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Rocky Mountain Altitude Powerplay Carbon 70 im Test

Rocky Mountain Altitude Powerplay Carbon 70 im Test

29.04.22 07:04 3.827Text: Ronald Kalchhauser
Ronald Kalchhauser
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Fotos: Ralf Hauser (Action), Erwin Haiden (Studio)
Rocky Mountain stellte mit dem Altitude Powerplay ein Freeride E-Bike vor, das dank der Überarbeitung des hauseigenen Motors und seiner abfahrtsorientierten Geometrie einen eindeutigen "Willhaben”-Effekt beim Redakteur auslöste.29.04.22 07:04 3.930

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29.04.22 07:04 3.9302 Kommentare Ronald Kalchhauser
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Ralf Hauser (Action), Erwin Haiden (Studio)
Rocky Mountain stellte mit dem Altitude Powerplay ein Freeride E-Bike vor, das dank der Überarbeitung des hauseigenen Motors und seiner abfahrtsorientierten Geometrie einen eindeutigen "Willhaben”-Effekt beim Redakteur auslöste.29.04.22 07:04 3.930

Der Name Rocky Mountain löst unweigerlich Emotionen aus. Freeride-Pioniere wie Richie Schley und Wade Simmons bleiben wohl für immer mit der Kultmarke aus Kanada assoziiert. Allerdings hat sich viel getan seit der Zeit der ersten Fullys, und mit der jüngsten Generation des Altitude Powerplay wird nun die Freeride-Fraktion unter den E-Bikern angesprochen.

 108 Nm Drehmoment 

Dem Altitude Powerplay C70 mangelt es im wahrsten Sinne des Wortes nicht an Power.
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Rahmen

Auf den ersten Blick wirkt die Integration des Akkus und Motors in den Hauptrahmen aus formschönem Carbon sehr gelungen. Der Akku ist trotz seiner beachtlichen Stärke von 720 Wh äußerst flach. Somit macht das Unterrohr, verglichen mit vielen anderen E-Bikes, einen sehr schlanken Eindruck.
Auch der eigens von Rocky Mountain hergestellte Dyname Motor ist fein integriert und es bleibt im Rahmendreieck noch genug Platz für entweder eine große Trinkflasche oder einen extra Akku mit 314 Wh, welcher dem Bike als sogenanntes Overtimepack zu noch mehr Reichweite verhelfen kann.

Anders als der Hauptrahmen, besteht der Hinterbau aus Aluminium. Konkret handelt es sich bei der Konstruktion um einen Viergelenker mit Horst Link und Idler Pulley, welches den Pedalrückschlag eliminiert und ein gutes Ansprechverhalten beim Überrollen von Hindernissen garantiert.

Das Eigengewicht des E-Bikes wird von Rocky Mountain mit 23,54 kg angegeben, unsere Digitalwaage zeigte ohne Pedale allerdings exakt ein Kilogramm mehr an, also 24,54 kg.
War das Bike bisher auf 120 kg zulässiges Gesamtgewicht begrenzt, so wurde es aufgrund von neuen Regulierungen nun für beachtenswerte 150 kg freigegeben.

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Tech Specs

Rahmen Smoothwall™ Carbon Hauptrahmen, Form™ Aluminium Ketten- und Sattelstreben, Ride-4™ Adjustable Geometry + Suspension Rate Kassette Shimano XT 10-51T
Größen S/M/L/XL Kette Shimano M8100
Antrieb Dyname 4.0 Mountain Bike Drive, 250 Watt Nominal Powe, 700 Watt Peak Power, 108 Nm Laufräder WTB ST i30 TCS 2.0, 29”
Batterie 720 Wh Removable Integrated Li-Ion Reifen Vorne: Maxxis Assegai 2.5” WT 3C MaxxGrip DD Tubeless Ready
Hinten: Maxxis Minion DHR II 2.4” WT 3C MaxxTerra DD Tubeless Ready, Cushcore XC Tire Inserts
Display Rocky Mountain Jumbotron Steuersatz FSA Orbit NO.57E
Gabel Fox 38 Float EVOL GRIP Performance, 170 mm Vorbau Rocky Mountain 35 AM, 5° Rise, 40 mm
Dämpfer FOX X2 Performance, 160 mm Griffe ODI Elite Pro Lock On
Kurbel Race Face Aeffect Cinch 34T, S/M = 165 mm, L/XL = 170 mm Sattel WTB Volt Race 142
Lenker Rocky Mountain AM, 780 mm, 38 mm Rise Sattelstütze Race Face Aeffect R Dropper 30.9mm, Shimano MT500 Remote, S = 125mm, M = 150mm, L - XL = 175mm
Bremse vorne Shimano XT M8120, 200 mm Bremse hinten Shimano XT M8120, 200 mm
Schalthebel Shimano XT Gewicht 24,54 kg (BB-Messung)
Schaltwerk Shimano XT, 1x12 Preis € 8.800,- UVP
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Motor

Eines der bemerkenswertesten Merkmale des Altitude Powerplay ist zweifelsohne der hauseigene Dyname 4.0 Motor, mit welchem Rocky Mountain bezüglich des Antriebs ein etwas anderes Konzept als die Konkurrenz verfolgt.
Üblicherweise dient die Kurbel gleichzeitig als Auslöser der Motorfunktion sowie zur Kraftübertragung, was dazu führt, dass der Motor um das Tretlager herum gebaut werden muss.

Beim Dyname Motor erfolgt die Abnahme des Auslöseimpulses allerdings über ein eigenes Ritzel, welches sich zwischen Antriebsritzel und Kettenblatt befindet. Dadurch kann ein ganz gewöhnliches Tretlager verwendet werden, was die Umsetzung kurzer Kettenstreben ermöglicht und für wesentlich mehr Bodenfreiheit sorgt. Ein klassischer Bashguard unter dem Kettenblatt, wie man ihn von Downhill-Bikes kennt, schützt dabei dasselbe vor frühzeitigem “Zahnausfall”, sollte man beim Überfahren eines hohen Baumstamms oder einer Stufe doch einmal Kontakt mit dem Untergrund herstellen.

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Ein weiterer Vorteil dieses Systems ist, dass das Antriebsritzel an einer beliebigen Stelle angebracht werden kann. Im Fall des Powerplay wurde eine Positionierung gewählt, die dem eines Idler Pulleys entspricht. In Kombination mit dem Hauptlager der Kettenstrebe, welches sich in etwa auf der selben Höhe wie das Antriebsritzel befindet, wird der Pedalrückschlag nicht nur reduziert, sondern gänzlich eliminiert und Antriebseinflüsse werden effektiv von der Federung entkoppelt.

Weiters mag es auch von Vorteil sein, dass das Antriebsritzel aus Stahl gefertigt ist und somit eine längere Lebensdauer haben sollte als ein Kettenblatt aus Aluminium.

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Akku

Der Akku ist mit 720 Wh erfreulich großzügig bemessen. Wer die Reichweite noch verlängern möchte, kann mittels des separat erhältlichen Overtimepack 2.0 die Kapazität um 314 Wh auf beachtliche 1.034 Wh erweitern.
Das Overtimepack wiegt 2 kg, was ein angemessenes Gewicht ist, vor allem, wenn man es gegen eine große Wasserflasche aufwiegt, die man potenziell stattdessen montiert hätte.

Sollte man den Akku nicht am Bike laden wollen, kann er auch herausgenommen werden. Hierzu befindet sich eine entfernbare Klappe im Tretlagerbereich. Nach dem Lösen eines Bolzens kann der Akku bei seitlich liegendem Bike nach unten hin entfernt werden.
Am oberen Ende des Akkus befindet sich eine Plastikklammer, welche mittels zweier Inbus Schrauben dem Rahmen angepasst werden kann und somit ein Klappern im Rahmen effektiv vermeidet.

Das Laden eines komplett entleerten Akkus dauert mit dem im Umfang enthaltenen 4A Ladegerät etwa fünf Stunden, es gibt aber auch ein 5A Schnellladegerät, welches wiederum separat erhältlich ist.

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Display & Bedieneinheit

Das gut ablesbare Schwarz/weiß-Display, von Rocky Mountain Jumbotron genannt, ist elegant in das Oberrohr eingebettet und beinhaltet auch den Knopf zum Ein- und Ausschalten des Systems. Der Akkustand wird erfreulicherweise in Ein-Prozent-Schritten angegeben.
Die platzsparende Bedieneinheit befindet sich links am Lenker und beinhaltet lediglich drei Knöpfe zur Einstellung der Modi und um in den Setup-Modus zu gelangen.

Es gibt fünf Unterstützungsstufen: “It’s all you” (also ausgeschaltet), Eco, Trail, Trail+ und Ludicrous. Zusätzlich kann man den sogenannten Boost von -2 bis +2 auswählen, was sich gleichzeitig auf die Gesamtstärke sowie die Aggressivität des Motors auswirkt.
Da man ohnehin die verschiedenen Hauptmodi hat, ist mir nicht klar, wieso der Boost nicht ausschließlich für die Intensität der Kraftentfaltung zuständig ist, sondern auch für die Gesamtstärke.

Besonders positiv fällt auf, dass es zusätzlich zum Factory Setting – also der Standardeinstellung ab Werk – auch zwei weitere Speichermöglichkeiten gibt, in denen zusätzlich zum Boost auch jeder Hauptmodus von 0 bis 100 Prozent individuell eingestellt werden kann.
Das Abrufen der jeweiligen Favoriten erfolgt über das Menü, was sogar während der Fahrt möglich ist, allerdings gelegentlich – auch im Stillstand – mit einem Kommunikationsfehler quittiert wurde. Bleibt zu hoffen, dass solche Fehlermeldungen in Zukunft über ein Firmware-Update behoben werden.

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Komponenten und Geometrie

Das Altitude Powerplay C70 wird mit Fox Federgabel und Dämpfer der Performance Serie ausgeliefert. Der X2 Dämpfer beherbergt Einstellmöglichkeiten für High- und Low-Speed Kompression- und Zugstufendämpfung; außerdem einen extra Hebel, der im Handumdrehen die Kompression verhärtet, was in gewissen Situationen beim Uphill das ohnehin kaum spürbare Wippen noch verringert, oder bei größeren Drops eine willkommene Unterstützung ist.

Die Federgabel besitzt lediglich eine Einstellung für Kompressions- und Zugstufendämpfung, kann also nicht ganz so fein justiert werden, wie das bei der Factory Gabel der Fall ist. Mittels Volumen-Spacern kann die Federkennlinie in Richtung linearer oder progressiver getrimmt werden.

Erfreulicherweise bietet das Altitude Powerplay gleich zwei Möglichkeiten, um die Geometrie an die persönliche Fahrweise anzupassen. Ein Flip-Chip mit vier unterschiedlichen Einstellungsmöglichkeiten hinter dem Federbein, passenderweise Ride-4 genannt; sowie ein weiterer Chip am Ausfallende, mittels dessen die Kettenstrebe um zehn Millimeter verändert werden kann.

Geometrie

Small Medium Large X-Large
Sitzrohrlänge (mm) 380 420 445 480
Steuerrohrlänge (mm) 100 100 110 125
Oberrohrlänge (mm) 587 612 639 373
Kettenstrebenlänge kurz (mm) 439 439 439 439
Kettenstrebenlänge lang (mm) 449 449 449 449
Radstand 1210 1237 1264 1301
Ride 4 – Flach
Lenkwinkel (°) 63,5 63,5 63,5 63,5
Sitzwinkel (°) 75,5 75,5 75,5 75,5
Stack (mm) 629 628 638 652
Reach (mm) 425 450 475 508
Ride 4 – Steil
Lenkwinkel (°) 64,3 64,3 64,3 64,3
Sitzwinkel (°) 76,3 76,3 76,3 76,3
Stack (mm) 623 623 632 645
Reach (mm) 433 458 483 513

 Ein Flip-Chip mit vier unterschiedlichen Einstellungsmöglichkeiten hinter dem Federbein, passenderweise Ride-4 genannt, sowie ein weiterer Chip am Ausfallende, mittels dessen die Kettenstrebe um 10 mm verändert werden kann. 

Ride-4 Adjustable Geometry
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Uphill

Bergauf liefert der Motor ein angenehmes Surren, was mitunter darauf zurückzuführen ist, dass im Vergleich zum Vorgängermodell ein Ritzel entfernt und die Motordrehzahl reduziert wurde.
Während der Testzeit lag die Geräuschkulisse damit in etwa auf dem Niveau des Brose Motors und unter der eines Bosch Systems.

Da der Motor am Papier mit 108 Nm einer der stärksten im Feld ist und der höchste Modus gar als “Ludicrous” angepriesen wird (Fans der Star Wars Parodie Spaceballs werden die Anspielung an die enorme Geschwindigkeit zu schätzen wissen), waren meine Erwartungen an die Antriebseinheit entsprechend hoch. Soviel vorab: Ich musste mich nicht so fest am Lenker anhalten wie Lord Helmchen am Geländer seines Raumschiffs, um nicht abgeworfen zu werden.
Subjektiv würde ich die Kraftentfaltung als ausreichend stark bezeichnen, vor allem, wenn man den Boost-Modus aktiviert. Aber an den Shuttle-Modus des Brose Systems kommt der Dyname Motor nicht heran.
Das liegt wohl auch daran, dass die Dyname Einheit im Gegensatz zu den meisten anderen Systemen in jedem Unterstützungsmodus die Leistung ständig an die Drehmomentabgabe des Benutzers anpasst. Es gibt also keinen “Vollgas”-Modus, somit wird ein ausreichend starker Antritt und eine hohe Trittfrequenz vorausgesetzt, um den oberen Bereich der Kraftunterstützung zu nutzen.
Befindet man sich allerdings in diesem Bereich, sind auch technisch sehr anspruchsvolle Passagen leicht zu meistern, da der Motor dann seine ganze Kraft entfalten kann.

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Interessanterweise läuft der Dyname Motor, nachdem man zu treten aufgehört hat, nicht mehr weiter, wie das beispielsweise bei Shimano oder Bosch der Fall ist, sondern stoppt sofort die Kraftzufuhr auf das Hinterrad. Ich kann mir vorstellen, dass das für einen Großteil der Biker eine willkommene Charakteristik ist, obwohl ich persönlich das gewohnte Nachlaufen des Motors zum Überwinden von im Weg liegenden Baumstämmen oder hohen Stufen bei Uphills gerne zu meinem Vorteil nutze.

Die abrupte Trennung der Power mag auch dazu beitragen, dass man beim gemütlich Fahren auf einer flachen Straße unter gewissen Bedingungen ein leichtes Ruckeln bemerken kann. Das kommt wohl daher, dass man insbesondere mit Flat-Pedals keinen absolut runden Tritt auf die Pedale bekommt. Wenn dann der Motor, anstatt kurz nachzulaufen, sofort aussetzt und beim darauf folgenden leichten Tritt in das Pedal wieder anläuft, kommt es wohl zu diesem Phänomen.

Abhilfe schafft hier ein härterer Modus oder eine höhere Trittfrequenz, womit durchgehend genug Kraft entfaltet wird, um den Motor nicht kurzzeitig abzustellen.
Ein guter Tipp in diesem Zusammenhang ist auch die Kalibrierung des Systems, welche in ein paar Sekunden über das Menü des Jumbotron erledigt ist und man zumindest vor Antritt der ersten Ausfahrt durchführen sollte.

Bei voller Motorunterstützung, sowie Boost im maximalen Modus, konnte ich aufgrund des großen Akkus bis zu 1.700 Höhenmeter erreichen. Stellt man Boost auf die Werkseinstellung ein oder wählt Trail beziehungsweise Trail+, sollten sich sogar bis zu 2.000 Höhenmeter erreichen lassen.

Der Sattel von WTB war auch auf langen Ausfahrten komfortabel, allerdings würde eine Erhöhung im hinteren Bereich dabei helfen, bei steilen Uphills nicht so leicht nach hinten zu rutschen und besseren Halt auf der Sitzgelegenheit zu finden.

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Der bereits erwähnte Flip-Chip am Ausfallende sorgt in der Einstellung mit langer Kettenstrebe bei steilen Uphills für spürbar mehr Grip, da die Front dann nicht so leicht zum Aufsteigen neigt. In der kurzen Einstellung muss man sich schon weit nach vorne setzen und den Oberkörper flach über dem Lenker halten, um nicht im unpassendsten Moment einen Wheelie zu machen.

Erreicht man doch einmal eine unfahrbare Stelle und muss absteigen und die Unterstützung der Schiebehilfe aktivieren, schaltet man erst in die niedrigste Stufe und hält dann eine Taste gedrückt. Auf sehr steilen Anstiegen, wo dieser Modus am ehesten genutzt werden wird, muss man sich dann wieder zum passenden Fahrmodus durchklicken, um weiter zu kommen.
Bei sehr technischen Passagen, wo man die Schiebehilfe mehr als einmal nutzen möchte, wird das Hin-und-her-Klicken relativ schnell ein wenig mühsam. Systeme, wo lediglich ein Knopf ein paar Sekunden gehalten wird, um in den Schiebe-Modus zu gelangen, sind mir hier lieber.

Eine meiner Meinung nach geniale Eigenschaft ist die Art und Weise, ab wann die Kraftzufuhr vom Akku an den Motor abgeschaltet wird. Bei einer Ausfahrt kam ich in den Bereich, wo es auf der Heimfahrt schon recht knapp wurde mit der Akkukapazität. Im Klartext: Das Display zeigte kurz vor der letzten Brückenauffahrt die gefürchteten 0% an.
Anstatt, wie erwartet, stur auszusetzen, schaltete der Motor allerdings erst zu diesem Zeitpunkt in die niedrigste Stufe und half mir somit gemütlich, den letzten Kilometer bis zu meinem Ziel zurückzulegen. So etwas nenne ich User-freundlich, daran könnten sich andere Hersteller gerne ein Beispiel nehmen.

Zum Gewicht, welches am Papier doch relativ hoch (und in echt noch höher) ist, kann man nur sagen, dass E-Bikes mit großen Akkus nun einmal etwas schwerer sind. Im Fahrbetrieb merkt man allerdings meiner Meinung nach keinen Unterschied zu einem Bike, das ein paar Kilogramm weniger wiegt.

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Downhill

Generell verrichten die Fox Komponenten, gepaart mit der flachen Geometrie, einen exzellenten Dienst beim Downhillen. In groben Stein- und Wurzelfeldern werden Schläge sehr gut gefiltert, was die Konzentration auf die Ideallinie enorm vereinfacht. Selten hatte ich ein Bike, das so ruhig auf ruppigen Passagen lag.

Unterstützt wird die Federung durch das hohe Hauptlager der Kettenstrebe auf Höhe des Antriebsritzels, wodurch das Altitude Powerplay in die Klasse der sogenannten High-Pivot-Bikes einzureihen ist.
Neben der bereits erwähnten Eliminierung des Pedalrückschlags hat ein solches System den weiteren Vorteil, dass sich die Hinterachse beim Einfedern im ersten Teil des Federweges leicht nach hinten bewegt und somit Hindernisse auf eine natürliche Art überwindet.
In der Praxis bedeutet das, dass beispielsweise große Wurzeln einfach überfahren werden können, ohne dass der Hinterbau „hängen“ bleibt. Auf der passenderweise „Wurzeltrail“ genannten Strecke im Wienerwald wurde diese Theorie mehrfach getestet, was mit dem KOM – also der schnellsten Zeit auf Strava – belohnt wurde. Selbst im regulären Mountain Bike Segment fehlt nur eine Sekunde auf die Bestzeit, was schon ein beachtliches Ergebnis für ein E-Bike ist.

Im Auslieferungszustand fand ich die Progressivität der Federgabel allerdings etwas zu gering, hier hätte ein extra Spacer in der Luftkammer den einen oder anderen harten Durchschlag bei etwas härterer Fahrweise verhindern können. Im Vergleich dazu war der Hinterbau ausreichend progressiv.
Mittels des proprietären Flip-Chips, bei Rocky Mountain unter dem Namen Ride-4 bekannt, kann einerseits der Lenkwinkel beeinflusst werden, andererseits auch die Progressivität des Dämpfers. Wählt man die steilste Einstellung, so misst der Lenkwinkel 64,3 Grad, in der flachsten sind es 63,5 Grad. Die beiden mittleren Einstellungen haben in etwa die selbe Auswirkung auf den Lenkwinkel, dafür aber durch die unterschiedliche vertikale Anordnung des Drehpunkts ein wenig Auswirkung auf die Progressivität des Federbeins.
Während in der steilsten Version das Bike bei hohen Geschwindigkeiten schon ein wenig unruhig wird, kommt in der mittleren und flachen Version genug Laufruhe in das Fahrwerk, um sich auch bei harten Downhills auf dem Bike wohl zu fühlen.

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Wie bereits erwähnt, lässt sich die Kettenstrebe über den Flip-Chip am Ausfallende um 10 mm verändern. In der von mir gefahrenen Rahmengröße Medium hatte ich das Gefühl, dass die Balance in Kurven in der langen Einstellung nicht optimal war. So konnte ich das Bike nicht so leicht in enge Anlieger drücken, wie das im agilen Setting der Fall war. Bei den großen Rahmen kann es im Gegensatz dazu genau umgekehrt sein. Mit Hilfe des Chips ist es in beiden Fällen aber ein Kinderspiel, die jeweilige Präferenz herauszufinden und einzustellen.
Nebenbei sei noch erwähnt, dass die kurze Kettenstrebe Manuals im Gegensatz zu einem Großteil der erhältlichen E-Bikes wesentlich erleichtert.

Um hohe Geschwindigkeiten zu bändigen, sind erfreulicherweise bewährte Shimano XT Scheibenbremsen montiert. Noch besser wäre es, wenn anstatt der 203 mm Bremsscheibe zumindest vorne eine 220 mm Scheibe montiert wäre, aber nachdem ich dies noch auf keinem anderen Bike ab Werk gesehen hätte, bleibt das wohl auf absehbare Zeit noch Wunschdenken.

An den Laufrädern verrichtet an der Front ein Maxxis Assegai in der Downhill-optimierten MaxGripp Version und 2,5” Breite einen exzellenten Job, während am Hinterrad die etwas langlebigere MaxTerra Gummimischung eines Maxxis Minion DHF in 2,4” Breite für Vortrieb sorgt. Gerade auf einem E-Bike macht es meiner Meinung nach Sinn, am Hinterrad zumindest einen 2,5” oder auch gerne einen 2,6” Reifen zu montieren, um für mehr Traktion bei extremen Auffahrten zu sorgen.
Beide Reifen sind mit der robusten Downhill Karkasse namens DoubleDown ausgestattet und schützen die Felge in Verbindung mit der XC Version des Tire-Inserts Cushcore vor allzu schlimmen Durchschlägen.

Als Laufradgröße wurde vorne wie hinten 29” gewählt, was für Benutzer der Rahmengrößen L und XL bestimmt Sinn macht. Für die Modelle S und M würde ich mir in der Regel 27,5” am Hinterrad wünschen, um ein wenig mehr Bewegungsfreiheit in Extremsituationen zu haben.

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Rocky Mountain verbaut einen hauseigenen Lenker, welcher mit 78 cm eine angemessene Breite aufweist. Beim ersten Aufsitzen am Bike war allerdings gleich zu merken, wie hoch die Front ist. Dies ist dem ungewöhnlich hohen Rise des Lenkers mit 38 mm geschuldet. Wer also für etwas mehr Druck am Vorderrad einen Lenker mit dem üblichen Rise von 15 mm gewohnt ist, wird wohl als eine der ersten Anpassungen am Bike den Vorbau weiter nach unten setzen.

Die Teleskop Sattelstütze bietet mit 15 cm am Modell Medium genug Hub, um bei Abfahrten nicht zu stören. In der Small Version muss allerdings mit 12,5 cm Hub Vorlieb genommen werden, was kleinen Bikern sicher zugute kommt, während bei den Modellen Large und X Large eine Stütze mit 17,5 cm zum Einsatz kommt.

Ein Kriterium, welches für mich von nicht geringer Bedeutung bei E-Bikes ist, dreht sich um die Geräuschkulisse der Motoren. So hatte ich noch kein Testbike mit Shimano oder Bosch Motor, wo nicht nach kurzer Einfahrzeit der Motor ein lautes Klappern/Rasseln/Scheppern von sich gab. Mein eigenes E-Bike mit Bosch Motor ist leider beim Bergabfahren eine richtige "Schepperkiste”, was bauartbedingt bei jedem Bosch Motor auftritt.
Die gute Nachricht: Der Dyname 4.0 gibt sich an dieser Stelle keine Blöße und macht beim Downhill genau das Geräusch, das man sich erhofft: nämlich keines.

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Fazit

Rocky Mountain
Altitude Powerplay C70
Modelljahr: 2022
Testdauer: 1 Monat / 230 km
Preis: € 8.800,- UVP
+ Leiser Motor (bergab und bergauf)
+ Große Akkukapazität für gute Reichweite
+ Anpassung der Motorunterstützung
+ Sehr gute Federung, High-Pivot Anlenkung
+ 2 Flip-Chips für individuelle Geometrieanpassung
o Motorleistung abhängig von Trittstärke
- Hoher Lenker
- 29” Hinterrad bei Small und Medium Rahmen
BB-Urteil: Individuelles Freeride-Bike mit Charakter

Aufgrund des großzügigen Federwegs der vielen Einstellmöglichkeiten des Fahrwerks ist das Rocky Mountain Altitude Powerplay C70 im Bereich Freeride sehr gut aufgehoben.
Mittels Änderung des Lenkwinkels und der Kettenstrebenlänge lässt sich das Bike leicht an persönliche Präferenzen anpassen, und clevere Details wie Tire-Inserts und robuste Kettenführung tragen zum abfahrtsorientierten Charakter bei.

Bei der Umsetzung des Antriebs geht Rocky Mountain einen eigenen Weg, der im Detail vieles richtig macht und von dem sich andere Hersteller etwas abschauen können. Die Integration des Motors in ein High-Pivot System ist derzeit einzigartig, und die hohe Kapazität des Akkus macht sich positiv bei der Reichweite bemerkbar.
Da sich die Motorleistung ständig an die Drehmomentabgabe des Benutzers anpasst, werden sich wohl am ehesten Biker angesprochen fühlen, die ein möglichst aktives E-Biken bevorzugen. Es ist anzunehmen, dass Rocky Mountain diesen Schritt absichtlich gewählt hat, um dem klassischen Gedanken des Mountainbikens möglichst nahe zu kommen.

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