
Klempner Wheels: Tuning fürs Sequoia
26.11.17 09:15 46.1412017-11-26T09:15:00+00:00Text: Erwin HaidenFotos: Erwin Haiden, Luke BiketalkerMeister Bike Charly verwandelte ein Specialized Sequoia Elite vom Traktorbike in einen quirligen Rallyerenner.26.11.17 09:15 46.1442017-11-26T09:15:00+00:00Klempner Wheels: Tuning fürs Sequoia
26.11.17 09:15 46.1442017-11-26T09:15:00+00:0024 Kommentare Erwin Haiden Erwin Haiden, Luke BiketalkerMeister Bike Charly verwandelte ein Specialized Sequoia Elite vom Traktorbike in einen quirligen Rallyerenner.26.11.17 09:15 46.1442017-11-26T09:15:00+00:00Das Sequoia ist ohne Zweifel ein optisches Schmankerl (Infos, technischen Daten + Fotos gibt's hier im Showroom). Auch von der ursprünglichen Idee eines unkomplizierten Bikes zum Fotografieren auf der Straße, am Schotter und im Gatsch war ich begeistert. Die klassische Optik taugt mir, genauso wie der ganze neumodische Schnickschnack, die breiten Reifen und die Scheibenbremsen.
Nach der anfänglichen Euphorie verstaubte das Sequoia allerdings im Keller... bis zwei Klempner Wheels die Erlösung brachten.
Deshalb ist das jetzt eine Geschichte über Karl, den Retter meines Sequoias, langjährigen Bikeboardern auch bekannt als Bike Charly und seines Zeichens Guru der Laufräder, Meister der Speichen, König der Naben und Herr der Nippel. Aber der Reihe nach...
Mehr als Speichenspannung
Irgendwo zwischen Mödling und Schwechat in einer kleinen Werkstatt findet sich, was es für perfekte Laufräder braucht. Das ist in einer Zeit, in der Zentriermaschinen und Einspeichroboter so groß wie ein halbes Einfamilienhaus existieren, mehr, als man denken würde. Vielfahrer und Spezialisten wissen, wie wichtig gute Laufräder einerseits für die Gesamtperformance eines Bikes sind, und wie schwierig und zeitaufwendig es andererseits ist, ebensolche herzustellen - selbst maschinell.
Die Monster-Maschinen
Denn: Auch die großen Maschinen benötigen für Perfektion Zeit. Jede Iteration, die die Maschine benötigt, um alle Speichen zu kontrollieren und nachzuziehen, kostet Geld. Bei hohen Stückzahlen lässt sich so viel einsparen, indem man die Maschine einfach ein paar Wiederholungen weniger ausführen lässt, zu Lasten der Perfektion. Die Crux an der Sache ist jedoch, dass jede kleine Differenz bei der Speichenspannung, jeder Seiten- oder Höhenschlag die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sich im Laufe der Jahre bei entsprechend hartem Einsatz die Felge kaltverformt - mit dem Ergebnis des allseits bekannten Achters. Das Problem an einer kaltverformten Felge ist, dass man diesen Achter oder Höhenschlag zwar wieder zentrieren kann, die Speichenspannungen aber nie wieder so perfekt wie zu Beginn werden und der Kreislauf dadurch mit noch schlechteren Startparametern wieder von vorne beginnt.
Die Zutaten
Deshalb sind die besten Ingredienzien das Um und Auf. Drei Optionen standen für mich zur Wahl, wobei ich mich für die günstigste entschieden habe:
Tune King Kong / Ryde Edge 22 / DT Swiss Speichen ca. 1480 Gramm 780 Euro
Chris King R45 / Ryde Edge 22 / DT Swiss Speichen ca. 1600 Gramm 1050 Euro
Zutat #1:
Hope Evo Pro 4 / Ryde Edge 22 / DT Swiss Speichen ca. 1650 Gramm 620 Euro
Alles schön schwarz mit schwarzen Nippel, nur vom Feinsten, Tubeless, mit Disc und Steckachsen.
Zutat #2: Zeit
Zutat #3: Ein Zentrierständer
Zutat #4: Werkzeug
Zutat #5: Tensiometer zum Messen der Speichenspannung
Zuletzt die Wichtigste Zutat #6, ohne die so ein Projekt nur im Chaos mit jeder Menge verbogenem Metall enden würde: Bike Charly, also jemand mit viel Erfahrung, dem nötigen handwerklichen Geschick, dem Gespür und der Liebe zum Detail und zur Perfektion.
Der Meister am Werk
Es ist das Handwerk, das fasziniert. Wie ein Schmied, der mit Hammer und Feuer aus rohem Metall etwas Wunderbares schaffen kann, steckt, schraubt und veredelt Karl in dieser kleinen Werkstatt Laufräder auf Kundenwunsch, erschafft mit ganz wenigen Werkzeugen aus feinen Grundzutaten solide und verlässliche Laufräder, die großen Abenteuern gewachsen sind.
Dabei reicht die Bandbreite von minimalistischen, robusten Laufrädern wie jenen für mein Sequoia bis hin zu Bling-Bling Tuningteilen mit eloxierten Nippeln, Felgen und bunten Tunenaben passend zum Rahmen. Die Möglichkeiten kennen nur eine Grenze: Teile, von denen Karl selbst nicht überzeugt ist, werden aus Prinzip nicht verbaut. Zu groß wäre die Wahrscheinlichkeit, dass unzufriedene Kunden reklamieren oder vorhersehbare Reparaturen anfallen. Und so wurde schon der eine oder andere Auftrag abgelehnt, weil unter Reklamationen dieser Art die Leidenschaft leiden würde.
Das Ergebnis
Ein paar Wochen, nachdem ich den Haufen Metall in Karls Werkstatt fotografiert habe, der also zu meinen Laufrädern werden sollte, kam die PM: Alles fertig, abholbereit. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. So sehen sie also aus, die neuen Laufräder für's Sequoia. Die Edge-Pickerl habe ich kurz nach dem Fotoshooting entfernt, und so bleibt ein dezentes “Klempner Wheels” passend zur Rahmenfarbe auf der Felge.
Die Felgen passen perfekt zum Stil des Sequoia. Sie sind minimalistisch, schwarz, old school außen, mit dem “Klempner Wheels” Pickerl passend zur Rahmenfarbe auf der Felge, in leiwander Symbiose mit den schwarz/braunen Panaracer Reifen, innen mit moderner Technik, leicht, Tubeless, mit Scheibenbremse... und hab ich das “Klempner Wheels” Pickerl passend zur Rahmenfarbe schon erwähnt? Aber nicht nur optisch passen die Laufräder zum Sequoia; sie erst sorgen dafür, dass das Sequoia auch fahrtechnisch seiner soliden Optik gerecht wird.
Tech Specs
Original-Bauteil | Gewicht (g) | Tuning-Bauteil | Gewicht (g) |
Specialized Laufrad | 1057 | Klempner Wheels vorne | 784 |
Specialized Laufrad | 1258 | Klempner Wheels hinten | 899 |
Specialized Reifen vorne | 575 | Panaracer Gravelking Mud | 360 |
Specialized Reifen hinten | 575 | Panaracer Gravelking SK 700x43C | 493 |
Summe LR | 3465 | Summe LR | 2536 |
FSA Kurbel | 819 | power2max NG mit Rotor-Kurbel | 729 |
4284 | 3265 |
Sequoia Zielgruppen
Eignung | Eigenschaften | |
Abenteurer | Kloa! Das passt wie der Cappuccino-Milchschaum in den Bobobart. Rein die die Holzhacker-Hemden und auf in's große Abenteuer abseits ausgetretener Pfade. | |
Aussteiger | Sicher! Mit Aufnahmen für Bleche und Taschen sollte genug Platz sein für's Nötigste, um nach Norwegen, Finnland oder in irgendeinen Wald auszuwandern. | |
Büropendler | Commuter-Bag in Jeans-Optik drauf, und am Gürtelradweg auf die Scheibenbremsen vertrauen. Im Büro den ABUS-Schiffsanker nicht vergessen und präventiv den Jeans-Sattel mitnehmen. | |
Mountainbiker | Für Experimentierfreudige, sofern es nicht zu steil wird, ein leiwander Hardtail-Ersatz. Hier wird Fahrtechnik neu definiert. | |
Querfeldeinhobetten | Wer die Masse in Schwung und die Original-Laufräder um die Kurve bringt, bleibt beim ersten Baum mit dem Lenker hängen. | |
Asphaltcowboys | Wer im Defender auf der Autobahn von Wien nach Innsbruck kein Problem hat, wird auch das leiwand finden. | |
Bergziegen | Ziegen? Kühe wohl eher und Kühe sind nicht schnell, Mammutbäume noch weniger, alles klar? | |
Zeitfahrer | Jetzt wird's absurd. |
Das alte Sequoia
Rein optisch fand ich das Sequoia Elite von Anfang richtig g’schmackig (Infos, technischen Daten + Fotos gibt’s hihr hier im Showroom). Ja, über die Carbon-Gabel kann man streiten, aber die ist, denke ich, in der Art einfach nötig, um die Momente der Scheibenbremse aufzunehmen und dabei noch ein wenig Komfort an den Lenker weiterzugeben. Dafür bietet das Sequoia eine gelungene Mischung aus klassischem Look und modernen Lösungen, dazu die Möglichkeiten, Bleche zu montieren und auch sonst jede Menge netter Details, wie die Plakette, den kleinen Bären am Unterrohr, die gelaserte Ahead-Kappe oder das glänzende Specialized-Logo.
Das größte Manko waren, wie im Video erwähnt, die Laufräder. Nach der ersten Ausfahrt verstaubte das Specialized lange Zeit, bevor ich im Herbst zu Tuning-Maßnahmen gegriffen habe. Das träge Fahrverhalten und der geringe Grip abseits vom Asphalt ließen einfach keine Stimmung aufkommen.
Das neue Sequoia
Durch die neuen Laufräder und Reifen hat sich das Fahrverhalten massiv gewandelt. Man muss sowas echt mal erfahren haben: Die 500g weniger an der Vorderachse und die schmaleren Reifen machen das Bike so viel wendiger und agiler, dass es im Gelände jetzt so richtig fetzt. Vom Mountainbike kommend hat man mit Rennlenker, den schmalen Reifen und ohne gedämpftes Fahrwerk plötzlich das Gefühl, unendlich schnell unterwegs zu sein - und noch ein Euzerl schneller über Wurzeln und Steine. Die wahre Stärke spielt das Sequoia aber auf flachen Feld- und Wiesenwegen aus. Laufräder, Gabel und Rahmen vermitteln ein sicheres und solides Gefühl auch bei schnellen Manövern.
Der Lenker polarisiert. Ich find ihn gut, etwas gewöhnungsbedürftig ist die Position an der Bremse, aber wenn in Kürze die fetten Ortlieb-Sattel und -Rahmentaschen am Rad sind, ist dieses Steuerhorn an der Front sowas wie der Rüssel, der den Elefanten in Balance hält.
Die restlichen Komponenten funktionieren solide. Die Kurbel habe ich noch gegen eine Rotor-Kurbel mit power2max NG getauscht, und Schaltwerk und Umwerfer werde ich noch durch neue Ultegra-Teile ersetzen. Von den Bremsen bin ich positiv überrascht: Von flotten Abfahrten im Regen die Hohen Wand runter, mal auf Asphalt, mal auf Schotter, zeigten sie sich gänzlich unbeeindruckt. Wie es mit Kamerarucksack vom Hochtor nach Heiligenblut aussieht, konnte ich leider noch nicht testen - ich werde es aber hier kundtun, wenn ich’s schaffe, die 11k g auf der anderen Seite hochzuwuchten.
Fazit
Specialized Sequoia Elite 2017 | |
---|---|
Testdauer: | 2 Monate |
+ | die neuen Laufräder |
+ | Optik |
+ | Jeans-Stoff |
+ | Schöne Details |
+ | Vielseitigkeit |
+ | klassischer Look |
+ | moderne Komponenten |
o | Preis |
- | Original-Laufräder |
- | Gewicht |
BB-Urteil: | Dank Klempner Wheels Tuning ein vielschichtiges Bike für Abenteurer |
Jetzt bin ich in dieser Geschichte doch noch ein wenig auf's Rad eingegangen. Dabei gebührt die Ehre tatsächlich Bike Charly und seinen Klempner Wheels: Erst sie haben das Sequoia gerettet und aus dem Specialized das Rad gemacht, das ich mir ursprünglich erhofft habe.
Für EUR 1.899,- Listenpreis bekommt man eine wirklich schöne Optik mit vielen netten Details, klassischen Look modern interpretiert mit dem großen Manko der schweren Laufräder und des relativ hohen Gewichts. Wobei mich letzteres weniger gestört hat als das ursprünglich sehr träge Fahrverhalten.
Am Ende ist das Specialized Sequoia doch noch eines meiner aktuellen Lieblingsteile im Fuhrpark geworden. Ein wirklich schönes, unkompliziertes Stahlrad mit modernen Komponenten, eines das man beim Fotografieren schnell mal in die Wiese legen kann, mit dem man auf Asphalt Meter machen und im Gatsch und Schotter Spaß haben kann. Eines, auf das man Bleche oder Taschen montiert, mit dem man in die Arbeit pendeln kann und dank Scheibenbremsen auch im Gelände bei Regen kein Problem hat.
Graveln bedeutet für mich als Mountainbiker, im dunklen Herbst und Winter nicht im Wald oder auf der Straße fahren zu müssen, Sonnenuntergänge und Abenteuer zu erleben, indem man einfach einer Linie am GPS nachfährt und unbekannte Wege entdeckt. Es ist eine langstreckentaugliche Abwechslung zum Mountainbike.
Mehr als Speichenspannung |
Die Monster-Maschinen |
Die Zutaten |
Der Meister am Werk |
Das Ergebnis |
Sequoia Zielgruppen |
Das alte Sequoia |
Das neue Sequoia |
Fazit |
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