
Simplon 2016
16.02.16 09:33 68.5972016-02-16T09:33:00+00:00Text: Reini HörmannFotos: Erwin HaidenEin österreichisches Traditionsunternehmen in Aufbruchsstimmung. Werksbesuch bei Simplon ein Jahr nach dem Einstieg neuer Partner, Strategen und Chefitäten.16.02.16 09:33 68.6892016-02-16T09:33:00+00:00Simplon 2016
16.02.16 09:33 68.6892016-02-16T09:33:00+00:0040 Kommentare Reini Hörmann Erwin HaidenDie Vorarlberger Radmarke Simplon steht seit ihrer Gründung für Innovation und höchste Qualität. Bis zum Rekordjahr 2007 verzeichnete der Familienbetrieb jedes Jahr satte Umsatzsteigerungen. Nach der Wirtschaftskrise wurde es ruhiger um die Traditionsmarke. Der Einstieg der Hannover Finanzgruppe in das Unternehmen sorgte 2014 für Gerüchte; und doch strahlte bei unserem Werksbesuch die Chefriege um die Wette …
Firmen-Geschichte
Aber blicken wir zuerst ein wenig in die Vergangenheit zurück. Im Jahr 1930 startete Josef Hämmerle mit einem Fahrradfachgeschäft; später in den 1950ern begann er zusammen mit seinen Söhnen Kurt und Heinz hochwertige Räder nach eigenen Vorstellungen zu bauen. Um die eigenen Qualitätsansprüche nach außen zu tragen, brauchte es folglich einen aussagekräftigen Namen. Man entschied sich für "Simplon", benannt nach einem Schweizer Alpenpass, denn die eidgenössische Qualität ist und war schon damals weltberühmt. Dieser Umstand sollte mit dem Namen transportiert werden. Datiert ist die Firmengründung auf das Jahr 1961, der Beginn einer wahrlich bemerkenswerten Erfolgsgeschichte, sportlich gekrönt mit dem Ö-Tour Sieg von Gerhard Zadrobilek im Jahr 1981.
Mit dem EU-Beitritt Österreichs wurde auch mit dem Verkauf von Simplon Rädern nach Deutschland und in die Schweiz begonnen. Simplon baute sowohl den Umsatz als auch die verkauften Stückzahlen von Jahr zu Jahr aus. Durch stetige Neuentwicklungen von höchster Güte im Highend-Bereich erarbeiteten sich die Hämmerles nicht nur bei den Kunden einen hervorragenden Ruf. Auch die Medien sparten in Tests nicht mit Lob für die superleichten und steifen Edelrenner aus Vorarlberg. Noch heute schwärmen Kenner von Rennrädern wie dem Vision, dem Pride oder dem Pavo. Allesamt waren diese Geräte ihrer Zeit voraus, allesamt galten sie als mit das Beste, was man zu ihrer Zeit für Geld kaufen konnte. Nicht viel unspektakulärer war die Entwicklung der Mountainbikes. Namen wie Mythos, Gravity und Cirex bleiben bei Geländefahrern unvergessen.
"Bei Vorstellungsgesprächen von Mitarbeitern achte ich vor allem auf den Charakter. Geschäftlich kann man fast alles lernen, charakterlich hingegen nicht."
Besuch eines alten Bekannten
Leser, die schon länger im Forum des Bikeboard mitdiskutieren, kennen die enge Verbundenheit des Autors mit Simplon. Ab Mitte der 1990er Jahre fuhr ich über zehn Jahre lang keine andere Radmarke bei Rennen. Heinz Hämmerle, der das Unternehmen äußerst erfolgreich führte, zeichnete dafür verantwortlich. „Ein Mann ein Wort“ - auf niemanden den ich kenne, passt dieser Spruch besser, und diese Eigenschaft zog sich wie ein roter Faden durch das gesamte Unternehmen: bodenständig, bescheiden und trotzdem visionär. Umso mehr waren wir bei unserem Besuch gespannt, was sich seit dem Einstieg des Investors aus Deutschland 2014 geändert hatte.
Kurz vor 13 Uhr läuteten wir an der Tür zum Showroom. Gleich darauf begrüßte uns ein Mann, der uns nicht nur mit Worten willkommen hieß. Übers ganze Gesicht wurden wir angestrahlt, und die Augen lachten mit. Stefan Vollbach stieg mit 01.01.2015 als Geschäftsführer ins Unternehmen ein. Dass er sich auch finanziell an der Marke Simplon beteiligte, sollte allen zeigen, wie fest er an das Unternehmen und dessen Zukunft glaubt.
Zum folgenden, sehr ausführlichen Gespräch gesellte sich dann auch der Leiter der Marketing-Abteilung, Ralph Kessler. Er wurde von Stefan Vollbach ins Team geholt, die beiden kannten sich von ihrer gemeinsamen Tätigkeit beim Sportartikelhersteller Head, ebenfalls mit Sitz im Ländle.
"Simplon ist und bleibt eine österreichische Marke, der Standort in Hard ist niemals hinterfragt worden."
'Born and raised in Austria' steht nicht zufällig auf dem Produktkatalog 2016Neuer Mehrheitseigentümer
Auch vor Simplon, mittelständisch, familiär und seriös geführt, machte die Weltwirtschaftskrise keinen Halt. Die verkauften Stückzahlen und der Umsatz waren in den folgenden Jahren leicht rückläufig, und mit Intersport Eybl ging ein Großkunde verloren. Trotzdem schrieb Simplon noch Gewinne. Doch auch in den nationalen Medien wurde es, wie eingangs erwähnt, ein wenig ruhiger um die Marke.
2014 wurde dann bekannt gegeben, dass die Hannover Finanzgruppe, eine auf mittelständische Betriebe aller Branchen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft, mit Mehrheitsanteilen in das Traditionsunternehmen einsteigen würde. Gerüchte von finanziellen Problemen folgten, recht spärliche Informationen über die wahren Hintergründe ließen den Spekulationen einigen Raum.
Stefan Vollbach klärt auf: „Der Einstieg der Hannover Finanzgruppe als Mehrheitseigentümer war weder die Übernahme eines angeschlagenen Unternehmens, noch die Folge von etwaiger Kapitalschwäche. Die Familie Hämmerle wollte einen zuverlässigen, strategischen Entwicklungspartner für die Marke Simplon."
Das Unternehmen wurde von Gründung an durch Mitglieder der Familie Hämmerle geleitet. In naher Zukunft ist jedoch kein Nachfolger in Sicht. Um die Zukunft der Marke und deren Konkurrenzfähigkeit zu sichern, schien es angebracht, einen Finanzpartner in das Unternehmen zu holen, aber dennoch große Firmenanteile zu behalten.
Obwohl nun nicht mehr rein in der Hand der Hämmerles, will auch die neue Leitung die familiäre Führungskultur im Unternehmen beibehalten bzw. pflegen. Der Rückgang der Verkaufszahlen nach der Weltwirtschaftskrise, hätten jedoch nach Ansicht von Vollbach und Kessler – wie auch die abnehmende Präsenz in den österreichischen Fachmedien – optimaler gehandhabt werden können; detto die Kommunikation nach außen während des Einstiegs der Hannover Finanz.
Simplon in Zahlen
11.000 Räder
20 Mio. Umsatz
49 Mitarbeiter am Standort Hard
2015 verteilten sich die gebauten Fahrräder folgendermaßen auf die Segmente: 17 Prozent Rennräder, 30 Prozent Mountainbikes, 32 Prozent Trekkingräder und 21 Prozent E-Bikes und Rahmen. E-Bikes gehen Richtung 25 Prozent, montiert mit Bosch und Alber Neodrive.
Auf zu neuen Ufern
Was braucht's nach Ansicht der neuen Strategen, um Simplon zu alter Stärke und darüber hinaus zu führen? In einem ersten Schritt sollen die deutschsprachigen Kunden wieder und verstärkt für die Fahrräder aus dem Ländle begeistert werden. Mittelfristig wollen sich Vollbach und Kessler mit Simplon auch in neue Länder vorwagen. Das Logo der Marke wurde, um die angestrebte Modernisierung zu verdeutlichen, bereits leicht adaptiert.
Das Entwicklungspotenzial ist prinzipiell vorhanden. Der Standort Hard bei Bregenz hat Kapazitäten für die Herstellung von 20.000 Fahrrädern. Diese Marke will man in den kommenden Jahren auch erreichen, ohne Massenanbieter zu werden.
Denn für sämtliche Vorhaben gilt: hochqualitative und individuell hergestellte Räder sollen's richten. Im Premium-Bereich will man wieder ganz nach oben, das Individualsystem wird hierfür noch weiter ausgebaut, Stichwort: Composing Bikes.
Durch dieses (bereits in der Vergangenheit praktizierte) Individualsystem will sich Simplon weiter von den Mitbewerbern abheben. Der Kunde wählt dabei aus einer Vielzahl von möglichen Komponenten, Farben, etc. und erhält sein Wunschrad über den Fachhändler innerhalb weniger Tage. Insgesamt stehen derzeit knapp 100.000 verschiedene Optionen zur Verfügung.
Produktentwicklung und Herstellung
Im Bereich der Forschung, Entwicklung und Herstellung wurden ebenfalls Änderungen - auch personell - vorgenommen. Rainer Sebal, ehemals Journalist in Sachen Radsport und aktiver Biker, zeichnet nun für Design und Qualität der Räder verantwortlich.
Grundsätzlich werden, getreu der bisherigen Historie, die Segmente Rennrad, MTB und Active Lifestyle bedient. In jüngerer Zeit ergänzten E-Bikes das Portfolio. Daran soll sich nichts ändern. Rainer Sebal will sich bei der Produktentwicklung jedoch noch stärker an den Wünschen der Kunden orientieren und "nach innovativen Lösungen suchen, um das Erlebnis Fahrrad noch weiter zu stärken."
Wiewohl am Puls der Zeit, soll das allerdings nicht bedeuten, auf jeden neuen Trend aufzuspringen. Das Thema "Fatbike" wurde beispielsweise völlig bewusst ausgelassen. Dafür war Simplon nach eigenen Angaben der erste Hersteller in Europa, der Flatmount-Aufnahmen auf Rennrädern verbaute.
"Leichtbau ja, Leichtsinn nein."
Um höchste Qualitäten im Rahmenbau zu erreichen, unterliegen sämtliche Bauteile äußerst engen Toleranzen, gekauft wird ausschließlich beim High End Carbon Lieferanten Toray.
Auch forciert man im Bereich der Forschung und Entwicklung den Einsatz von 3D Druckern, um schneller bzw. flexibler zu werden und schon in frühen Phasen einen neuen Rahmen haptisch wahrnehmen zu können.
Da die Reputation und Leistungsfähigkeit eines Herstellers oftmals an seinen Produkten im absoluten Top-Bereich gemessen werden, will man auch hier an die Erfolge früherer Zeiten (Pride, Pavo) anschließen. Leichtbau soll aber nicht zum Risiko werden. So liegen hauseigene Prüfungsverfahren allesamt über dem ISO-Standard, zusätzliche externe EFBe Prüfungen sorgen für weitere Sicherheitsreserven.
Ganz oben auf Simplons „To-Do-Liste" stehen außerdem verstärkte Kundenbefragungen bei ausgewählten Events, wie auch die engere Zusammenarbeit mit den Händlern, um die Bedürfnisse der Radfahrer noch besser zu verstehen.
"Wir bauen nicht einfach Räder zusammen, sondern erstellen Kompositionen auf Basis von Kundenwünschen."
Fazit
Unser Werksbesuch war geprägt von guter Stimmung, offenen Gesprächen mit tiefen Einblicken in die Firmenstrukturen und von höchster Gastfreundschaft. Die zuvor zitierte, positive Aufbruchsstimmung war in allen Abteilungen des Werks spürbar, dennoch hat man auch intern Entwicklungspotenzial in vielen Bereichen erkannt - und das ist gut so. Man kann dem neuem Team nur wünschen, dass sich die vielen ambitionierten Pläne entsprechend umsetzen lassen ...
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