SirDogder Geschrieben 27. August 2007 Teilen Geschrieben 27. August 2007 Wie man einen Bahnhof lahm legt Die Callcenter-Mitarbeiter blieben freundlich und höflich – die derben Worte waren für die ÖBB-Schalterkollegen reserviert Es war am Freitag. Wir wollten auf den Arlberg. Freunde besuchen. Und weil der Arlberg ziemlich günstig auf der Westbahnstrecke steht (auch, wenn das letzte Stück nur Schienenersatzverkehr ist), wollten wir den Nachtzug nehmen: Vier Menschen passen ganz gut in ein Liegewagenabteil. Blöderweise kam A. und mir am Abreisetag was dazwischen. Und der nette Kärntner an der ÖBB-Vorteilscard-Hotline entschuldigte sich namens des Unternehmens 25 Mal (und obwohl sich niemand beschwert hatte), dass man fürs Stornieren einer halben Reservierung am Reisetag Stornogebühr zahlen müsse. Zehn Minuten später rief er mich noch einmal an – er habe leider vergessen zu fragen, ob die zwei verbleibenden Betten nun oben oder unten sein sollten. Der Zug fuhr gegen halb elf am Abend. Aber um – schließlich ist Hauptreisezeit – sicher zu gehen, nicht zu spät zu kommen, machte sich P. gegen 19 Uhr auf, ihre Tickets abzuholen: Weil nach Büroschluss Haupt-Hauptreisezeit ist, standen eine Million Menschen vor den Schaltern. Aber weil es nach Büroschluss ist, war, schätzte P., gerade ein Drittel der Schalter besetzt: Nach 25 Minuten Warten war sie dann aber dran. Schon weg Ihre Tickets, erklärte die Schalterbeamtin, wären weg. Weil ausgedruckt. Ein einziger Sitzplatz sei noch im Computer. Für die Rückfahrt. P. wunderte sich: Außer A. und ihr hatte niemand den Ausgabecode. Die Schalterbeamtin zuckte mit den Schultern: Die Tickets wären ausgedruckt, gälten somit als behoben – alles andere sei nicht ihr Bier. Und, nein, sie könne auch nicht sagen, wann und wo die Kartenausgabe erfolgt sei. P. möge den Schalter frei machen. Genau das tat P. natürlich nicht. Sie rief A. an. A. rief bei der Vorteilscard-Hotline an. Dort verstand man das Problem nicht ("Wieso, sie haben doch eh den Code gesagt, oder?") und sah dann im Computer nach. Bloß: Da die Schalterbeamtin am Westbahnhof die Transaktion bei sich am Bildschirm geöffnet hielt, konnte man sie nicht abfragen. "Können Sie ihre Freundin anrufen – sie soll der Kollegin sagen, dass sie das File zumachen soll." Stille-Bahn-Post Blöderweise hatte P. aber mittlerweile doch andere Fahrgäste vorgelassen. Sie musste warten und dann den Fall noch einmal von Anfang an erklären (das File hatte die Beamtin nicht geschlossen). Und wirklich begeistert war die Dame am Schalter nicht, von den Kollegen im Callcenter über zwei Kundinnen ausgerichtet zu bekommen, was sie tun solle. Im Callcenter schaute man die Datei an und befand: "Alles in Ordnung – wir wissen nicht, wo das Problem ist. Die Tickets sind da, bezahlt und können an jedem Bahnhof gegen den Code ausgedruckt und ausgegeben werden. Das ist ja Sinn dieses Systems." Aber die Dame am Westbahnhof blieb stur: Die Tickets wären für sie ausgedruckt – ein zweites Mal könne, dürfe und würde sie die Fahrscheine nicht hergeben. Und, nein, sie werde auch nicht im Callcenter anrufen. Bedauern Diesmal gab P. den Schalter nicht frei. Sie debattierte. Flehte. Fluchte. Die Hauptreisezeitschlange hinter ihr wurde länger und länger. Irgendwann rief sie A. wieder an – und die fragte die Vorteilscard-Mitarbeiter am Telefon, wie das Spiel weitergehen könne: Schließlich würden hier einem Fahrgast bezahlte Tickets vorenthalten. Die Callcentermenschen – mittlerweile beschäftigte sich dem akustischen Anschein nach die halbe Abteilung mit dem Fall - blieben höflich und entschuldigten sich immer wieder. Im Hintergrund hörte A. aber recht herbe Worte über die ÖBB-Dame in der Kassenhalle fallen. Im Großen und Ganzen war man jedoch ratlos. Doch irgendwann schnappte A. ein gestöhntes "Kann die denn nicht einfach umblättern?" auf – und fragte, was das bedeute. Die Antwort gab sie an P. weiter. Und die riet der Schalterdame – der sie bereits über eine halbe Stunde gegenüber stand – "doch die Bildschirmseite umzublättern." Die Dame tat pikiert, ("Ich bin doch nicht den ersten Tag hier") griff aber Minuten später (P. machte keine Anstalten zu gehen) trotzdem zur Maus: "Ich weiß nicht, was das bringen soll. Umblättern. Das hab ich noch nie gemacht." Menschenschlange Zwei Minuten später hatte P. dann die Tickets in der Hand. Die Menschenschlange hinter ihr, sagte sie, war beträchtlich – und die Schalterbeamtin so sauer, dass P. sich trotz der Sicherheitsglasscheibe nicht traute, zu fragen, ob statt "Da!" nicht eher "Entschuldigung" angebracht gewesen wäre. Nebenbei: Die Fahrt im Zug begann dann pünktlich. Allerdings endete sie nach 200 Metern. Dann hieß es im unklimatisiert-sommerdampfigen Liegewagen eine Stunde ausharren, bis eine neue Lok angekoppelt war. Exakt eine Stunde später, erzählt P., lag die Abteiltemperatur dann unter der 30-Grad-Marke. Aber das ist eine andere Geschichte. _________________________ Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
yellow Geschrieben 27. August 2007 Teilen Geschrieben 27. August 2007 little yellow: ein Mal Schiurlaub am Arlberg per Bahn - NIE WIEDER mit dem Zug irgendwohin (als tagsüber in die Arbeit pendeln, aber keine Reise mehr. Da steh ich ja lieber 3 Stunden vorm Brenner im Stau) Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
hans4073 Geschrieben 27. August 2007 Teilen Geschrieben 27. August 2007 Ja, ja - wer eine Reise tut, der kann was erzählen.... Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
GO EXECUTE Geschrieben 27. August 2007 Teilen Geschrieben 27. August 2007 Ja, ja - wer eine Reise tut, der kann was erzählen.... Wenn er denn überhaupt dazu kommt eine Reise zu tun. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Chris64 Geschrieben 27. August 2007 Teilen Geschrieben 27. August 2007 Sehr gute Geschichte! Zeigt sehr schön, was passieren kann, wenn das Interaction Design in der Software-Entwicklungsphase mangelhaft war oder ganz gefehlt hat. Leider sind solche Fehler in der Software "unsichtbar" und werden kaum beanstandet. Auch werden sie kaum als solche wahrgenommen, da man ja dem Anwender die Schuld geben kann: Der Anwender ist entweder dämlich oder hat bei der Schulung nicht aufgepasst. Dass Software kontraintuitiv programmiert sein kann, wird nicht diskutiert. Tja Interaction Design steckt halt noch in den Kinderschuhen. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Magier Geschrieben 27. August 2007 Teilen Geschrieben 27. August 2007 Dass Software kontraintuitiv programmiert sein kann, wird nicht diskutiert. Tja Interaction Design steckt halt noch in den Kinderschuhen. Serviceorientierung leider auch, wie das Verhalten der Dame am Schalter im Gegensatz zu den offensichtlich gesprächsgeschulten Mitarbeitern am CallCenter zeigt. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Zacki Geschrieben 27. August 2007 Teilen Geschrieben 27. August 2007 wenigstens weiss ich jetzt, warum so dicke Schheiben bei den Schaltern sind, des hat nyx mit der Kassa und dem Geld zu tun http://cosgan.de/images/smilie/boese/n030.gif Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
noc Geschrieben 27. August 2007 Teilen Geschrieben 27. August 2007 was is gemeint mit "die Bildschirmseite umblättern" und wieso hat das das Problem gelöst? Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
short Geschrieben 27. August 2007 Teilen Geschrieben 27. August 2007 wenigstens weiss ich jetzt, warum so dicke Schheiben bei den Schaltern sind, des hat nyx mit der Kassa und dem Geld zu tun http://cosgan.de/images/smilie/boese/n030.gif cooles neues userpic, hr. zack Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Zacki Geschrieben 27. August 2007 Teilen Geschrieben 27. August 2007 cooles neues userpic, hr. zack thx, made by Scotty Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Zacki Geschrieben 27. August 2007 Teilen Geschrieben 27. August 2007 Man kann die ÖBB umstrukturieren soviel man möchte, die Beamtenmentalität (als Gegensatz zu Kundenorientierung) wird da noch Generationen vorherrschen. aber ein Arschloch bleibt doch ein Arschloch, egal, ob Kollektivvertrag oder Beamtendienstrecht Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Shagal Geschrieben 27. August 2007 Teilen Geschrieben 27. August 2007 Eh, das meine ich ja. Die glauben trotz Privatisierungen&Co immer noch, dass die in der geschützten Werkstätte sitzen und der Kunde am Schalter grundsätzlich ein Bittsteller ist. Arbeitet erst mal mit denen zusammen... :f: Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Chris64 Geschrieben 27. August 2007 Teilen Geschrieben 27. August 2007 Serviceorientierung leider auch, wie das Verhalten der Dame am Schalter im Gegensatz zu den offensichtlich gesprächsgeschulten Mitarbeitern am CallCenter zeigt. Sei nicht so streng mit ihr. Sie kommt mir vor wie das Kaninchen vor der Warteschlange... , sie ist total in Panik verfallen. Da muss man halt schon sehr gelassen sein, dass einem das nichts macht, wenn man mit einem Software-Bug zu kämpfen hat und gleichzeitig eine Menge ungehaltener Fahrgäste vor sich hat, ungehalten, was auch ja verständlich ist. Die wenigsten Menschen können in so einer Situation ruhig und vernünftig handeln. Deshalb sind für mich auch die Software-Heinis schuld. Die gehören auf den Mond geschossen... Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
AlphaSL Geschrieben 27. August 2007 Teilen Geschrieben 27. August 2007 Woraus schließt ihr bei dieser Geschichte auf einen Bug im System? Umblättern hört sich bei mir nicht nach Bug an Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
MalcolmX Geschrieben 27. August 2007 Teilen Geschrieben 27. August 2007 ja, war hat das mit dem bug ins rennen geworfen? wollte wohl wieder mal eine session ich find die geschichte auch ziemlich ungeheuerlich, sowas darf einfach ned passieren. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
SirDogder Geschrieben 28. August 2007 Autor Teilen Geschrieben 28. August 2007 Sei nicht so streng mit ihr. Sie kommt mir vor wie das Kaninchen vor der Warteschlange... , sie ist total in Panik verfallen. Da muss man halt schon sehr gelassen sein, dass einem das nichts macht, wenn man mit einem Software-Bug zu kämpfen hat und gleichzeitig eine Menge ungehaltener Fahrgäste vor sich hat, ungehalten, was auch ja verständlich ist. Die wenigsten Menschen können in so einer Situation ruhig und vernünftig handeln. Deshalb sind für mich auch die Software-Heinis schuld. Die gehören auf den Mond geschossen... ES WAR KEIN BUG!!! DIE TUSSI KONNTE EINFACH DIE SOFTWARE NICHT BEDIENEN!!! Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
nestor Geschrieben 28. August 2007 Teilen Geschrieben 28. August 2007 Man kann die ÖBB umstrukturieren soviel man möchte, die Beamtenmentalität (als Gegensatz zu Kundenorientierung) wird da noch Generationen vorherrschen. das fängt ganz oben beim vorstand an liebe leute, da könnte man geschichten erzählen was das für eine partie ist. :s: ... Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
tommy d. p. Geschrieben 28. August 2007 Teilen Geschrieben 28. August 2007 hehe, geniale gschichte. was der sör so immer alles erlebt ..... Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
TomCool Geschrieben 28. August 2007 Teilen Geschrieben 28. August 2007 hehe, geniale gschichte. was der sör so immer alles erlebt ..... Dem Sör ist das GsD nciht passiert, sonst wär die geschichte anders ausgegangen. :D Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
jüdo Geschrieben 28. August 2007 Teilen Geschrieben 28. August 2007 ES WAR KEIN BUG!!! DIE TUSSI KONNTE EINFACH DIE SOFTWARE NICHT BEDIENEN!!! Doch doch ganz eindeutig ein BRAIN BUG aber nicht in der Software sondern in der Hardware! Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
steve4u Geschrieben 28. August 2007 Teilen Geschrieben 28. August 2007 thx, made by Scotty Lässig, drauf schaust aus wia da Ho-Tschi-Minh!! Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Reini68 Geschrieben 28. August 2007 Teilen Geschrieben 28. August 2007 Lässig, drauf schaust aus wia da Ho-Tschi-Minh!! "Ho Chi Minh" (in etwa: "jener, der erleuchtet", "der die Erleuchtung bringt") Der Zacki, der die Erleuchtung bringt. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Zacki Geschrieben 28. August 2007 Teilen Geschrieben 28. August 2007 Wappler Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Nikolei Geschrieben 28. August 2007 Teilen Geschrieben 28. August 2007 Orge Gschicht! Nja, der Zacki hätt der Gurkn beim Schalter sicher auch die Erleuchtung durch die Sicherheitsscheibn bracht :devil: Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Zacki Geschrieben 28. August 2007 Teilen Geschrieben 28. August 2007 Orge Gschicht! Nja, der Zacki hätt der Gurkn beim Schalter sicher auch die Erleuchtung durch die Sicherheitsscheibn bracht :devil: Ja, mein zartes Stimmchen geht scho durch die Lüftungsschlitze durch Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
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