
Radon Vaillant Red
02.07.15 06:21 38.4932015-07-02T06:21:00+00:00Text: NoFlashFotos: Erwin HaidenHeißt wie ein Durchlauferhitzer, ist aber tatsächlich ein Rennrad - und zwar ein schnelles. Langzeittest des Topmodells aus Radons kleinem, aber feinem Rennrad-Sortiment.02.07.15 06:21 38.5012015-07-02T06:21:00+00:00Radon Vaillant Red
02.07.15 06:21 38.5012015-07-02T06:21:00+00:0014 Kommentare NoFlash Erwin HaidenHeißt wie ein Durchlauferhitzer, ist aber tatsächlich ein Rennrad - und zwar ein schnelles. Langzeittest des Topmodells aus Radons kleinem, aber feinem Rennrad-Sortiment.02.07.15 06:21 38.5012015-07-02T06:21:00+00:00Versenderbikes haben bei unseren deutschen Nachbarn mittlerweile schon fast so etwas wie Tradition. Seit dem Jahre 2000 bietet auch die Firma H&S Bike-Discount unter dem Namen Radon eigene Räder an. Konzentrierte man sich anfangs vorwiegend auf Crosscountry Räder, hat man in der Zwischenzeit ein beachtliches Produktportfolio im Angebot.
Die Devise eines jeden Onlineversandes ist klar formuliert: Qualität zu einem vernünftigen Preis. Da für diesen Vertriebsweg der Zwischenhändler entfällt, können die Räder zum Teil deutlich günstiger verkauft werden als jene mit klassischem Vertriebsmodell.
Im Gegensatz zur direkten Onlinekonkurrenz aus dem eigenen Land haben sich die Bonner zusätzlich dazu entschieden, Kooperationen mit Fahrradhändlern vor Ort einzugehen. Der Endverbraucher hat dadurch den Vorteil, gleich ums Eck einen Spezialisten für sein Bike zu haben. Somit muss man sich nicht auf Fotos aus dem Internet verlassen, sondern kann sein Bike noch vor dem Kauf begutachten und in eigene Hände nehmen. Und bei Reparaturen kann man sich sicher sein, dass der Zangler weiß, was er tut.
Hier eine Auflistung aller Partnerbetriebe: www.radon-bikes.de/service/service-partner
Neben einer großen Auswahl an MTBs hat Radon auch eine kleine Rennradkollektion.
Das Portfolio wurde seit 2000 deutlich erweitert.Neben einer großen Auswahl an MTBs, die dem einen oder anderen schon bekannt sein dürften (Rich:art, seines Zeichens Bikeboard-Mitarbeiter des Jahrhunderts, hatte ja auch schon das Slide 150 getestet), hat Radon auch eine kleine Rennradkollektion. Uns wurde mit dem Vaillant Red das Topmodell zur Verfügung gestellt.
Der wuchtige, aerodynamisch optimierte Carbon-Rahmen überzeugt durch innenverlegte Züge, geringe Luftangriffsfläche, Pressfit-Tretlager und schnelle Optik. Sattelrohr, Sattelstütze, Ketten- und Sattelstreben wurden so konzipiert, dass sie windschlüpfrig sind. Dabei bleibt aber genug Platz, um 25 oder gar 28 mm Reifen für mehr Komfort genügend Luft zu bieten.
Fast schon typisch für Aero-Rahmen, ist auch das Vaillant kein Leichtgewicht, Steifigkeits- und Komfortwunder. Um den bauartbedingten Nachteil niedriger Steifigkeit aufgrund des Querschnitt der Rohre Herr zu werden, fallen Steuerrohr und Tretlager wie erwähnt sehr wuchtig aus.
Auf versteckte Bremsen wurde verzichtet. Das macht das Rad sicher nicht aerodynamischer, erleichtert allerdings Heimwerkerkönigen, wie ich selbst einer bin, das Einstellen der Bremsbeläge und Wechseln von Laufrädern verschiedener Felgenbreite ungemein.
Dank der „Doublehead“ Sattelstütze lässt sich die Sattelposition ganz schnell und einfach für eine aggressivere Position, wie z.B. bei einem kurzen Zeitfahren oder Triathlon nötig, um 3 cm näher an das Tretlager positionieren.
Wie schon am Namen des Rades zu erahnen, wurde es mit Srams Topschaltgruppe Red bestückt. Dies drückt das Gesamtgewicht des Vaillant nach unten. Hätte ich vor wenigen Jahren noch meine Nase wegen einer Kompaktkurbel an einem auf Geschwindigkeit ausgelegten Rad gerümpft, so sehe ich das nun als absolut zeitgerecht. Vielfahrer, die oft in den Bergen unterwegs sind, freuen sich über jeden zusätzlichen Gang, gerade wenn man mal einen schlechten Tag hat (was ja durchaus vorkommen kann). Speedjunkies hingegen, die bergab unbedingt 72 anstelle von 70 km/h fahren müssen, können ohne viel Aufwand die Übersetzung der Kurbel auf 52/36 umrüsten.
Tech Specs
Rahmen | Radon Vaillant | Kurbel | Sram Red 22, 50x34 Z. |
Größen | XS/S/M/L/XL | Tretlager | Sram Red 22 Pressfit |
Steuersatz | Vaillant Series Special | Kassette | Sram PG-1170, 11s, 11-26 Z. |
Gabel | Radon Vaillant Carbon | Kette | Sram PC-1170, 11s |
Vorbau | Syntace F109 31,8 mm | Brems-/Schalthebel | Sram Red 22 |
Lenker | Syntace Racelite CRD Carbon 31,8 mm | Schaltwerk | Sram Red 22 |
Laufräder | Mavic Cosmis Carbon SLS | Umwerfer | Sram Red 22, direct mount |
Reifen | Mavic Yksion Comp 23 mm | Bremsen | Sram Red |
Sattelstütze | Radon Vaillant Singlehead | Griffe | Profile Tape |
Sattel | Selle Italia SLR, MG | Gewicht (o.P.) | 7,1 kg |
Im Cockpit befinden sich hochwertige Anbauteile von Syntace. Diese gefallen durch niedriges Gewicht und hohe Steifigkeit. Für mich ist es schon fast erstaunlich, an einem auf Preis-/Leistung optimierten Rad so edle Anbauteile zu finden. Eine Freude für das Auge!
Der Carbonlenker liegt gut in der Hand und erleichtert aufgrund seines etwas geringeren Reach und Drop die Erreichbarkeit der Schalt- und Bremshebel in der Unterlenkerposition.
Bei den Laufrädern vertraut man auf bewährte Technologie vom Mavic. Zwar sind die Cosmic Carbone SLS weder die modernsten, leichtesten, aerodynamischsten, steifsten noch schönsten Laufräder. Allerdings kann man sie wohl als richtiges Arbeitstier bezeichnen. Und der Sound, den sie produzieren, macht außerdem normalerweise (Details s.u.) richtig Laune. Die aktuelle Version der Cosmic Carbone SLS wiegt keine 1.700 g. Addiert mit dem 190 g leichten Yksion Pro Pneu ergibt das ein akzeptables Gewicht.
On the Road
Da ich gerne sehr sportlich auf dem Rad sitze, habe ich mich für Rahmengröße M entschieden und mir gleich einen 130 mm Vorbau montieren lassen. Von der ersten Ausfahrt an fühlte ich mich am Radon wie in einem Maßanzug. Durch die aggressive Sitzposition fühlt sich das Radon verdammt schnell an.
Mein Testrad wurde mit bereits gekürztem Gabelschaft geliefert. Für mich kein Problem, allerdings wäre es dadurch nicht möglich, Spacer unter den Vorbau zu geben. Ich würde daher jedem, der sich das Rad zulegen möchte, empfehlen, mit Radon diesbezüglich vorab Kontakt aufzunehmen, um keine böse Überraschung zu erleben.
Das Fahrverhalten ist sehr ausgewogen. Das Rad rollt auf ebener Straße dank seines ausgezeichneten Geradeauslaufs sehr gut, macht allerdings auch im Bergaufsprint eine gute Figur. Auch wenn hier die etwas schweren Laufräder träge sind.
Tretlager und Lenkkopf sind merkbar steif, da gibt's nichts zu meckern. Hatte ich mir anfangs aufgrund der flächigen Sattelstütze noch Sorgen um meine Bandscheiben gemacht, war ich letztendlich positiv vom Komfort überrascht. Das Radon ist zwar kein Komfortwunder, allerdings federt es Straßenunebenheiten ganz gut ab, was möglicherweise an meiner Gewichtsklasse >80 kg liegt.
In Anbetracht des Preis-/Leistungsverhältnisses mehr als eine Überlegung wert.
Das meint der Ex-RacerDie Mavic Laufräder konnten mich hingegen nicht auf Anhieb überzeugen, was mich sehr wunderte, da ich schon einige dieser Laufradsätze in Verwendung hatte und immer sehr zufrieden damit war. Bei beiden Laufrädern war im starken Wiegetritt, aber auch bei hohen Geschwindigkeiten oder ruppiger Fahrbahn ein leichtes Scheppern der Speichen zu hören.
Zwar ist der Grip des Yksion Reifen auf trockener Fahrbahn ganz gut (ich hatte noch keine Gelegenheit, auf nassen Straßen zu testen), allerdings die Pannensicherheit praktisch nicht vorhanden. Binnen einer Woche zerfetzte es mir zuerst den hinteren, später den vorderen Reifen.
Beide Male fuhr ich im Wiegetritt über einen kleinen Stein und schon war es um die Reifen geschehen. Der vordere Yksion war an der Seite richtig aufgeschlitzt und ich kam sogar zu Fall. Zum Glück passierte es bergauf bei atemberaubenden 5 km/h und wir konnten darüber lachen, aber ich möchte nicht daran denken was in einer schnellen kurvenreichen Abfahrt hätte passieren können.
Über die Sram Red gibt es nicht viel zu sagen. Eine top Schaltgruppe, die sehr knackig schaltet. Nur das Einstellen des Umwerfers erwies sich als tricky - der Grund dafür erschloss sich vorerst nicht. Obwohl ich viel Erfahrung in der Einstellung von Rennradschaltungen habe, gelang es mir nicht wirklich, den Umwerfer zufriedenstellend zu adjustieren. Immer wenn ich dachte, dass es nun passe, wollte plötzlich die Kette beim zwanzigsten oder dreißigsten Schaltvorgang nicht mehr auf das große Blatt. Einige Versuche danach ging es wieder einwandfrei, nur um beim vierzigsten Schaltvorgang über das große Blatt zu springen. Des Rätsels Ursprung fand sich kurz nach Test-Halbzeit - dazu unten mehr.
Zwischenfazit
Mit dem Vaillant Red bietet Radon ein sehr attraktives Gesamtpaket. Der Rahmen weiß durch seine Fahreigenschaften und seine Steifigkeit zu überzeugen. Hochwertige Anbauteile von Sram und Syntace sind in dieser Preisklasse ein richtiger Hingucker. Einzig die nicht mehr ganz zeitgemäßen Laufräder von Mavic fielen bislang eher negativ auf.
In Anbetracht des Preis-/Leistungsverhältnisses ist das Vaillant für den ambitionierten Rennradler mehr als eine Überlegung wert.
Langzeit-Update
Jänner 2016 – Time to say goodbye! Beinahe acht Monate war das Vaillant Red insgesamt im Einsatz. Leider sammelte ich in dieser Zeit weniger Kilometer als ursprünglich vorgenommen. Dies lag einerseits daran, dass ich in ein neues Eigenheim gezogen bin; andererseits musste ich mich defektbedingt eine unerwartet lange Weile wieder vom Radon trennen.
Wie bereits weiter oben erwähnt, hatte ich einige Probleme mit dem Umwerfer der Sram Red 22. Einige von euch lagen mit ihrer Vermutung, dass es ein Problem des Anlötsockels sein könnte, genau richtig: Während einer Ausfahrt im Sommer riss es Umwerfer samt Sockel vom Rahmen, da die Nieten gerissen waren. Folglich musste das Rad zur Reparatur zu Radon zurückgeschickt werden.
Leider zog sich die Schadensbehebung in die Länge und ich bekam das Vaillant erst nach der Eurobike wieder. Ob der heiße Sommer oder die Messe-Vorbereitungen an dieser Verzögerung Schuld waren, sei dahingestellt. Fakt ist aber auch: Testräder beschreiten nicht die üblichen Kundenwege, ein direkter Rückschluss auf die Reklamationsabwicklung und Service-Qualität des Versenders wäre somit illegitim.
Somit stehen am Ende des Langzeittests nur ca. 4.200 km am Tacho. Kein Renommee für einen ehemaligen Rennfahrer, und auch kein Umfang, der echte Abnützungserscheinungen zu Tage fördern könnte. Andererseits sind gut 4.000 Kilometer auch nicht nichts und allemal genug, um Schwachstellen aufzudecken oder Ersteindrücke zu vertiefen bzw. revidieren.
So habe ich anfangs die Mavic-Laufräder wegen ihrer Geräuschkulisse und die Yksion-Reifen mangels Pannensicherheit kritisiert. Erfreulicherweise hat sich jedoch das Scheppern der Cosmic Carbone komplett gelegt. Warum, weiß ich ebenso wenig, wie davor, warum die Speichen überhaupt klapperten. Durch die Montage 25 mm breiter Vredestein Pneus wurde der Laufradsatz zudem alltagstauglich und verrichtete seinen Job seither anstandslos.
Nichts geändert hat sich hingegen bezüglich meiner ursprünglichen Einschätzung in puncto Einsatzbereich. Nach etlichen Ausfahrten im Land der tausend Hügel bin ich immer noch davon überzeugt, dass das Vaillant ein richtig guter Allrounder ist: Dank sportlicher Geometrie schnell in der Ebene, in den Abfahrten gutmütig und leicht zu kontrollieren, und in den Anstiegen trotz bulligem Aerorahmen leicht und steif genug.
"Ein richtig guter Allrounder."
Es bleibt dabei: Prädikat empfehlenswertNur mit dem Sram Umwerfer konnte ich mich selbst nach der Reparatur nicht wirklich anfreunden. Obwohl jetzt alles fest sitzt, zickt er immer noch ab und zu herum. Da helfen auch zehn Jahre Erfahrung als Zangler nicht weiter.
Und schließlich wurde meine Abneigung gegenüber der Red 22 bei meiner letzten Ausfahrt sogar noch weiter bestärk. Beim Antreten aus einer Kurve riss mir völlig unvermittelt die Kette. Diese wird nun durch eine bewährte Shimano Dura Ace Kette ersetzt, davon konnte ich noch keine zerstören. Möge Radon damit glücklich werden!
Schlussfazit
Radon Vaillant Red | |
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Modelljahr: | 2015 |
Testdauer: | 8 Monate, 4.200 km |
Preis: | € 3.199,- |
+ | Schnelle Optik |
+ | Gutes Handling |
+ | Sportlich ausgewogene Geometrie |
+ | Niedriger Preis |
+ | Hochwertige Anbauteile |
o | langwierige Reparatur des Anlötsockels |
- | Umwerfer auch nach Reparatur zickig |
- | LRS nicht mehr up to date und anfangs Scheppergeräusche; Pannensicherheit der Reifen |
BB-Urteil: | Einstiegsdroge in die Welt der Aerorenner |
Grosso modo bleibe ich somit bei meinem Fazit: Angesichts der tollen Ausstattung zu diesem Preis kann ich das Vaillant Red nur empfehlen!
Wie bereits erwähnt, werden die 2016 Modelle ausschließlich mit Shimano Schaltgruppen ausgeliefert. Damit würde das Vaillant zu einem Sorglos-Paket (denn beim defekten Anlötsockel gehe ich von einem Einzelfall aus) ganz nach meinem Geschmack ...