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Canyon Grail:ON CF 8

Canyon Grail:ON CF 8

16.11.20 07:16 17.814Text: Gabriel Waringer
Gabriel Waringer

Name: Gabriel Waringer Alter: 33 Jahre Größe: 183 cm Schrittlänge: ehrliche 843 mm Gewicht: ~ 82kg Fahrstil/ -können: Ein Gravelbike ersetzt (k)ein MTB!

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Fotos: Erwin Haiden
Bikeboard.at verließ auf Canyons elektrifiziertem E-Gravelbike ausgetretene Pfade und machte sich auf die Suche nach dem optimalen Einsatzspektrum.16.11.20 07:16 22.097

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16.11.20 07:16 22.09710 Kommentare Gabriel Waringer
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Name: Gabriel Waringer Alter: 33 Jahre Größe: 183 cm Schrittlänge: ehrliche 843 mm Gewicht: ~ 82kg Fahrstil/ -können: Ein Gravelbike ersetzt (k)ein MTB!

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Erwin Haiden
Bikeboard.at verließ auf Canyons elektrifiziertem E-Gravelbike ausgetretene Pfade und machte sich auf die Suche nach dem optimalen Einsatzspektrum.16.11.20 07:16 22.097

Die Tage werden kürzer, die Nächte wieder frischer. Vorbei der Traum des endlosen Sommers und die morgendlichen Nebelschwaden ziehen wie düstere Vorboten einer Winterdepression durchs Land. In Zeiten wie diesen ist es wichtig, aufs Vitamin B zu schauen, denn B steht bekanntlich für Bike und davon kann man nie genug haben.
Als mir ein Vöglein vom Dach gezwitschert hat, es wäre eine neue Testmaschine (ganz was Geiles!) im Bikeboard Fuhrpark eingetroffen, habe ich natürlich nicht lange gezögert und mich bereitwillig als Laborratte zur Verfügung gestellt. Fast Forward drei Tage später öffnet sich die Heckklappe und ich blicke auf ein Elektro-Gravelbike, ein Canyon Grail:ON. Elektrostimulation gegen Herbsttristesse?  Augen zu und durch.

Eines möchte ich vorab klarstellen: Ich bin kein dezidierter Gegner von E-Bikes. Es gibt ziemlich coole Gefährte, die aus berechtigten Gründen mit einer elektronischen Unterstützung ausgestattet sind. Lastenräder zum Beispiel, wie das Urban Arrow, sind eine tolle Idee. Sie helfen, den Autoverkehr in der Stadt zu reduzieren und bieten eine praktische Lösung für ein reales Problem - wie bringe ich Lasten wie z.B. meine Kinder komfortabel, schnell und vor allem sicher wohin auch immer sie gebracht werden müssen.
Das selbe gilt für Stadträder. Viele von uns können sich das vielleicht nicht vorstellen, aber es gibt Menschen, für die das Radfahren an sich nunmal nicht das Non-Plus-Ultra, das Fahrrad nicht die großartigste Erfindung seit Menschengedenken ist, sondern lediglich eine vernünftige Lösung, um in die Arbeit zu fahren und sich nicht in der U-Bahn anhusten lassen oder jeden Tag eine Stunde im Stau stehend verlieren zu müssen. Ein Alltagsrad, komplett ausgestattet mit Schmutzfängern, Beleuchtung und Gepäckträger - warum soll dort nicht auch noch ein kleiner Elektromotor draufgeschnallt werden? Tut ja niemandem weh.
Bei Sportfahrrädern bleibt mir der Sinn jedoch weitestgehends verborgen - die Argumente aus diversen Marketingbüros (It‘s you, only faster!) ringen mir höchstens ein müdes Lächeln ab. Ja eh, aber nein, danke.

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Let‘s get it ON

So steht nun also ein Elektro-Gravel Bike vor mir. Gravel steht, falls jemand unter den Lesern erst kürzlich aus einem Koma erwacht sein sollte und die letzten Jahre nichts mitbekommen hat, für die „Zukunft des Rennrades“, wie viele behaupten. Andere nennen es New Road oder Allroad.
Aus technischer Sicht bedeutet Graveln das Befahren von Sand- und Schotterstraßen mit einem leicht modifizierten Rennrad. Man könnte auch einfach Cyclocross sagen, aber das ist nicht ganz so hip und außerdem hat man bereits früher versucht, diese Nische zu beleben, was aber nie so wirklich funktioniert hat.

Graveln bis es weh tut

Außerdem steht Gravel für eine Lebenseinstellung: Man pfeift auf rasierte Beine, lässt die ach so heiß geliebten Aero-Trikots (Goodbye, old friend!) im Kasten hängen und sieht alles ein bisschen lockerer. Der auf Instagram vorgelebte Lifestyle wird imitiert, #getoutgetlost gepaart mit Flat White Cappuccino Latte und Flanellhemd. Setz dich aufs Rad, so wie du bist, und fahr' um die Welt.

Oder zumindest bis zum nächsten In-Lokal, denn Abenteuer-Langstrecken gelten an und für sich als schwieriges Terrain für Räder mit Motoren, die bereits nach wenigen Kilometern nach einer Steckdose lechzen. Selbstfindungstrip auf staubigen Landstraßen - von einer Ladestation zur nächsten.

 Setz dich aufs Rad, so wie du bist, und fahr um die Welt - oder zumindest zum nächsten In-Lokal. 

Gravel Vision & Mission
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Holy Grail oder Ritter der Kokosnuss?

Das Canyon Grail:ON wurde auf Basis des vor einigen Jahren präsentierten Gravel Racers Grail konzipiert. Dank des unverkennbaren, polarisierenden Designs des Lenkers ist die Herkunft nicht zu leugnen. Der Reach wurde etwas verkürzt und das Bike wurde ordentlich auf Steroide gesetzt - der Bosch CX Motor der vierten Generation liefert laut Hersteller 85 Nm Drehmoment. Ein Smart mit Benzinmotor erreicht etwa 92 Nm, nur damit man diesen Wert ein bisschen besser einordnen kann.
Um den drehmomentstarken Motor mit ausreichend Energie zu versorgen, haben die IngenieurInnen aus Koblenz einen Akku mit 500 Wattstunden Kapazität verbaut. Dieser ist im Unterrohr eingebettet, kann aber zum Aufladen entnommen werden. Mit einer Akkuladung sind bis zu 120 km Reichweite möglich - alle Achtung.

Kleine Physiknachhilfe: Die Wattstunde (Wh) ist eine Einheit der Arbeit, nicht der Leistung. Eine Wattstunde entspricht der Energie, welches ein System mit der Leistung von einem Watt in einer Stunde aufnimmt, beziehungsweise abgibt. Sagt Wikipedia.

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Technik

Der Bosch CX Motor ist die leistungsstärkste Option im Line-Up des Konzerns, entwickelt für den Einsatz abseits der Straße. Die Unterstützung rangiert je nach ausgewähltem Fahrmodus zwischen 60% und 340%. Somit werden auf Knopfdruck ganz schnell aus 100 Watt an den Pedalen 340 Watt am Hinterrad.

Dieses Extra an Power drückt dafür auch ordentlich auf die Waage. Das Gewicht des mir zur Verfügung gestellten CF 8 liegt laut Hersteller bei 16,7 Kilogramm - immerhin 400 Gramm leichter als das günstigste Downhillbike im Portfolio, das Sender CFR FMD.

Tech Specs

Rahmen Canyon Grail:ON CF, Carbon, Boost Schaltwerk Shimano GRX RX812 GS
Größen 2XS/XS/S/M/L/XL/2XL Kassette Shimano Deore XT M8000 11-42 11s
Antrieb Bosch Performamce CX Gen4 Laufräder Shimano GRX RX810 11s
Batterie Bosch PowerTube, 500 Wh Reifen Schwalbe G-One Bite, 50 mm
Display Bosch Purion Lenkerband Canyon bar-end plug
Gabel Canyon FK0064 CF Disc Sattel Canyon S15 VCLS 2.0 CF
Kurbel FSA CK-702 Gen4 Sattelstütze Canyon S15 VCLS 2.0 CF
Lenker/Vorbau Canyon CP07 Gravelcockpit CF Gewicht 16,7 kg (BB-Messung, Large)
STIs Shimano GRX RX810 11s Preis € 5.299,- UVP

Apropos „CF“ - ein Motor allein macht noch lange kein E-Bike. Hinter dem Kürzel CF versteckt sich beim Koblenzer Versandhaus traditionell ein Rahmen aus Carbon. Hier macht auch das Grail:ON CF keine Ausnahme. Wo es der doch recht wuchtige Antrieb zuließ, gaben die Designer dem Bike fließende Formen mit auf den Weg. Vor allem rund um Sitz- und Oberrohr wirkt das Rad sehr elegant. Das Unterrohr hingegen tut sein Bestes, den 500 Wh PowerTube Akku zu kaschieren. Verleugnen kann es ihn aber nicht.
Trotz des verhältnismäßig niedrigen Gewichts - ein E-Bike mit Bosch Performance CX Motor bleibt auch mit den hier gemessenen 16,7 kg entgegen aller Kritik „leicht“ - setzt Canyon beim Carbonrahmen teils auf bis zu 4 mm Wandstärke; laut Entwickler mehr, als an ausgewachsenen Downhillern üblich. Damit will man in Koblenz den geänderten Anforderungen des neuen Sektors gerecht werden. Schließlich fällt so ein E-Gravel ja vielleicht auch mal um …
Ein Novum, zumindest am Rennrad/Gravel-Sektor, sind auch die hinteren Ausfallenden. Denn während die Gabel für 12 x 100 mm Steckachsen ausgelegt ist, dreht sich am Heck alles um den MTB-Boost-Standard 12 x 148 mm. Wer seinem Grail einen zweiten Laufradsatz spendieren möchte, muss hier Vorsicht walten lassen.

Doch nicht nur der Rahmen stammt aus den Federn der Canyon-Entwickler. Auch der aus dem Grail bekannte Doppeldecker Carbon-Lenker mit eingearbeiteten Flex-Zonen im „Oberstock“, sowie die federnde S15 VCLS 2.0 Stütze kommen direkt aus den Koblenzer Entwicklungsbüros. Um hier nun keine Gerüchte zu schüren: laminiert und gebacken werden Rahmen wie Anbauteile selbstverständlich in Fernost.
Unser Testmodell, das Grail:ON CF 8 markiert mit 5.299 Euro die goldene Mitte der Familie der Strom-Gravler. Dafür gibt es sechs Jahre Garantie, und eine Selektion an zuverlässigen Shimano Komponenten. Ein GRX RX812 Schaltwerk drückt die Kette über eine XT M8000 11-fach Kassette mit 11-42 Zähnen. Die GRX RX810 Schalt-/Bremshebel verwalten Gangwahl und Bremserei. 160 mm Discs sind dabei Standard, bei Bedarf sind Rahmen wie Gabel aber auch für 180 mm Scheiben freigegeben. Einzig die Kurbel stammt nicht aus dem Shimano Baukasten. Stattdessen dreht sich eine FSA CK-702 Gen4 um den Bosch Motor.
Für die gesamte Produktpalette setzt Canyon auf - den E-Bike-Ansprüchen gewachsene - DT Swiss Laufräder der HG-Serie mit verstärkten Boost Naben samt Edelstahlspeichen. Im Falle unseres Testmodells waren es die HG 1800 Spline. Darauf montiert Canyon voluminöse Schwalbe G-One Bite Reifen mit 50 mm Breite. Und die Motorsteuerung, die übernimmt Boschs schlichte Kommandozentrale Purion.

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Geometrie

Für ein kleines Plus an Laufruhe gegenüber dem motorlosen Grail wurde der Radstand um etwa 20 mm verlängert. Gut 15 mm davon entfallen auf längere Sitzstreben. Dies erlaubt, nebst Platz für den Motor, eine größere Reifenfreiheit von 50 mm - Luft für Schutzbleche mit eingerechnet. Die serienmäßigen Schwalbe G-One Bite Reifen sind somit auch um 10 mm breiter als am unmotorisierten Bruder.
Ob des breiteren Q-Faktors des Motors wurde der Hinterbau aufs MTB-Boost-Maß aufgeblasen. So bleibt die Kettenlinie günstig. Wie von anderen Rädern bekannt, kommen die großen Größen auf 700c, die kleinen Rahmenhöhen (2XS bis S) auf kompakten 650b Laufrädern aus dem Karton. Entsprechend variieren auch die Kettenstreben zwischen 425 mm an den kleinen und 440 mm an den großen Rahmenhöhen.

Geometrie

2XS XS S M L XL 2XL
Sitzrohrlänge 432 mm 462 mm 492 mm 522 mm 552 mm 582 mm 612 mm
Oberrohrlänge 544 mm 561 mm 569 mm 577 mm 585 mm 610 mm 620 mm
Steuerrohrlänge 110 mm 119 mm 137 mm 122 mm 143 mm 166 mm 189 mm
Lenkwinkel 70° 70,75° 70,75° 71,5° 71,75° 72° 72,25°
Sitzwinkel 73,5° 73,5° 73,5° 73,5° 73,5° 73,5° 73,5°
Kettenstrebenlänge 425 mm 425 mm 425 mm 440 mm 440 mm 440 mm 440 mm
Radstand 1.023 mm 1.034 mm 1.043 mm 1.053 mm 1.059 mm 1.082 mm 1.090 mm
Stack 512 mm 524 mm 541 mm 561 mm 582 mm 605 mm 628 mm
Reach 392 mm 406 mm 409 mm 411 mm 413 mm 431 mm 434 mm
Tretlagerabsenkung 61 mm 61 mm 61 mm 75 mm 75 mm 75 mm 75 mm

Als Gegengewicht zum verlängerten Radstand holen sich die Ingenieure Inspiration aus dem MTB-Bereich: So kommt das Grail:ON CF mit kurzen Vorbauten und breiteren Lenkern (75 mm Länge und 440 mm Breite in Größe M). Im Vergleich zum Grail hat das E-Gravel auch einen erhöhten Stack to Reach. Rücken und Schultern werden durch die entspanntere Sitzposition entlastet, es sitzt sich schlichtweg aufrechter.
Ebenfalls dem Komfort zuträglich ist nicht nur der speziell nachgiebige, zweistöckige Lenker, sondern auch die VCLS 2.0 Federblatt-Stütze.

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25 km/h Schnitt Garantie

Um der Sportlichkeit dieses Allroad-SUVs auf den Zahn zu fühlen, tauchte ich damit spontan bei einer gemeinsamen Rennradausfahrt unter Freunden auf. Die Reaktionen der Mitstreiter fielen erwartungsgemäß aus; ich hatte aber ohnehin damit gerechnet, wegen meines Juxes aufs Korn genommen zu werden.

Zwar liefen die vorsorglich auf 4,5 bar aufgepumpten Schwalbe G-One in 50 mm auf Asphalt überraschend passabel, aber als echte Offenbarung konnte man das insgesamt eher träge Fahrgefühl nicht bezeichnen. Denn ohne Motorunterstützung (oberhalb von 25 km/h) stemmten sich einem die knapp 17 kg beim Beschleunigen spürbar entgegen. Sobald der Zirkus dann aber rollte, rollte er wirklich, und so waren bei vorausschauender, runder Fahrweise rennradtypische 30+ km/h in der Ebene kein Problem - wenngleich der sehr kurze Rahmen sowie die unzureichenden Anpassungsmöglichkeiten von Vorbau und Lenker eine vernünftige Position - für diesen zugegebenermaßen sportlichen Einsatz - etwas erschwerten.

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Als wir die Ebene hinter uns ließen und einen längeren Anstieg von rund drei Prozent raufballerten, lösten sich meine Ergonomieprobleme schnell in Luft auf und ich wurde erneut an das Gewicht erinnert. Steigungen, die ich für gewöhnlich mit dem Rennrad problemlos bei flotter Gangart bezwingen konnte, waren mit dem blauen Blitz jenseits der 25 km/h Mauer alles andere als lustig. Die Strecke von Klosterneuburg über Weidlingbach nach Steinriegl fühlte sich noch nie so lang und hart an.

Bergab gefiel das Grail:ON dafür wieder sehr gut. So verrichteten die Shimano Bremsen sowie überhaupt die gesamte GRX-Ausstattung, die steifen DT Swiss Laufräder und die superbreiten Schwalbe Pneus hervorragende Dienste. Auf asphaltierten Wegen lag das Grail:ON sehr satt auf der Straße und ließ sich - trotz seines hohen Gewichts - erstaunlich agil und fast schon spritzig bewegen, Schwerkraft sei dank.

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Der einzige Vorteil, den ich bei unserem Ausscheidungs-Groupride hatte, lag in den steileren Bergaufpassagen, die ich aus eigener Kraft niemals mit 25 km/h fahren hätte können. Fast hätte ich es geschafft, Dshizee Brankovic den Tulbinger Kogel hinauf zu zerstören. Aber eben nur fast, denn erstens hatte ich (respektive das Grail:ON) seinen Meister in ihm gefunden, und selbst wenn ich schneller gewesen wäre, hätte es nicht gezählt. Eine Lose-Lose-Situation also.

Die wahre Stärke des Grail:ON liegt also definitiv (bzw. logischerweise) beim artgerechten Gravel- oder Commuting-Einsatz. Auf normalen Sand- und Schotterstraßen sowie Waldwegen gefällt das Elektro-Gravelbike mit seiner Laufruhe, ausreichend hohem Komfort und guter Traktion sowie der entspannten Oberlenkerhaltung.
Bei gemäßigter Gangart entschärft die Motorunterstützung jedwede Steigung unabhängig vom Gradient und macht in der Stadt das Stop-and-Go an den Ampeln zu einer unfassbaren Machtdemonstration, ohne dabei ins Schwitzen zu geraten - stets begleitet vom deutlich wahrnehmbaren Surren des kräftigen Bosch Motors. Die Geräuschkulisse ist aber kein echtes Handicap und schon gar kein Showstopper, wenngleich ich es persönlich nicht besonders stimmig finde, als relativ sportlicher Mensch auf einem E-Gravelbike durch den Wald zu surren.

Im harten Geländeeinsatz vermochte das Grail:ON nicht zu überzeugen, denn seine doch recht steife Front nahm meine Hände sowie den ganzen Oberkörper auf ruppigen Passagen ziemlich mit. Hingegen funktionierte auch dort die gespaltene Sattelstütze erstaunlich gut.

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Lob und Kritik

Mir gefiel das Rahmendesign des originalen Grail damals wie heute sehr gut; auch die elektrifizierte Tante macht mit der eigenwilligen Optik einen recht schlanken Fuß.
Das Purion Display wirkt dafür etwas verloren am Lenker - die gewählte Position macht zwar viel Sinn, denn so sind die großzügig dimensionierten Knöpfe zur Steuerung während der Fahrt selbst mit Handschuhen gut zu bedienen. Allerdings hätte das Cockpit durchaus eine schlichtere, besser integrierte Lösung vertragen können - vielleicht die Steuerelemente vom Display losgelöst in Form von Satellite Shifters oder ähnlichem? Vermutlich bastelt man bei Bosch bereits an selbigen - wäre sicherlich nicht verkehrt, denn die MTB-typischen Displays wirken am Rennlenker deplaziert. Auch wären innenliegende Züge, bei vielen Rennrädern bereits State of the Art, am E-Gravel ein echter Hingucker.

Der Lenker bietet außer viel Optik leider wenig Einstellungsmöglichkeiten zur individuellen Anpassung. Wer Wert auf Flexibilität legt, wird mit dem Koloss aus Carbon nicht glücklich werden. Dafür ist der Lenker aber ziemlich steif, so wie das gesamte Rad eigentlich auch - nicht einmal der massive Motor schafft es, das Tretlager in Verlegenheit zu bringen.

Praktischerweise dient das voluminöse Unterrohr gleichzeitig als ziemlich zuverlässiger Spritzschutz, auch die Kunststoffteile, die den Akku schützen, fungieren als akzeptabler Schutz vor Steinschlag.
Ich hätte es cool gefunden, wenn es am Rad ein verstecktes, fix verbautes Licht gäbe - entweder in der Sattelstütze oder den Streben hinten, oder in einem der zwei Lenker nach vorne, dann müsste man nicht mal mehr daran denken, die Lichter einzupacken, wenn man früh morgens in die Arbeit fährt.

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Einsatzbereich

Eignung Eigenschaften
Poser Schnell mal Avocado Toast snakken im Szenebezirk, Wheelies optional.
Commuter Pendlerfahrzeug, bitte mit Licht und Schutzblech.
Racer Auf Strava endlich einen E-Bike KOM holen!
Cheater Auf Strava endlich mal irgendeinen KOM holen!
Eliminator Bergflöhe am Rennrad versägen (macht Spaß, ist aber keine langfristige Lösung)
Crusher Ab in den Bikepark
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Fazit

Canyon Grail:ON CF8
Modelljahr: 2020
Testdauer: 2 Monate
Preis: € 5.299,- UVP
+ Kräftiger Motor
+ Feine Motorsteuerung
+ Shimano GRX funktioniert wie erwartet sehr gut
+ Draufsetzen und losfahren, keine Eingewöhnungsphase
- Ein Schaf im Wolfspelz
- Nicht integrierte Züge und Leitungen bei einem Poserbike gehen nicht
BB-Urteil: Ein SUV-Coupé Roadster mit Fetzendach - wenn das „Warum?“ dem „Warum nicht?“ weicht.

Ein bisschen hiervon, ein bisschen davon. Canyon verpasst seinem Gravelbike einen überstarken MTB-Motor und beglückt uns mit einer Maschine, die sich für unterschiedlichste Einsatzzwecke von Graveln, über Trekking bis hin zum Commuting eignen könnte. Die Betonung liegt hierbei auf "könnte", denn ich persönlich habe mich auf den meisten Gravel-Passagen, wo sich das Grail:ON zu Hause fühlte, schnell gelangweilt, und dort, wo ich Spaß hatte, war das Rad heillos überfordert.

Meine Erfahrungen mit dem Rad legen nahe, was ich von Anfang an vermutet habe: das Grail:ON ist ein Commuter für Leute, die eigentlich kein E-Bike aus imagetechnischen Gründen haben wollen, aber es doch ganz praktisch fänden. In der Stadt fühlt sich das Rad zu Hause; es ist, als wäre es für den täglichen Weg ins Büro wie geschaffen. Und falls das Wetter mal nicht so toll sein sollte, gibt's von Canyon gesondert designte Schutzbleche. Den Sexappeal, den das Precede:ON oder Commuter:ON vermissen ließen, hofft Canyon mit dem Grail:ON wiedergefunden zu haben. Und es passt auch sicherlich für viele, die ein Gravel-/Trekkingbike mit leistungsstarkem Motor, relativ niedrigem Gewicht und (dem Anschein von überlegener) Offroad-Tauglichkeit haben möchten.

Wer seinen Weg in die Arbeit mehr instagrammable machen und morgens einen schnellen Abstecher durch den Augarten in seine Routine einbauen möchte, wird im Grail:ON einen ausgezeichneten Begleiter finden.

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Der Lenker ist ziemlich OK. Die Flex Zone oben bietet mehr Komfort als ein herkömmlicher Lenker - wird zumindest so kommuniziert. Anpassungstechnisch halt bisschen mager, da one piece Carbon Teil. Gewicht sicherlich irgendwo jenseits, aber auch bissi wurscht bei dem Bike. Im Unterlenker fährt er sich wirklich leiwand, auch mit der zusätzlichen "Daumenablage", allerdingst möchte ich beim Sturz lieber meine Finger woanders haben.
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Die Frage wurde möglicherweise zum Grail schon öfter gestellt, dennoch hier konkret an den Tester (und andere Nutzer): bietet dieser (aus meiner ganz persönlichen Sicht immer noch sauschiache) Lenker einen nennenswerten Komfortgewinn auch, wenn man auf den Ergos greift oder nur am Oberlenker?. Denn auf letzterem fährst du auf all den Fotos auch nur ein einziges Mal in der FuZo.
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Die Frage wurde möglicherweise zum Grail schon öfter gestellt, dennoch hier konkret an den Tester (und andere Nutzer): bietet dieser (aus meiner ganz persönlichen Sicht immer noch sauschiache) Lenker einen nennenswerten Komfortgewinn auch, wenn man auf den Ergos greift oder nur am Oberlenker?. Denn auf letzterem fährst du auf all den Fotos auch nur ein einziges Mal in der FuZo.

 

er bringt einiges mehr am oberlenker - u da eher innen - an den hoods spürt man es weit weniger, aber es ist auch da spürbar. dennoch „muss“ der lenker nicht sein, aber wenn es ein grail sein soll, muss man ihn nehmen u schlechter als andere ist sicher nicht, anders aber sicher ;)

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Also ich erlebe die Dämpfung als sehr gut und greife auf groben Untergründen bewusst oben und zur Mitte..., die Optik ist eben genau so und irgendwie Teil der Marke "Grail CF".

 

PS. Am Aero Cockpit des Straßenrenners ist die Anpassung der Höhe möglich, mehr auch nicht.

Bearbeitet von Mini73

Tippfehler
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Also ich erlebe die Dämpfung als sehr gut und greife auf groben Untergründen bewusst oben und zur Mitte..., die Optik ist eben genau so und irgendwie Teil der Marke "Grail CF".

 

PS. Am Aero Cockpit des Straßenrennen ist die Anpassung der Höhe möglich, mehr auch nicht.

 

Danke für die Antwort, auch an Reini.

Dass der Lenker polarisieren würde, war Canyon sicher klar aber ich find so mutige Designentscheidungen grundätzlich ich voll ok. In dem Fall is es halt nicht meins.

Zur (fehlenden) Anpassung hab ich eigentlich nix geschrieben, aber stimmt.

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