
Scott Scale 700 RC
04.09.14 18:34 86.0042014-09-04T18:34:00+00:00Text: NoPainFotos: Erwin Haiden, SportografSelbstaufbau und Langzeittest eines Scott Scale 700 RC 650B Rahmens, dem Bike des Weltmeisters 2013 Nino Schurter. Entwicklung in 3 Stufen mit einem Ziel: die Bewältigung der Salzkammergut Trophy Extremstrecke.04.09.14 18:34 86.2922014-09-04T18:34:00+00:00Scott Scale 700 RC
04.09.14 18:34 86.2922014-09-04T18:34:00+00:00179 Kommentare NoPain Erwin Haiden, SportografSelbstaufbau und Langzeittest eines Scott Scale 700 RC 650B Rahmens, dem Bike des Weltmeisters 2013 Nino Schurter. Entwicklung in 3 Stufen mit einem Ziel: die Bewältigung der Salzkammergut Trophy Extremstrecke.04.09.14 18:34 86.2922014-09-04T18:34:00+00:00Da ich angesichts der vielen schönen MTB-Touren mit meinem Ritchey 650B-Stahlbike wieder auf den Geschmack gekommen war und als Saisonhighlight die Salzkammergut Trophy herhalten sollte, wollte ich zugleich ein neues MTB mit Federgabel aufbauen. Basis des Projekts bildete ein 2014er Scale 700 RC Rahmen von Scott, das Rad des Weltmeisters 2013 Nino Schurter.
Das schrieb die deutsche Fach-Presse darüber: „Ansaugen, runterschalten, attackieren: Das explosive Scale 700 RC lutscht nicht lange im Windschatten, sondern gibt am liebsten selbst das Tempo vor. In anspruchsvollem Terrain mit viel Auf und Ab fühlt sich die leichtfüßige Worldcup-Rakete von Nino Schurter am wohlsten.“ (BIKE 01/2014)
Zusätzlich frohlockte ich über das sehr niedrige Rahmengewicht von 976 g, welches 9 Kilogramm ohne fragwürdige Leichtbau-Parts ermöglichen sollte. Obwohl mir eine komfortable Bereifung, standfeste Bremsen und verlässliche Komponenten generell am wichtigsten sind, wollte ich dennoch kein Watt unnötig verschenken.
Eine gute Basis: Scale 700 RC
Der Scale 700 RC Rahmen aus HMX-Carbon zählt zu den leichtesten am Mountainbikemarkt und besitzt eine neue, exakt auf die Laufradgröße 27,5 Zoll und 100 mm Federweg zugeschnittene Geometrie.
Hingegen entwickelte sich die Wahl der richtigen Rahmengröße zur Wissenschaft, denn wie so oft lag ich irgendwo zwischen den Größen Medium und Large. Schlussendlich lief es auf einen Medium-Rahmen mit langer 400 mm Stütze hinaus - der Expertenrat von Hermann Pacal (Radsport Pacal) und Scotts-Größentabelle gingen in dieser Hinsicht konform. Das Large hätte zwar auch gepasst, allerdings mit geringer Überhöhung und einem extrem kurzen Vorbau.
Geometrie
Kurze Kettenstreben sorgen für hohe Agilität, während der 69-Grad-Steuerwinkel und das längere Oberrohr ein Plus an Stabilität garantieren. Dank des 73-Grad-Sitzwinkels und dem niedrigen Tretlager fühlt man sich "im Bike", anstatt darüber.
Komplettbike - Stage 1
Getreu meinem neuen Motto "Keep it simple and lightweight." montierte ich wieder eine Sram XX1 Schaltgruppe, dieses Mal mit gemäßigtem 32er Blatt. Da zu diesem Zeitpunkt die Magura Doppelkolben-Bremsen leider noch nicht erhältlich waren, mussten vorerst meine MT8 Dauerttestbremsen mit 180/160er Discs herhalten. Auch die Laufräder inkl. der Vredestein Black Panther Pneus entlieh ich meinem Ritchey 650B-Stahlrad.
An der Front sollte eine weiße Magura TS8 Federgabel mit eLECT, dem elektronisch gesteuerten Lockout, ihren Dienst verrichten. Die Kombination aus Voll-Automatik inklusive individueller Abstimmung oder manuellem Lockout per Funk, bei niedrigen 1.440 Gramm, klang verlockend.
Bei Vorbau, Lenker und Sattelstütze entschied ich mich für steife, stabile und hübsche Alu-Teile von Easton.
Leichtgewicht - Stage 2
Nach etlichen Ausfahrten hatte mich abermals der Tuning-Virus gepackt. 9 Kilogramm waren in meinen Augen zwar schon richtig wenig, aber ein bisschen sollte doch noch möglich sein - wie immer ohne Kompromisse bei der Haltbarkeit.
So rüstete ich auf Mavic Crossmax SLR Systemlaufräder mit Contis MountainKing in 650B um, denn 593 Gramm pro Reifen waren ein Wort. Auch die Montage vom XD-Freilauf ging einigermaßen schmerzfrei von statten, erforderte aber ein ruhiges Händchen beim Reinfummeln der Federn.
Sehr lohnend war der Wechsel von Trigger auf Grip-Shift. Nun konnte das Trigger-Kastl nicht mehr am Oberrohr anschlagen und die Griffgummis durch leichtere ersetzt werden. Die Funktion vom Grip-Shift gefiel mit knackigem Ansprechverhalten.
Letzte Zwischenmaßnahme war der Umstieg von rund auf oval. Der Rotor QX1 Ring fährt sich am MTB noch stimmiger, als am Renner. Was es gebracht hat sei dahingestellt - bergauf fühlte es sich gut an. Die Montage war mangels passendem Spider leider ein Wengerl ein Pfusch, aber die Schaltung funktionierte - auch heute noch.
hätten wir nicht den Mut,
etwas zu riskieren"
Vincent no Pain, Fahrtechnik-Gott
X-Bionic Panier & Northwave Schuhwerk
X-Bionic - Die Wunderwäsche aus Italien verspricht dem ambitionierten Radler eine aus Schweiß gewonnene Leistungssteigerung: wir haben auf Bikeboard in "The Trick - simuliert Hitze, kühlt früher" bereits ausführlich darüber berichtet.
Entgegen herkömmlicher Kompressionswäsche, übt X-Bionic mittels "Partial Kompression" den Druck nur über 1 mm starke Stege auf die Muskulatur aus, soll Muskelvibrationen reduzieren und Sauerstoff- wie Nährstoffversorgung verbessern und eine schnelle Regeneration fördern. Dadurch liegt der Stoff zwar eng am Körper an, quetscht ihn aber nicht wie eine Knackwurst zusammen.
Ich habe mich für die Effektor Biking Power Bib Tight und das Effektor Biking Power Shirt in Green Lime/Pearl Grey entschieden. Warum? Selbstverständlich weil die Panier farblich perfekt auf meine Northwave Hammer 3S abgestimmt war. Eine Leistungssteigerung konnte ich, wie auch meine BB-Kollegen, keine feststellen. Dennoch war das trockene Tragegefühl bei warmen, schwühlen Temperaturen ein angenehmes. Einziger Kritikpunkt, neben dem hohen Preis, müssen sich die winzigen und engen Rückentaschen gefallen lassen. Schnitt und Sitzpolster gehen in Ordnung, obgleich ich mir damit nicht die 210-km-Salzkammergut-Trophy zugetraut hätte und meiner Rapha-ProTeam-Bib den Vorzug gab.
Marathonbike - Stage 3
Einige Wochen vor dem großen Kräftemessen auf der Langdistanz der Salzkammergut-Trophy begann ich mit der spezifischen Vorbereitung und ackerte mich bei heißen, kühlen und besonders matschigen Verhältnissen über meine Haus-Trails. Schnell war klar, dass der superleichte Conti und ich keine allzu guten Freunde werden. Obgleich ein top Reifen mit gutem Grip, empfand ich die schmal geratene Dimension weniger Fehler-verzeihend und hinten deutlich unkomfortabler - bei einer geschätzten Fahrzeit von 15 Stunden am Hardtail kein unwesentliches Detail. Ich verließ mich auf mein Bauchgefühl und zog wieder die fetteren Vredestein Black Panther auf.
Glücklicherweise war zwischenzeitlich auch die neue 4-Kolben-Bremse MT7 von Magura verfügbar. Was für den Enduro- und Downhill-Einsatz reichen sollte, war für einen Angstbremser wie mich gerade gut genug. Vier Bremskolben sollten eine präzise Dosierbarkeit der Scheibenbremse ermöglichen und das leichte Performance-Flaggschiff zum sicheren Begleiter auf Extrem-Touren machen. Mit einem Gesamtgewicht (beide Zangen, Hebel, Scheiben, befüllte Leitung) von 754 g lag sie im direkten Vergleich zu meiner MT8 (584 g) gerade mal um 170 g darüber. In Anbetracht der grenzenlosen Bremspower und hohen Standfestigkeit eine marginale Differenz, die ich mit leichten Ritchey Carbon Komponenten (Vorbau, Lenker, Stütze) locker wegmachen konnte.
Extremtest - 210km Salzkammergut Trophy
Es sollte ein Highlight der besonderen Art werden - eine lange Tour der Freude. Leider kam es anders und es schiffte, schiffte, schiffte und schiffte. Der tiefe Boden, die rutschigen Abfahrten und die schlechten Sichtbedingungen erschwerten in den ersten Stunden die Bewältigung der Extrem-Distanz. Auf der anderen Seite trotzte das Material der Schlammschlacht und ich wurde mit super griffigen Reifen, standhaften Bremsen und einer perfekt funktionierenden Schaltung belohnt.
Aus technischer Sicht war das Durchkommen nie gefährdet und auch meine Pacing- und Ernährungsstrategie (an dieser Stelle ein großes Dankeschön an meinen Coach Reini Hörmann) ging wie geplant auf. Nachdem sich das Wetter bei Halbzeit stets besserte, konnte ich den Marathon sogar "relativ entspannt" in 13:42 Stunden, ohne Sturz oder technischer Gebrechen beenden.
Fazit
Scott Scale 700 RC Custom | |
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Modelljahr: | 2014 |
Testdauer: | 5 Monate, >1.000 km |
+ | Worldcup-Rakete |
+ | agil und spurtreu |
+ | leicht, steif und schlagfest |
+ | flexibles Achs-System |
+ | innenliegende Züge, einfach zu montieren |
o | Umwerfersockel fix laminiert und nicht abnehmbar (bei 1-fach) |
o | hintere Bremsleitung nur extern |
BB-Urteil: | Ein Traum von einem 650B-Bike - leicht, agil, spurtreu und steif. |
Der Scale 700 RC Rahmen verkörpert die optimale Basis für High-Tech-Freaks und 29er-Verweigerer. In Sachen Beschleunigung und Wendigkeit agiert es wie die ehemals führenden 26"-Bikes, was einerseits an dem geringen Unterschied der beiden Laufradmaße (26 vs. 27,5 Zoll) und andererseits an der perfekt zugeschnittenen Geometrie liegt.
29er Liebhaber und groß gewachsene Racer finden im nahezu äquivalenten Scale 900 RC den perfekten Begleiter für Training und Wettkampf.
Für mich eines der schönsten Hardtails mit dem gewissen "Worldcup-Touch", das mich während der gesamten Testdauer nie enttäuschte oder im Stich ließ und selbst übelst-klingende Steinschläge am Unterrohr locker wegsteckte.