach, weil sich das Mensch-Maschine-System so lustig aufschaukelt.
Im technischen Geläuf heißt's auf der höchsten Stufe mitunter sogar aufpassen, dass die eigene Reaktionszeit nicht dem Speed hinterherhinkt und man mit Ästen, Steinen, Bäumen oder sonstigen Hindernissen kollidiert. Ist Feingefühl gefragt, liegt man mit dem Boost-Modus also definitiv falsch.

 Im Boost-Modus über die Trails zu brettern ist wie Video-Schauen im Schnelldurchlauf  

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Dazwischen liefert der Trail-Modus deutlich dosiertere und von der Software auf die Leistung des Fahrers abgestimmte Power, die ein recht natürliches Tretgefühl ergibt und speziell auf Lastwechsel flott und souverän reagiert. Auf dieser Stufe gelingt deshalb auch das Überfahren von Wurzeln bergauf, Anfahren im steilen Gelände oder Durchfahren von Serpentinen fast wie mit einem stromlosen Bike - nur konditionell und kraftmäßig anspruchsloser.
Einzig bei wirklich hohem Drehmoment steigt die Front unter dem Punch des Motors. Kommt zusätzlich nasses Wurzelwerk ins Spiel, dreht auch das Hinterrad gern durch.

Detailansicht

Uns erschien die werkseitig eingestellte Unterstützung auf Level 2, verglichen mit den anderen beiden Modi, anfangs etwas schwachbrüstig. Die Power von Eco und Trail wirkten relativ nah beisammen, der Sprung zu Boost war eklatant. In solchen Fällen schlägt die Stunde der Shimano E-Tube Software. Adäquat kommunizierendes Endgeräte (Bluetooth LE) vorausgesetzt, gestattet sie es, die Motorcharakteristik via App den individuellen Bedürfnissen anzupassen und beispielsweise den Rums der zweiten Stufe etwas anzuheben (Eco runterzupegeln ist nicht möglich).

Was unserer Ansicht nach nicht ganz zu Ende gedacht wurde, ist der Walk-Modus. Dieser liefert seine Unterstützung von kaum spürbar bis max. 6 km/h nämlich abhängig vom zuletzt gewählten Gang. Wird's am Ende aller Fahrtechnik oder Physik bergauf zum Schieben, ist das naturgemäß ein kleiner, wenn nicht der kleinste. Entsprechend gering, z.B. heiße 0,3 km/h, ist dann das Tempo. Dass beim Schieben durch unfahrbares Gelände außerdem eigentlich zwei Hände fest am Lenker (und nicht eine an der Schiebehilfe) hilfreich wären, steht auf einem andern Blatt - gesetzlich ist ein permanenter Gasknopf ja verboten.
Darüber hinaus hatten wir einmal unsere liebe Not mit dem Fehler Nr. 13. Der passiert, wenn der Drehmomentsensor nicht korrekt hochgefahren wurde, und hat eine geringere bis keine Tretunterstützung zur Folge. Das System nochmal (oder mehrmals ...) aus- und einzuschalten kann helfen, präventiv ist es ratsam, es tunlichst nur im Stillstand, mit den Füßen weit weg von den Pedalen, hochzufahren.

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Das Ganze und seine Teile

Um abschließend noch ein wenig durch den Komponentenmix zu cruisen: Als interessante Entdeckung hat sich Canyons eigens für den E-Bike Einsatz konzipierter Sattel erwiesen. Mit breiter Nase und Absenkung im Schambereich macht er das Sitzen recht komfortabel - anzunehmenderweise auch für das angeblich starke Geschlecht in der ebenfalls erhältlichen Männer-Version. Und sein "Heckspoiler" hilft in Steilpassagen mit viel Motorunterstützung tatsächlich, fest im Sattel zu bleiben und den von hinten kommenden Schub voll mitzunehmen.

Als echte Fehlbesetzung entpuppten sich im Gegensatz dazu die Deore Stopper. Abgesehen davon, dass wir ein E-MTB für den Trail-Einsatz ganz grundsätzlich eher mit einer Vier- als Zweikolben-Bremse ausstatten würden, sind 180er-Scheiben einfach unterdimensioniert. Wenn diese schon bei 60-Kilo-Flöhen im nicht gerade für massig Höhenmeter am Stück bekannten Wienerwald wortwörtlich abstinken - was passiert dann erst bei Fahrergewichten jenseits der 80 Kilogramm oder im alpinen Gelände auf langen Abfahrten?
Leise Kritik müssen sich auch die Schwalbe-Reifen gefallen lassen. Zwar liefert die Kombination aus Hans Dampf vorne und Nobby Nic hinten viel Grip und Traktion im Trockenen und helfen im Feuchten bzw. Schnee auch die 2,6 Zoll, die Spur zu halten. Für nasse Wurzeln oder glitschige Steine ist die Gummimischung aber etwas zu hart, was speziell bei den winterlichen Testfahrten zu gelegentlichem Kontrollverlust führte.

Lenkerbreiten sind Geschmackssache. An einem frauenspezifischen Rad werden 740 mm in XS und S trotzdem vermutlich recht häufig auf Zustimmung stoßen. Auch Rise und Biegung des Race Face-Lenkers wussten zu gefallen, Canyons hauseigene Bracelets-Griffe waren angenehm hinsichtlich Durchmesser, Haptik und Oberflächenstruktur.
Die elf Gänge waren ausreichend und der jeweils passende dank präzisen Hebeln und flotten Wechseln rasch eingelegt. Unter Last gab's jedoch öfter eine Art Durchrutschen wie manchmal von verbogenen Schaltaugen provoziert. Die tatsächliche Ursache ließ sich jedoch nicht feststellen.

  • Test: Canyon Neuron:ON WMN 6.0

Fazit

Canyon Neuron:ON WMN 6.0
Modelljahr: 2019
Testdauer: 400 km
Preis: € 3.799,-
+ robuster Rahmen mit schlauen Details
+ spaßiges Handling
+ komfortable Kinematik und Geometrie
+ kraftvoller Motor, individuell einstellbar
+ Trail-Modus
+ Display - Optik, Anzeige, Menüführung
o semi-integrierter Akku
o lineares Fahrwerk
- Bremsen
- fummeliger Display-Bedienknopf
BB-Urteil: Komfortabler Trail-Buddy mit eingebautem Spaß- und Kraft-Garanten.


Ist das Neuron:ON ein vollwertiges Trail- bzw. Tourenbike? Auf jeden Fall, und ein recht lustiges, komfortables, mit vielen sinnvollen Details bestücktes (Mudguard, USB-Buchse, Sideloader, Kettenführung etc.) noch dazu. Schluckfreudiges Mini-Enduro will es aber definitiv keines sein.
Das ideale Terrain für dieses Canyon ist wohl kupiert bis hügelig-steil, kurvig, aber nicht zu eng und gerne auch anspruchsvoll, sofern nicht zu verblockt. Naturbelassene Trails mit Ideallinien-Anspruch sind eher sein Metier als gebaute Brechsandpisten für Steilkurven-Afficionados und Springginkerln, zwischendurch findet es auch Forststraßen-Bolzereien total ok. Und auch, wenn Flow von jedem anders definiert wird: Am Neuron:ON entwickelt er sich tatsächlich auch bergauf.

Vor allem für Letzteres ist natürlich der Shimano-Motor maßgeblich verantwortlich. Bei allen vorgenannten Eigenschaften schaltet sich der Steps E8000 dank kompakter Bauweise, geringem Gewicht, dosiertem Einsetzen (v.a. im Trail-Modus) und vielen positiven Eigenschaften mehr zumindest nicht störend dazwischen.
Das Fahrgefühl bleibt, Boost-Modus ausgenommen, recht natürlich, die richtige Gangwahl bis hinauf zur höchsten Stufe zumindest nicht völlig egal. Und mit der - fallweise nicht komplikationslos koppelnden E-Tube App - kann ja außerdem die Motorcharakteristik nach persönlichem Belieben verändert werden.

Rasch zu ändern sind auch Sattel und Lenker, wodurch das WMN- zum Herren-Modell wird. Nicht allzu groß gewachsene Männer (die WMN-Rahemn enden bei Größe M), die das 6.0 lieber in Rot statt Blau oder Silber hätten, sollten sich durch das Damen-Kürzel also nicht abschrecken lassen.
Unveränderlich hingegen die Tatsache, dass der Akku am Neuron:ON gut sichtbar ist. Wer die Ästhetik einer voll integrierten Batterie bevorzugt, wird bei Canyon 2019 noch nicht fündig.

Um 3.799 Euro ergibt das in Summe ein Gesamtpaket, an dem einzig ein Faktor wirklich zu bemängeln ist: Die Bremsen sind für ein E-Bike im echten Geländeeinsatz zu klein und schwach. Sie limitieren eindeutig die Möglichkeiten des Neuron:ON - und das ausgerechnet an einem Bike, dass laut Canyon helfen soll, Grenzen zu überwinden ...

  • Test: Canyon Neuron:ON WMN 6.0

  • 2 Monate später...

Hast schon jemand das Bike (oder das 5.0) in XS probiert, oder besitzt es?

Laut Canon ist die mögliche Sitzhöhe von 644-724 mm gegenüber dem S Rahmen mit 655-755 mm nur um ganze 11m niedriger einzustellen, was 73cm Schrittlänge erfordert. Außerdem ist da die Überstandshöhe 76cm, das ist doch ein krasses Mißverhältnis?

Die empfohlene Körpergröße beim XS geht von 157-166cm, wir bräuchten das Bike aber für 162cm mit 70cm Schrittlänge.

Da wäre es fein, wenn man das Bike mal irgendwo kurz probieren könnte, ob es nicht doch funktioniert.

Bearbeitet von Rowerek
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