
Genesis Evolution Team 29
09.09.15 06:29 24.3692015-09-09T06:29:00+00:00Text: NoManFotos: Erwin HaidenGekonnt modernisiert, gefällt im Touren-Alltag und auf der Rennpiste, was seit längerem das Hardtail-Sortiment der Intersport-Eigenmarke anführt. Allerdings hat das Carbon-Hardtail auch noch Entwicklungspotenzial ...09.09.15 06:29 24.3802015-09-09T06:29:00+00:00Genesis Evolution Team 29
09.09.15 06:29 24.3802015-09-09T06:29:00+00:0028 Kommentare NoMan Erwin HaidenGekonnt modernisiert, gefällt im Touren-Alltag und auf der Rennpiste, was seit längerem das Hardtail-Sortiment der Intersport-Eigenmarke anführt. Allerdings hat das Carbon-Hardtail auch noch Entwicklungspotenzial ...09.09.15 06:29 24.3802015-09-09T06:29:00+00:00Aller guten Dinge sind drei. Nach Revolution und Axiom brachte mir der Postler pünktlich zur zweiten Hitzewelle dieses Sommers das Evolution vorbei – womit ich beim dritten Testbike von Genesis halte. Nur das stromgestützte E-Lite hatte mir – kraft seiner oder mangels meiner Körpergröße – Kollege lukiss ausgespannt und mich damit um eine Karriere als Intersport-Fix-Testerin gebracht.
Gut so, man will ja weder seinen Ruf als Luxusgeschöpf noch jenen der für alle Marken offenen Zweirad-Kosmopolitin verlieren … Aber im regelmäßigen Zweijahres-Rhythmus Nachschau zu halten, was denn ein Label so treibt und produziert, kann dem eigenen Horizont und Wissensstand genau genommen ja nur nutzen.
Und da ist erst Mal kurze Trauer angesagt. Denn siehe da: Beide Intersport-Räder, die ich bis dato unterm Hintern hatte und (v.a für seine Kinematik das eine, für seine sehr gelungene Geometrie das andere, für ihre Optik alle beide) durchaus zu schätzen wusste, wurden mittlerweile aus dem Programm genommen.
Aus dem Karton
Das nunmehr interessierende Evolution Team bildet die Speerspitze des intersportlichen Twentyniner-Lineups. Es tat dies bereits zu Testzeiten des Axiom und davor, und verdient somit beinahe schon den Zusatz "Klassiker". Der Gap zur deutlich darunter angesiedelten Impact-Linie (sechs Modelle von € 999 bis € 399,-) ist durch Wegfall der Mittelschiene allerdings groß und macht das Carbon-Hardtail mehr zum letzten Mohikaner denn zukunftsreichen Anführer. Aber das ist jetzt schon sehr philosophisch und spitzfindig, darum besser konzentriert auf die harten Fakten:
Der Monocoque-Rahmen im UD-Finish kommt in dezenter Silber-Schwarz-Färbung mit geschmackvoll gesetzten roten Akzenten, die an den Anbauteilen eine gekonnte Fortsetzung finden.
Mit fettem Front-Bereich, der ein konifiziertes Steuerrohr beherbergt, integrierten Zügen, zum Knotenpunkt mit dem Sitzrohr hin komfortabel abgeflachten Rohren und direkt auf der Kettenstrebe montierter PM-Bremsaufnahme wirkt er auf den ersten Blick absolut zeitgemäß.
Auch die Geometrie-Daten versprechen ein für einen Klassiker durchaus modernes Konzept: die Kettenstreben kurz, das Oberrohr lang, der Vorbau stummelig, das Steuerrohr hoch, der Lenkwinkel flach ...
Der zweite Blick allerdings offenbart Eigenheiten, die sich in der Mittel- und Oberklasse bereits vor längerem vom Feature zum Fehler entwickelt haben. Ein Schnellspanner an einem Twentyniner-Heck? Soll von mir aus noch sein. Aber an der Gabel haben sich dank der höheren Steifigkeit, die sie ins System bringen, zu Recht auf breiter Front die einfacher bedienbaren und zuverlässiger funktionierenden (sprich: schließenden) Steckachsen durchgesetzt. Auch größere Reifenfreiheiten oder breiter abgestützte Tretlager haben wir schon gesehen. Vor allem aber wirkt die Dreifach-Kurbel wie ein Gruß aus der Vergangenheit.
Was den Antrieb betrifft, hat "der Markt" zwischenzeitlich beschlossen, dass auf jeden Fall der Enduro- und erst recht der Rennbereich mit maximal zwei, besser noch nur einem vorderen Kettenblatt auszukommen hat. Persönlich glaube ich ja, dass viele Otto-Normalverbraucher (und Intersport-Kunden - insofern ja wieder eine schlüssige Bestückung) die für die geringere Spreizung nötige Kraft auf der einen und Fähigkeit zum hochfrequenten Pedalieren auf der anderen Seite nicht mitbringen und trotz der vielen Überschneidungen und häufiger nötigen Gangwechsel mit Dreifach-Kurbeln gar nicht schlecht beraten wären; dennoch: Wer heutzutage ein Hardtail als Rennfeile deklariert, darf, wenn er ernst genommen werden will, keine Triple-Ausstattung mehr verbauen.
Tech Specs
Rahmen | Carbon Monocoque 3k | Bremsen | Shimano Deore XT, 180/180 mm |
Größen | 43/48/53 cm | Tretlager | Shimano BB71 PressFit |
Gabel | RockShox Reba RLT Push-Loc 29", 100 mm | Kurbel | Shimano Deore XT, 22/30/40 Z. |
Steuersatz | FSA Orbit C40, 1 1/8 - 1,5" | Kassette | Shimano M-771 10, 11-36 Z. |
Vorbau | Genesis Alu OS, 70 mm; 31,8 mm | Kette | Shimano HG-95 |
Lenker | Genesis OS Flatbar, 700 mm; 31,8 mm | Schalthebel | Shimano Deore XT |
Sattelstütze | Genesis Alu, 31,6 mm | Schaltwerk | Shimano Deore XT |
Sattel | Genesis MTB | Umwerfer | Shimano Deore XT |
Laufräder | Felgen Mavic XM-319 Disc; Naben Shimano Deore XT; Speichen DT Swiss Champion | Gewicht o.P. | 11,3 kg |
Reifen | Schwalbe Rocket Ron Performance 29x2,25" | Preis | € 1.999,- |
Im Gelände
Und als Race-Hardtail ernst nehmen muss man das Genesis Evolution unbedingt. Lena Putz etwa, Junioren-Vizeweltmeisterin und mehrfache deutsche Meisterin, bestreitet auf diesem Rahmen - freilich anders bestückt als das Testmodell - erfolgreich Weltcups, Sprintbewerbe und Marathons. Mit der Salzkammergut Trophy und der Bike Night Flachau heimste die 21-Jährige zuletzt sogar zwei Siege im Heimatland ihres Sponsors ein.
Und auch mich juckt's mit dem ersten Aufsitzen, der längst angetretenen Rennsport-Pension zum Trotz, ordentlich in den Beinen. Meinem zwischenzeitlich gesetzteren Alter und gemütlicherem Fahrstil entsprechend, habe ich mich hinsichtlich Cockpit-Höhe für das original vorgeschlagene Setup mit einem Spacer entschieden - ist ja dank der roten Kringerl auch so hübsch anzuschauen ... Diese für Rennbegriffe relativ aufrechte Position (Frau Putz etwa hat statt dem Spacer einen Negativ-Vorbau montiert) ändert aber nichts daran, dass das Evolution sogleich zum Reintreten animiert und auch fleißig vorwärts drängt.
Generell bringen kurze Kettenstreben Agilität ins Fahrwerk und, weil mehr Gewicht aufs Hinterrad kommt, mehr Traktion speziell auf Anstiegen. Das ist auch diesem Bike, das man aufgrund seines Radstandes und Laufradgrößen-Spezifikums der Trägheit hätte verdächtigen können, durchaus anzumerken. Trotzdem bleibt es natürlich ein Twentyniner. Flinkes Umlegen ist deshalb seine Stärke nicht, und in Kurven will es mit Nachdruck gelenkt werden, wobei mir persönlich hierfür das Oberrohr tendenziell zu lang war (Stichwort Druck aufs Vorderrad).
Ebenfalls positiv fallen die Rolleigenschaften der big wheels auf - zumal diese, Gesamtpreis-bedingt, logischerweise nicht zu den leichtesten am Markt zählen. Einmal auf Touren gebracht, ist am Evolution z.B. auf leicht abschüssigen Schotterstraßen so gut wie kein Vorbeikommen mehr.
Nicht ganz so ausgeprägt wie auf anderen Twentyninern ist das Gefühl, im Bike zu sitzen. Ein wenig leidet darunter auch der normalerweise große Trumpf dieser Modelle für Abwärts-Schisser: das Ausbleiben von Überschlagsgefühlen. Umgekehrt fällt es dadurch subjektiv betrachtet leichter, im beherztem Wiegetritt an den Kollegen vorbei die Führung zu übernehmen, weil eben mehr "Herauskommen" aus dem Rahmendreieck möglich ist.
Was ein Hardtail ist, ist kein Fully. Dementsprechend gibt's auf dem Genesis auch keinen vollgefederten Komfort - und leider auch sonst recht wenige Zugeständnisse an die Bandscheiben. Aber freilich: Ein Race-Bike muss keine Hutsch'n sein. Wer's soft und sanft und gemütlich will, sollte sich einfach in einer anderen Bike-Kategorie umsehen.
Bei den Reifen wäre mittels Tubeless-Setup ein Quäntchen Komfort-Plus zu holen. Mit Schlauch hingegen fährt man den in puncto Laufeigenschaften, Grip und Traktion allgemein und auch bei mir sehr beliebten Gummi aber besser immer mit etwas mehr als weniger Luft, steht er durch seine großen Stollen-Abstände ja gelegentlich im Verdacht, pannenanfällig zu sein. Gegen den zehn Zentimeter langen rostigen Nagel, der sich bei einer Ausfahrt durch die Karkasse und auf der anderen Seite wieder raus gebohrt hat, wäre aber auch der massivste und dichtest bestollte Reifen machtlos gewesen ...
Was die übrige Ausstattung betrifft: Die hört über weite Teile auf den Namen XT und macht somit alles richtig. Die Gänge flutschen und halten (kaum zu glauben, bei dieser horrend hohen Anzahl;-D), die Bremsen packen bereits nach minimaler Einfahrzeit wohldosiert und kraftvoll zu, alle Hebel liegen gut in der Hand …
Fürs Federn und Dämpfen ist eine RockShox Reba mit 100 mm Travel zuständig. Dank angebrachter Gewichts- und Sag-Tabelle blitzschnell eingestellt, verrichtet auch diese ihren Dienst, wie eigentlich das gesamte Bike: zuverlässig, unauffällig, treu – Push Lock (das soll gelegentlich ja steckenbleiben o.ä.) inklusive.
Um zum Schluss zur eingangs angebrachten Kritik an den Schnellspannern und zum Thema Steifigkeit zurückzukehren: Man wird davon – zumindest als 60-kg-FahrerIn – genau nichts merken, solange man das Evolution in keine Extrembereiche bewegt.
Erst bei wirklich harten Antritten wirkt's, als ob hinten etwas seitlich nachgäbe. Und nur wenn's am ungustiösen Wurzelteppich, in den man mangels Streckenkenntnis viel zu schnell reingekracht ist, genau eine Linie gibt, die man sich zutraut und deshalb auch exakt und unbedingt ansteuern will, erweckt die Front den Eindruck, diesem Wunsch nicht ganz so präzise und flink, wie's gerade nötig wäre, nachkommen zu wollen.
Letzteres könnte aber auch eine stressbedingte Fehlinterpretation eines klassischen Eigenfehlers – Stichwort Blicktechnik – gewesen sein. Wer weiß das nach überstandener, kurzer Todesangst schon so genau, und wer macht nicht fürs eigene Versagen lieber andere verantwortlich …?
Trotzdem bleibt's dabei: State-of-the-art in dieser Preisklasse sind Steckachsen und aus. Insofern wünsche ich dem Evolution an dieser Stelle alles Gute für die Zukunft und eine rosige Entwicklung – möge es nicht als drittes Testbike in meiner Genesis-Reihe ebenfalls aus dem Sortiment verschwinden, sondern weiter wachsen und gedeihen. Es hat sich's verdient!
Fazit
Genesis Evolution Team 29 | |
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Modelljahr: | 2015 |
Testdauer: | 2 Monate, ca. 480 km |
+ | Keine Überraschungen |
+ | Moderne Geometrie |
+ | XT Komplett-Paket |
+ | Zeitloses Design |
o | Dreifach-Kurbel |
- | Keine Überraschungen |
- | Keine Steckachsen |
BB-Urteil: | Solides Hardtail für Alltag und Rennen mit Entwicklungspotenzial. |
Zwei Monate lang hat mich das Genesis Evolution nun durch den Sommer begleitet, soferne ich nicht gerade auf (hoch)alpinen Touren-Reports unterwegs war.
Die Möglichkeit zu einer Gatsch- oder zumindest Feucht-Fahrt hat sich aufgrund der extremen Niederschlagsarmut im Osten dabei bemerkenswerter Weise nie ergeben - obigen Eindrücken fehlen also eventuelle Schlechtwetter-Korrektive.
Ob trockener oder nasser Boden ist es aber jedenfalls so, dass man sich mit dem Genesis Evolution ein fair kalkuliertes, grundsolide ausgestattetes, im besten und umfassenden (Optik, Handling, Funktion) Sinne unauffälliges Sportgerät kauft.
Rennen wird das Hardtail in jedem Fall mitmachen, wenngleich gewichtsbedingt wohl kaum an vorderster Front und geometriebedingt womöglich erst nach Absenken des Cockpits. Touren wird es ebenso trocken runterspulen und sich dabei mit seiner Unkompliziertheit viele Freunde machen. Für etwas mehr Komfort bzw. auch Pannensicherheit wäre in beiden Fällen ein Umrüsten auf Tubeless überlegenswert.
Unklar und schade ist, warum und dass bei der sichtlich ja schon stattgefundenen Modernisierung des Rahmens das Thema Steckachsen außen vor gelassen wurde. Und auch mit einer Dreifach-Kurbel ist, wenngleich für typische Intersport-Kunden sicher nicht die schlechteste Wahl, heutzutage kein Staat mehr zu machen.
Summa summarum fehlt's dem Evolution an nichts, außer vielleicht ein wenig Sexappeal. Aber wer beim Radkauf auf ein cooles Image Wert legt, wird vermutlich ohnehin nie bei der Intersport-Eigenmarke landen ...