
Bildbericht In Velo Veritas 2017
14.06.17 09:40 13.9592017-06-14T09:40:00+00:00Text: NoMan, Andy Blümel, Martin Friedl, NR22Fotos: NR22, Wolfgang Gerlich (6), Archiv RC Stockerau (9)Warum es eine Rundfahrt für klassische Rennräder braucht, um Hans Moser schlüssig mit Treibsand und Kellergatsch zu verbinden, und wieso das erste IVV-Jubiläum in Stockerau ganz sicher nicht das letzte war. Eine Best-of-Gallery mit Text für Neugierige und Nerds.14.06.17 09:40 13.9672017-06-14T09:40:00+00:00Bildbericht In Velo Veritas 2017
14.06.17 09:40 13.9672017-06-14T09:40:00+00:007 Kommentare NoMan, Andy Blümel, Martin Friedl, NR22 NR22, Wolfgang Gerlich (6), Archiv RC Stockerau (9)Warum es eine Rundfahrt für klassische Rennräder braucht, um Hans Moser schlüssig mit Treibsand und Kellergatsch zu verbinden, und wieso das erste IVV-Jubiläum in Stockerau ganz sicher nicht das letzte war. Eine Best-of-Gallery mit Text für Neugierige und Nerds.14.06.17 09:40 13.9672017-06-14T09:40:00+00:00Stockerau in den 1970er- und 80er-Jahren. Was auch immer in Österreich in Sachen Radsport passiert, hat mit der größten Stadt des niederösterreichischen Weinviertels zu tun.
Zahlreiche Eintagesrennen werden vom legendären Obmann des örtlichen Radclubs, Dietmar Pfeiler, organisiert, darunter im Olympia-Jahr 1984 Österreichische Staatsmeisterschaften. Die beim RC Stockerau unter Vertrag stehenden Fahrer bringen es zu beachtlichen Karrieren: Fünf Österreich-Rundfahrtssiege (Gerhard Zadrobilek 1981, Kurt Zellhofer 1983, Dietmar Hauer 1988 & 1990, Harald Morscher 1994), 25 Staatsmeistertitel, ein Wien-Gresten-Wien Sieg (Franz Spilauer 1984) und sogar eine WM-Bronzemedaille (100 km Mannschaftszeitfahren, Mario Traxl 1987) gehen auf das Konto des erfolgreichsten Radclub Österreichs; Mitte der 1990er-Jahre formiert der ÖRV aus der Stockerauer Talenteschmiede das U23-Nationalteam unter dem Namen „RC Tel-Mineralwolle – Team 2000“ mit Fahrern wie Werner Riebenbauer, Paco Wrolich, Matthias Buxhofer oder René Haselbacher.
Wenn du die Österreich-Rundfahrt gewinnen willst, musst du zum RC Stockerau gehen.
Ein in Rennradler-Kreisen geflügeltes Wort der damaligen Zeit- Gerhard Zadrobilek im (s.u.) gelben Trikot des Rundfahrtssiegers 1981. Sparkassendirektor Walter Rauch (re.) gratuliert, Vereinsobmann Dietmar Pfeiler (li.) schenkt ein.Gerhard Zadrobilek im (s.u.) gelben Trikot des Rundfahrtssiegers 1981. Sparkassendirektor Walter Rauch (re.) gratuliert, Vereinsobmann Dietmar Pfeiler (li.) schenkt ein.
Stockerau 2017. Der Spirit von damals ist zurück. Edle Stahlrenner recken ihre in der Sonne blitzenden Lenker und Kurbeln keck Richtung Rathaus, Rahmenschalthebel lugen aus nachlässig drübergestülpten Sturzringen hervor.
Von einem Tisch im Schatten ertönt lautes Gelächter. Die Staatsmeister und Olympioniken Hans Lienhart und Hans Summer, Ö-Rundfahrts- und Weltcupsieger Gerhard Zadrobilek, Ultracycling- und RAAM-Urgestein Franz Spilauer sowie Ö-Rundfahrts-Ikone und Glocknerkönig Rudi Mitteregger belieben zu scherzen: mit besagtem Herrn Pfeiler, der vor nunmehr 40 Jahren den anfangs als RC Jessernigg, dann M.U.T. und schließlich RC Tel-Mineralwolle legendär gewordenen Radverein Stockerau aus dem Nichts stampfte; mit Kurt Schneider, als Nachkriegs-Tour de France-Teilnehmer mindestens so berühmt geworden wie als einer der "Aff'n", welche Rudi Mitteregger 1974 das neue Hinterrad am Gaberl nicht schnell genug bringen konnten; oder mit Moderator Andy Blümel, noch so einer dieser in den 1980ern und -90ern bemerkenswert erfolgreichen (Vereins-)Kollegen.
- Die Herren Hans Lienhart, Gerhard Zadrobilek, Hans Summer, Franz Spilauer (v.l.n.r.) und
Rudi Mitteregger (stehend) plauderten über die glorreichen Zeiten des RC Stockerau. Alsbald kursierten legendäre Erzählungen - wen wundert's, angesichts der legendären Zeiten, über die parliert wurde.Die Herren Hans Lienhart, Gerhard Zadrobilek, Hans Summer, Franz Spilauer (v.l.n.r.) und
Rudi Mitteregger (stehend) plauderten über die glorreichen Zeiten des RC Stockerau. Alsbald kursierten legendäre Erzählungen - wen wundert's, angesichts der legendären Zeiten, über die parliert wurde.
Sie alle und fast 700 weitere Rennrad-Enthusiasten haben sich am zweiten Juni-Wochenende 2017 am Stockerauer Rathausplatz versammelt, um an diesem mehr als würdigen Ort ein ganz besonderes Fest zu feiern: den fünften Geburtstag von In Velo Veritas.
2013 wurde diese Rundfahrt für klassische Rennräder bis Baujahr 1987 erstmals veranstaltet und hat sich seither zu einem Geheimtipp für Retro-Fans aus aller Welt gemausert. Mit wechselnden Startorten und damit Strecken, genussvoll zelebrierten Einkehrschwüngen, Helden aus Jugendtagen zum Anfassen, absichtlich entschleunigtem Modus - Stempelkissen statt tickender Uhr - und dennoch unbestreitbarem sportlichem Anspruch begeistert sie mittlerweile mehr als doppelt so viele Aktive wie zu Beginn; wobei Starter- oder gar Profit-Maximierung der Veranstalter Ziel nicht ist.
"Wir möchten den Teilnehmern ein unvergleichliches Raderlebnis bieten", erklärt IVV-Koordinator Horst Watzl, nebst Streckenchef Michl Mellauer sowie Planungsleiter Martin Friedl einer der drei Event-Organisatoren.
Michl Mellauner, Martin Friedl, Horst Watzl
Herz, Hirn und Seele von In Velo VeritasMission erfüllt. Und zwar, noch bevor überhaupt der erste Pedaltritt auf einer der drei zur Wahl stehenden Strecken - genussreiche 70, anspruchsvolle 140 oder epische 210 Kilometer - getan wurde. Denn die bereits traditionelle Welcome-Party am Vorabend der Ausfahrt fand heuer erstmals direkt im Start-Ziel-Bereich der Ausfahrt statt. Ein nicht nur ob der legendären Location, kursierenden Heldengeschichten und milden Sonnenstrahlen magischer Abend. Auch der Werkelmann Oliver Maar trug einen wesentlichen Teil dazu bei.
Mit seiner Drehorgel verzauberte er den Platz musikalisch, wobei das Hans Moser-Repertoire zum Auftakt mehr Täuschung denn Einstimmung war. Je später es wurde, desto entfesselter nämlich der Werkelmann.
- Metallica von der Drehorgel, das war nun wirklich den meisten neu. Zum Niederknien. Nein, zum Aufstehen: Standing Ovations führten - dem drohenden Muskelkater von Oliver Maar zum Trotz - ins Zugabeprogramm.Metallica von der Drehorgel, das war nun wirklich den meisten neu. Zum Niederknien. Nein, zum Aufstehen: Standing Ovations führten - dem drohenden Muskelkater von Oliver Maar zum Trotz - ins Zugabeprogramm.
Das ist genussvoll, gelassen, im Hier und Jetzt, und passt damit sowas von gut ins Weinviertel!
Weinviertel-Tourismus GF Hannes Weitschacher, begeisterter Teilnehmer und mittlerweile im Besitz von drei Rädern, über die Veranstaltung."Die Leute tauchen hier ein in eine Welt, die eigentlich vergangen ist, für ein paar Stunden aber wieder zurückkehrt", erklärt sich Moderator Andy Blümel, seit Jahr 1 die Stimme von In Velo Veritas, was an dem Veranstaltungskonzept so funktioniert und fasziniert. "Gleichzeitig ist das hier ein Fest, bei dem man sich einfach wohl fühlt. Es kursieren Geschichten und Anekdoten von früher und selbst, wenn man nicht, wie ich, noch einige Rennen absolvieren konnte, bei denen man gemeinsam mit Stars wie Rudi Mitteregger am Start stand, sind diese Emotionen spürbar. Außerdem kann man im Weinviertel großartig Radfahren."
Was am Abend begann, setzte sich sodann bei Tage fort: Plauder und Blödel mit den Stars von anno dazumal, Genuss und Dolce Vita an den Laben und bei der Mittagsrast, Stil und Eleganz bei Fahrer und Rad, aber auch Schmerzen und Schweiß auf Feld und Flur.
Letzteres ist bei In Velo Veritas wörtlich zu verstehen. Zwar führten die ganz in den Westen des Weinviertels und - je nach Streckenlänge - sogar bis ins Waldviertel reichenden Rundkurse vorrangig über verkehrsarmen Asphalt. Aber öffentliche Straßen müssen in dieser ruhigen und stimmungsvollen Ecke Österreichs beileibe nicht befestigt sein, und manchmal rumpeln sie auch ganz fürchterlich.
Flankiert von ebenerdigen Häusern und geführt auf Kopfsteinpflaster, heißt derlei dann "Kellergasse" und gilt als besonders authentisches Zeugnis einer über Jahrhunderte gelebten Bewirtschaftungsart. Ehrensache, dass deren flüssige Erzeugnisse an den Labstationen in Ziersdorf, Retz und Eggenburg zur Wiederherstellung von Moral und Gelenksgeschmeidigkeit gereicht wurden.
Überhaupt, die Laben. Neben den Strecken bilden sie die Essenz von In Velo Veritas. Bananen sind den Veranstaltern völlig Banane. Bei den Zwischenstopps wird kredenzt, was die Heurigentische tragen können: immer regional, meistens bio, bodenständig und gut; außerdem süß oder salzig und von allem stets genug. Das ist ein bisschen wie Tafeln im Weinviertel, nur deutlich erdiger und im Ambiente kompatibel mit Unterzucker und Körperdunst.
Weinviertel DAC, Blunz'ngröstl und Kellergatsch
Typische Labstellen-Bestückung und Kraftnahrung der RegionWer die Strecken von In Velo Veritas übrigens einmal ganz privat abfahren möchte, findet hier entsprechende Hinweise. Drei Dinge fehlen dann aber ganz bestimmt: Die einzigartige Kulisse von 660 Stahlrennern mit Rahmenschaltung, Riemenpedalen und außenliegenden Bowdenzügen samt passendem Zubehör von Wolltrikot bis Lederhandschuh. Die verlockenden Laben, durch einen Besuch im Wirtshaus oder beim Heurigen zwar angebotsmäßig zu kompensieren, aber atmosphärisch halt doch eine vergleichsweise einsame Geschichte. Und das aus fast 20 Nationen bestehende Kollektiv von Gleichgesinnten, welches einen Leid' wie Freud' entlang des Weges noch intensiver verspüren und das Erlebnis In Velo Veritas somit noch unauslöschlicher bewahren lässt.
In Velo Veritas war von Anfang an eine geniale Idee, die immer besser wird.
IVV-Moderator Andy Blümel, seit jeher dabei und von der Jubiläums-Ausgabe als ehemaliger RC Stockerauer auch persönlich sehr berührtInsofern kann es an dieser Stelle eigentlich nur einen passenden Hinweis geben: Die Ausfahrt 2018 steigt am 9. und 10. Juni in Retz, und man kann sie allen Rad- und Retro-Fans eigentlich nur ans Herz legen – am besten gepaart mit den Wünschen von Weinviertel-Tourismus Geschäftsführer Hannes Weitschacher für die nächsten fünf Jahre an IVV-Veranstalter wie -Teilnehmer: „Dass ihre Freude noch weiterwächst ...“