
Cannondale F-SI Carbon Team
15.09.14 06:53 27.3612014-09-15T06:53:00+00:00Text: Lukas SchnitzerFotos: Erwin HaidenSchon bei der Präsentation des neuen Cannondale F-SI im Rahmen des XC Worldcups in Albstadt konnten wir uns ein Bild von Cannondales neuem Race-Hardtail machen. Nun war es an der Zeit, die amerikanische Rennfeile (kurz) in heimischen Gefilden zu testen. Vom Leben mit einer Boden-Boden-Rakete.15.09.14 06:53 27.3652014-09-15T06:53:00+00:00Cannondale F-SI Carbon Team
15.09.14 06:53 27.3652014-09-15T06:53:00+00:0022 Kommentare Lukas Schnitzer Erwin HaidenSchon bei der Präsentation des neuen Cannondale F-SI im Rahmen des XC Worldcups in Albstadt konnten wir uns ein Bild von Cannondales neuem Race-Hardtail machen. Nun war es an der Zeit, die amerikanische Rennfeile (kurz) in heimischen Gefilden zu testen. Vom Leben mit einer Boden-Boden-Rakete.15.09.14 06:53 27.3652014-09-15T06:53:00+00:00Blättert man durch Fachzeitschriften oder stöbert in Onlinekatalogen diverser Bike Hersteller, so sind die großen Laufräder mittlerweile wirklich zum Standard geworden. Dennoch herrschte in meinem Unterbewusstsein nach wie vor eine gewisse Grundskepsis gegenüber den 29ern vor.
Mein steirisches Misstrauen gegenüber Veränderungen hatte daran sicherlich eine gewisse Teilschuld. Die Kombination aus nicht allzu marathontauglicher Masse meinerseits mit frühen 29er Konzepten, auf denen ich oft schon beim Truckstand grobe Zweifel an der Frontstabilität hatte, trug ein Übriges bei.
So waren die Erwartungen hinsichtlich eines neuen Flash-Modells groß. Nachdem bei Cannondale alles auf 29" rollte, ging ich fix davon aus, man würde ein 27,5" Bike präsentieren. Doch dann wütete erneut ein Bigfoot über die Worldcupkurse dieser Welt.
Den Schilderungen des Schmerzlosen nach sollte es aber einen gänzlich anderen Charakter haben, als mein kleinkariertes Unterbewusstsein mir schon wieder suggerieren wollte.
Technik im Detail
System29 Geometrie
Dem interessierten Betrachter stechen als erstes die extrem kurzen Kettenstreben in die Augen. Mit nur 429 mm zählen sie zu den kürzesten der XC-Kategorie und bringen neben höherer Agilität mehr Fahrergewicht aufs Hinterrad - und somit eine bessere Traktion an den Anstiegen.
An der Front sorgt ein mit 69,5° flacher Lenkwinkel für gleichzeitige Laufruhe bei hohen Geschwindigkeiten. Was im ersten Moment wie ein Widerspruch klingt, erklärt sich durch die von 45 auf 55 mm vergrößerte Kröpfung (Offset) an der Lefty-Gabel, die etwaige Agilitäts-Einbußen mit einem geringeren Nachlauf ausgleicht.
Tüftler Peter Denk erklärte, dass in erster Linie der zu kurze Gabel-Offset für die träge Lenkperformance herkömmlicher 29er verantwortlich sei. Durch den nun größeren Offset der neuen Lefty 2.0 und dem damit verkürzten Nachlauf, entspräche die Fahrperformance in etwa der eines 26" Bikes.
Ai Drivetrain
Um ausreichend Platz zwischen Rahmen, Umwerfer und den voluminösen 29er-Reifen zu schaffen, bedienten sich die Entwickler eines asymmetrischen Hinterbaus, bei dem Nabe und Antrieb erstmals um sechs Millimeter nach rechts versetzt wurden. Vorne ermöglicht dies ein neuer Kettenblatt-Spider, mit dem ausschließlich die Kettenblätter nach außen rutschen und der Q-Faktor unverändert bleibt. Hinten wurde die Nabe völlig mittig eingespeicht, was neben dem gewonnenen Freiraum auch noch andere Vorteile bringt: die flachere/breitere Einspeichung, gleich lange Speichen sowie eine gleich hohe Speichenspannung links und rechts generieren ein maximal steifes und ausbalanciertes Hinterrad. Positiver Nebeneffekt: 2-fach-Kettenblatt-Kompatibilität mit bis zu 2.35" breiten Reifen.
Lefty 2.0
Auch die Lefty erfuhr eine umfangreiche Überarbeitung. Neben dem größeren Offset von 55 mm (siehe Geometrie) erhielt sie eine neue, noch feiner ansprechende Dämpfungskartusche - ähnlich der SuperMax, allerdings mit XC-Ausrichtung.
Kleineren Fahrern kommt der kürzere, Rahmengrößen-abhängige Klemmbereich der Lefty-Gabel entgegen. So ermöglicht das nun deutlich tiefere Cockpit eine aggressivere Sitzposition. Anstatt der früheren 134 mm ist der Klemmbereich in den Rahmengrößen Small & Medium 97 mm, in Large 110 mm und in XL 122 mm hoch. Zusätzlich wurde der Durchmesser auf 44 mm verbreitert.
Die ebenfalls breitere Supermax-Nabe erhöht die Steifigkeit des Vorderrads. Laut Cannondale liegt diese jetzt sogar über dem Niveau herkömmlicher 26"-Laufräder.
Rahmen: Speed Save & Ballistec Carbon
Wie sein Vorgänger punktet der F-Si Rahmen trotz seiner hochfesten und steifen Ballistec-Carbon-Konstruktion (verschiedene Fasern, die zur Panzerung im Militärbereich und bei der Herstellung von Baseballschlägern genutzt werden) mit besten Komfortwerten. Hauptverantwortlich dafür sind ein spezielles Layup und die vertikal flexenden Sitz- und Kettenstreben (Speed Save Micro-Suspension Technology).
Das Rahmengewicht beträgt 960 Gramm in der Größe Large inklusive aller Alu-Anbauteile. Das validierte Zedler-Gewicht, welches bei TOUR-Tests herangezogen wird, kommt auf 1.022 Gramm. Zu dieser Validierung werden die Sitzrohrlängung, Rahmengröße, Steuerrohrlänge, Umwerfer-Aufnahme, etc. bereinigt um einen fairen Vergleich zwischen verschiedenen Testkandidaten möglich zu machen.
Um für die elektronische Zukunft gerüstet zu sein, ist der F-Si Rahmen bereits voll Di2-kompatibel. Inklusive interner Kabelführung und Batterie-Aufnahme im Rahmen bzw. in der Sattelstütze. Die externen, mechanischen Zug-Anschläge können formschön entfernt werden.
Save 2 Sattelstütze
Ebenfalls neu ist die um 50 g leichtere und deutlich gekröpfte Sattelstütze. Durch ihre höhere Flexibilität im oberen Bereich soll sie für 20% mehr Komfort sorgen. Zudem verbessert die lineare Federungs-Kennlinie das Ansprechverhalten, was vor allem für leichte Fahrer von Vorteil ist.
"Form follows function": Oberhalb des sichtbaren Knicks wird ihr Durchmesser dünner - der Knick verhindert, dass die Stütze zu weit in den Rahmen eingeschoben werden kann.
Ready for Race
Mit dem hinteren Schnellspanner und außen liegenden Zügen unterstreicht Cannondale den Rennsport-Charakter des F-Si 29. Außenliegende Züge sind leicht, lassen sich präzise schalten und einfach tauschen, was die Mechaniker im Profizirkus freut.
Der herkömmliche Schnellspanner ist nach wie vor erste Wahl bei den Profis, um schnelle Laufradwechsel bei Pannen zu gewährleisten, ohne nennenswerte Nachteile mit sich zu bringen. Das Argument höherer Steifigkeit durch 142x12 mm Through-Axles widerlegt Peter Denk mit Cannondales Ausfallenden-/Hinterrad-Design, das neben geringerem Gewicht sogar eine höhere Steifigkeit garantieren soll.
Tech Specs
Rahmen | Cannondale F-Si Asymmetric, BallisTec Hi-MOD Carbon, SPEED SAVE | Kurbel | Cannondale HollowGram Si, Ai, BB30, XX1 32T |
Steuersatz | Cannondale Headshock SI | Kassette | Sram X01 |
Gabel | Lefty 2.0 Carbon XLR 100 29, XLR XC damper, Hybrid Needle Bearing Technology, 55mm offset | Bremsen | Avid XX 180/ 160 mm |
Vorbau | OPI Adjustable Stem/Steerer 2.0, 31.8, -5 Grad | Schalthebel | Sram XX1 Trigger |
Lenker | FSA K-Force Carbon, flat, 700mm | Schaltwerk | Sram XX1 Type2 |
Griffe | Cannondale Foam Locking Grips | Sattelstütze | Cannondale F-Si SAVE 2 Carbon, 27.2x400mm |
Laufräder | ENVE Carbon Twenty9 XC Felgen auf Lefty SM und DT 350 32 Loch hinten. | Gewicht | 8,695 kg ohne Pedale |
Reifen | Schwalbe Racing Ralph EVO Snakeskin, 29x2.1", folding, tubeless ready | Preis | € 6.999,- |
Sattel | Prologo Nago Evo X8 T1.4 |
Als das F-SI in der Carbon Team Ausführung dann zum ersten Mal dreidimensional vor mir stand, fühlte ich mich hauptsächlich unwürdig. Unwürdig hinsichtlich der Enve Carbonlaufräder, unwürdig hinsichtlich der feinen Anbauteile und unwürdig hinsichtlich der Zahlen, die unsere Waage anzeigte. Mit 8,7 kg zählt das F-SI Carbon Team doch eher zu den mageren Vertretern der XC 29er.
Auf den ersten Metern mit dem Bike wichen meine Minderwertigkeitsgefühle nach und nach, um kindlicher Freude Platz zu machen. Mein Unterbewusstsein war überfordert. Keine undefiniertes Herumnudeln von Gabel und Laufrad, kein stelziges Gefühl wie auf einem Einrad. Stattdessen Turns wie mit einem Carvingski, und – no na, Enve Laufräder auf einem Hardtail - blitzartige Tempoverschärfungen.
Zum ersten Mal seit Langem hatte ich das Gefühl, mich nicht auf das Bike zu setzen, sondern wie in einen guten Schuh hineinzuschlüpfen. Und das bei einem 29er. Alle Skepsis war wie weggeblasen.
Bergan
Meine erste Ausfahrt führte mich auf meinen Hausberg. Die An- und Auffahrt erfolgt hier ausschließlich über Asphalt und Waldautobahnen. Leichter Druck auf den zweckentfremdeten Reverb Hebel am FSA-Lenker ist beim F-SI der Performance in solchen Situationen äußerst zuträglich, wird doch dadurch der Gabellockout aktiviert.
Auf welligem Terrain vermittelt das steife Gesamtkonzept in Verbindung mit den schmalen Racing Ralphs beinahe Crossbikefeeling. Natürlich ist das Bike durch die montierte XX1 mit 32er Kettenblatt in diesen Bedingungen etwas limitiert, es steht aber jedem frei, sich im Kettenblattregal zu bedienen, und sich für solche Einsätze zu vergrößern.
Bergauf erfüllt das Cannondale alle Erwartungen, die sich durch Gewicht und Steifigkeit ergeben. Gibt man Druck aufs Pedal, so belohnen einen die Laufräder durch die breiten Naben und die damit einhergehende Steifigkeit (sowohl radial, als auch lateral und torsional) sofort mit enormen Vortrieb. Wird man bergan überholt, so ist die Schuld einzig und allein bei sich selbst zu suchen.
Tunlichst vermeiden sollte man im Uphill auf festen Untergründen allerdings eine entsperrte Gabel. So sensibel und feinfühlig die Lefty auf den Untergrund reagiert, so sensibel ist sie auch auf Bewegungen des Fahrers. Vor allem bei niedrigen Tretfrequenzen in steilen Anstiegen, an denen man viel Druck aufs Vorderrad gibt, macht sich ein Wippen bemerkbar.
Am Heck ist der Komfort für ein Bike dieser Klasse überraschend hoch. Die Speed Save Micro-Suspension Technologie am Hinterbau und der Versatz der Save 2 Sattelstütze haben hier bestimmt wesentlichen Anteil, den Rest übernehmen die großen Laufräder.
Macht die Teamreplica schon auf festen Untergründen eine gute Figur, so wird sie in technischen Anstiegen zur Boden-Boden-Rakete. In diesem Terrain wird einem so richtig bewusst, mit welchem Hintergedanken Peter Denk das Bike konstruiert hat - kompromissloses Auf und Ab auf modernen XC Strecken.
Mit viel Kontrolle und Druck am Lenker fällt die Wahl der Linie leicht. Vor allem weil durch die enorme Traktion auch eine große Auswahl an fahrbaren Linien zur Verfügung steht. Wurzel und Stufenpassagen in den Anstiegen, an denen ich mit meinem Hardtail bisher gescheitert war, und die auch mit meinem Remedy kritisch waren, machen plötzlich überhaut keine Schwierigkeiten mehr. Durch die zentrale Position am Rad ist es ein Leichtes, mit Gewichtsverteilung und Entlastung spielend auch bergan über rutschige Kanten hinwegzurollen.
Bergab
Sieht man sich die Bergab-Passagen auf modernen XC-Kursen an, wird klar, dass heimische Trails für das Hardtail ein Kinderspiel sein sollten.
Auch wenn die Gabel unsere Redaktion schon etwas lädiert erreicht hat (wir waren ja nicht die ersten Testpiloten), arbeitete sie zu meiner Überraschung dennoch sehr feinfühlig. In Kombination mit den steifen Laufrädern führte die Gabel zu einer unglaublichen Spurtreue. Im Zweifel einfach zielen und festhalten - eine Taktik die sonst meist nur bei deutlich mehr Federweg aufgeht. Im Falle der Lefty und der 29" Laufräder funktionierte sie aber ebenso.
Auf klassischen Waldtrails fühlt sich das F-SI so richtig zu Hause. Souverän zieht es seine Spur über Wurzeln und Felsen, ist in engen Kurven überraschend flink. Höheres Tempo belohnt es mit Spurtreue, Schweinehops und kleine Drops machen richtig Spaß.
Den größten Fun-Faktor bietet das Bike meiner Meinung nach auf welligen Singletrails mit viel Abwechslung und knackigen Gegenanstiegen - erneut zeigt sich hier, wie gut Peter Denk das Cannondale auf den Einsatzbereich zugeschnitten hat.
Unangenehm wurde das Fahrverhalten des Cannondales, als es über ruppige Almen ging. Auf von Kuhwanderungen gezeichneten Wiesentrails wurde die Fahrt äußerst unkomfortabel, und ich musste zusehen, nicht die Kontrolle zu verlieren. Ob dies am leichten Ölverlust der Gabel lag oder an der Kombination der schmalen Racing Ralphs mit den radial steifen Enve Laufrädern, war in dem kurzen Testzeitraum leider nicht herauszufiltern.
Fazit
Cannondale F-SI Carbon Team | |
---|---|
Modelljahr: | 2015 |
Testdauer: | 7 Tage, 200 km |
+ | Boden-Boden Rakete |
+ | agil und dennoch spurtreu |
+ | leicht, trotzdem steif |
+ | Lefty, XX1, breites Cockpit |
+ | ENVE Laufräder |
o | asymetisches Hinterrad - freie Laufradwahl fraglich |
o | Preis |
BB-Urteil: | Worldcup Feeling für Jederman wenn man es sich leisten will. Dennoch auch im Toureneinsatz praktikabel. |
Mit dem F-SI Konzept ist Cannondale ein wirklich vielseitiges Bike für Fans schneller Hardtails gelungen.
Die von uns getestete Carbon Team Version mit der XX1 ist eine von vier Möglichkeiten, ein FS-I zu fahren. Ob man nun 1x11 oder doch lieber zweifach fahren möchte, muss jeder für sich selbst entscheiden. Wer bisher gegenüber 29" noch skeptisch war, sollte unbedingt eine Probefahrt erwägen, um seinen Horizont zu erweitern.
Im Fahrbetrieb geht das F-SI kompromisslos bergan und an der Grenze des konzeptbedingt machbaren wieder abwärts. Aber das darf man sich bei einem hochgezüchteten Rennpferd dieser Preiskategorie ja auch erwarten ...
Technik im Detail |
System29 Geometrie |
Ai Drivetrain |
Lefty 2.0 |
Rahmen: Speed Save & Ballistec Carbon |
Save 2 Sattelstütze |
Ready for Race |
Bergan |
Bergab |
Fazit |
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