
Ötztaler Radmarathon
20.08.11 17:24 193.1982011-08-20T17:24:00+00:00Text: MahatmaPacing-Strategie mittels Leistungsmesser20.08.11 17:24 193.4412011-08-20T17:24:00+00:00Ötztaler Radmarathon
20.08.11 17:24 193.4412011-08-20T17:24:00+00:00485 Kommentare MahatmaPacing-Strategie mittels Leistungsmesser20.08.11 17:24 193.4412011-08-20T17:24:00+00:00Ötztaler Radmarathon - Pacing mittels Leistungsmesser
"Was ist deine Zeit beim Ötzi?" - das wurde ich bei der Tour Transalp im Juni fast jeden Tag gefragt. Meine Antwort: "Keine Ahnung. Bin ich noch nie gefahren." Irgendwie wird man dann mit der Zeit aber doch neugierig, möchte wissen, wie schnell man ist, und hat das Vergleichen mit anderen Leuten satt. Also muss man den Ötzi fahren ... oder sich das Ergebnis errechnen. Ich mache beides: Errechnen jetzt, um mir ein Ziel setzen zu können und eine Strategie zu überlegen, und fahren in ein paar Wochen, Ende August.
Excel
Zuallererst muss einmal die Strecke zusammen mit vielen Formeln in ein Excel-Sheet. Ist das erledigt, dann ist alles andere nur mehr lustige Herumspielerei. Gesagt, getan. Ich habe die Strecke in 14 Teilabschnitte unterteilt, jeweils Länge und Höhenmeter hinterlegt, dazu viele Formeln aus unterschiedlichen Quellen zusammengesucht und mit den entsprechenden Vorgaben (Gewicht, CdA, FTP, ...) befüllt; dann habe ich eine grobe Strategie in Form von Prozentsätzen der Schwellenleistung für jeden Abschnitt eingegeben und einmal geschaut, was dabei herauskommt: 8:01:53 Stunden stand dort. Das deckte sich in etwa mit meiner Erwartungshaltung. Sicher nicht perfekt, aber sah schon einmal gut aus.
Als nächstes habe ich die Daten mit ein paar Echtdaten von anderen Teilnehmern aus dem Internet verglichen. Bis auf +/- 10 Minuten haben die Berechnungen gepasst, also dürfte das Ergebnis halbwegs valide sein. Ein paar Vorgaben habe ich noch angepasst und natürlich einige lustige "was wäre, wenn"-Spielchen gemacht. Letztlich kreiste das Ergebnis aber immer rund um die 8 Stunden-Marke - die ich mir mittlerweile wohl auch schon als Ziel in den Kopf gesetzt habe.
Strategie – mit 80% bergauf
Den größten Einfluss auf die Endzeit hat die Leistung, die man bergauf in die Pedale tritt, wohingegen man sich bergab tunlichst schonen und regenerieren sollte. An sich geht man Berge bei so einem langen Rennen am sinnvollsten mit rund 80% der funktionalen Schwellenleistung (FTP) an. Die FTP entspricht der Leistung, die man maximal über 60 Minuten fahren kann bzw. grob 95% der Leistung, die man über 20 Minuten fahren kann.
Für die 80% gibt es zwei Gründe:
- Während man über der Schwelle nur sehr kurz fahren kann und die FTP selbst maximal 60 Minuten leisten kann, so kann man 90% schon rund 1,5-2 Stunden und 80% über 3 Stunden lang am Stück fahren. So lange dauert kein Berg beim Ötztaler, ehe es wieder eine längere Abfahrt zur Erholung gibt.
- Mindestens genauso wichtig ist der zweite Grund, nämlich die Maximierung des Fettstoffwechsels. Die so genannte Fatmax Zone, in der der Körper am meisten Fett verbrennt, liegt im Bereich von 43% - 62% der VO2max (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2465139). Das lässt sich zwar nicht 1:1 auf die FTP übertragen (100% FTP ist ca. bei 85% VO2max, 80% FTP bei 65% VO2max), und es gibt auch ziemliche Schwankungen von Person zu Person; was aber bei allen gleich ist, ist ein rapider Rückgang des Fettstoffwechsels, je näher man an die Schwelle kommt. An der Schwelle kommen mind. 75% aus Kohlenhydraten und darüber beinahe 100%, während bei niedrigeren Intensitäten bis zu 60% der Energie vom Fettstoffwechsel bereitgestellt wird. Da unser Kohlenhydratspeicher begrenzt ist auf rund 400g (http://de.wikipedia.org/wiki/Glykogenspeicher) und man nur rund 1g/kg/Stunde über Nahrung aufnehmen kann, muss man damit haushalten, wenn man am Timmelsjoch noch schnell hoch will. Ein Gramm Kohlenhydrate hat 4kcal. Daraus ergibt sich ein Speicher von 4 x 400 = 1.600kcal. Laut meinen Excel-Berechnungen muss ich 5.800kcal über 8 Stunden leisten, zuzüglich meinem anteiligen normalen Tagesverbrauch in der Höhe von 700kcal. Wenn davon geschätzte 60% aus Kohlenhydraten kommen, sind das 3.900kcal. 1.600kcal habe ich am Start schon in mir drinnen, bleiben 2.300kcal, die ich in 8 Stunden zu mir nehmen muss, wenn der Ofen nicht vorzeitig ausgehen soll. Das sind 288kcal bzw. 72g Kohlenhydrate pro Stunde. Das sollte sich ausgehen, allerdings muss ich konsequent von Anfang an Kohlenhydrate zuführen und darf keinesfalls an oder über die FTP fahren.
Zurück zum Pacing: Da es beim Ötztaler Radmarathon zwischen Innsbruck und Brenner doch eine Zeit lang flach dahingeht und man sich dort besser in einer großen und guten Gruppe versteckt, macht es wohl Sinn, am Kühtai etwas mehr zu investieren. Dafür muss man am Timmelsjoch nicht nur wegen der bis dahin gefahrenen 200km davon ausgehen, dass man nur mehr weniger leisten kann, sondern auch die Höhenlage miteinrechnen. Ca. 10% sinkt die FTP auf einer Seehöhe von 2.000m, und am Timmelsjoch geht's noch deutlich höher hinauf.
Letztlich werde ich versuchen, eine 85/70/85/80/70 Strategie für die Anstiege auf Kühtai, Brenner, Jaufenpass und Timmelsjoch 1 & 2 zu wählen. Das erscheint mir fahrbar, und 5800KJ (= ca. 6000kcal) bzw. 440TSS realistisch für eine 8 Stunden Ausfahrt.
Damit steht mein Ziel fest ("unter 8 Stunden bleiben"), und ich habe auch gleich eine Vorgabe in Watt für die Berge sowie eine grobe Durchfahrtstabelle, anhand der ich checken kann, wie ich im Plan liege.
Einen ersten Test der Strategie & Ernährung gabs vergangenes Wochenende beim Highlander Radmarathon, der mit 180km und 4000Höhenmetern um rund 2 Stunden kürzer war als der Ötztaler, aber mit den Anstiegen auf Bödele, Hochtannberg, Flexenpass, Faschina und Furka ein recht ähnliches Profil aufwies.
Anwendung für Jedermann/-frau
Jeder kann sich damit spielen und seine eigene virtuelle Ötzi-Zeit errechnen, oder durch Vergleich mit Vorjahreszeiten dazu beitragen, das Sheet weiter zu verbessern.
Einige wichtige Hinweise zur Anwendung:
- Nur grau hinterlegte Felder dürfen geändert werden.
- Die Schwellenleistung (FTP) entspricht der Leistung, die man über eine Stunde treten kann. Kennt man seine eigene Schwellenleistung nicht, dann sucht man sich am besten einen 30min langen Berg und fährt diesen so schnell es geht hinauf. Danach gibt man die durchschnittliche Geschwindigkeit, Größe, Gewicht etc. bei http://www.kreuzotter.de/deutsch/speed.htm ein und erhält eine Wattzahl, die in etwa der Schwellenleistung entspricht, sowie zusätzlich CdA und weitere Parameter, die auch im Ötzi Excel Sheet verwendet werden können.
- Kritischer Punkt in der Berechnung und vermutlich auch größte Fehlerquelle ist der Luftwiderstand (CdA), da man in den Abfahrten bzw. Flachstücken vermutlich in Gruppen unterwegs ist und daher der reale Luftwiderstand wesentlich geringer sein wird als dies in meinem Modell der Fall ist. Ich habe daher die CdA-Werte für bergab & flach etwas nach unten korrigiert. Eine grobe Berechnung des eigenen CdA-Wertes auf Basis der Körpergröße und Lenkerposition kann man auf kreuzotter.de durchführen.
- Beim Gewicht von Rad und Ausrüstung nicht auf Wasserflaschen, Ersatzschlauch, Werkzeug, Essen und ähnliches vergessen.
- Alle anderen Werte sollten selbsterklärend sein oder besser nicht angegriffen werden, falls man die Bedeutung eines Wertes nicht versteht.
- Um schnell zu einem Ergebnis zu kommen, reicht es aus, FTP und Gewicht anzupassen und alle übrigen Felder zu belassen, wie sie sind.
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