
TRP DHR-EVO
05.08.21 05:22 7.5482021-08-05T05:22:00+00:00Text: Luke BiketalkerFotos: Erwin Haiden, Dirk Belling/TRP, Intense Factory RacingTRPs mächtigster Anker war einst fürs E-Bike geplant, fand dann im DH-Worldcup mächtig Anklang und macht mit seiner Standfestigkeit tatsächlich auch als lohnendes Upgrade für Einsteiger Sinn.05.08.21 05:22 7.6982021-08-05T05:22:00+00:00TRP DHR-EVO
05.08.21 05:22 7.6982021-08-05T05:22:00+00:0021 Kommentare Luke Biketalker Erwin Haiden, Dirk Belling/TRP, Intense Factory RacingTRPs mächtigster Anker war einst fürs E-Bike geplant, fand dann im DH-Worldcup mächtig Anklang und macht mit seiner Standfestigkeit tatsächlich auch als lohnendes Upgrade für Einsteiger Sinn.05.08.21 05:22 7.6982021-08-05T05:22:00+00:00Die Geschichte von TRP, wie die Higheend-Produkte mit Tektro verschwägert sind, und wie es zur mächtigen TRP DH-R EVO kam, daran können sich aufmerksame Leser wohl noch aus unserer Story aus dem Vorjahr erinnern. Doch die (Entwicklungs-)Geschichte der DH-R EVO verdient es, ob ihrer Einzigartigkeit ein weiteres Mal aufgewärmt zu werden.
Dazu ist ein kleiner Zeitsprung, präziser: ein Sprung in den Sommer 2018, nötig. Intense Team-Fahrer Neko Mulally war damals - so wie sein ganzes Team - auf Bremsen von TRP unterwegs. Eher zufällig stolperte er beim Entwicklerteam über ein E-Bike-Projekt mit Features, die des Downhillers Interesse weckten.
TRPs Entwicklungsabteilung war zu diesem Zeitpunkt gerade drauf und dran, eine gänzlich neue, E-MTB-spezifische, hydraulische Scheibenbremse zur Serienreife zu bringen. Markantestes Feature der Bremse: 2,3 mm starke und im Durchmesser bis zu 223 mm große Rotoren. Technisch ein großer Sprung gegenüber den üblichen 1,8 mm Scheiben mit maximal 203 mm Durchmesser.
Worldcupper Mulally roch sofort Lunte. Schließlich war der Wandel im DH-Weltcup von 26“- auf 27.5“- und hin zu noch größeren 29“-Laufrädern an den Bremsen bis dato nahezu spurlos vorübergegangen. Die Räder wurden größer, die gefahrenen Geschwindigkeiten durch das bessere Überrollvermögen und moderne Geometrien höher, die Kurse steiler und schneller und die auftretenden Kräfte entsprechend ebenso gewaltiger. Bloß die Bremspower wurde nur in Nuancen adaptiert. Wenig verwunderlich also, dass Mulally an den großen Scheiben Gefallen fand.
Die Begeisterung über die „Entdeckung“ erweckte auch bei Teamkollege Aaron Gwin rasch Aufmerksamkeit. Und der war von der E-MTB Bremse mit kreativem Namen TRP E-MTB derart begeistert, dass er damit noch im selben Jahr über den UCI Downhill-WM Kurs in Lenzerheide bretterte.
Mit dem 223/2.3 mm Rotor fuhr er direkt auf Rang 5, nach der erfolgreichen „Feuertaufe“ in der Schweiz hatten zum Weltcupauftakt 2019 in Maribor plötzlich sämtliche von TRP gesponserten Teamfahrer die E-Bike-Bremse an ihre Downhiller geschraubt.
Um seinen WC-Teams und in weiterer Folge natürlich uns Kunden das bestmögliche Produkt bieten zu können, sprang auch das Entwicklerteam auf die positiven Rückmeldungen der Fahrer auf. Man reiste zu Teamcamps, war bei den Rennen in Maribor, Leogang, Les Gets und Snowshoe vor Ort. Eifrig wurden Daten gesammelt, Feedback von Fahrern und vor allem auch an den Bremsen arbeitenden Mechanikern eingeholt.
Um den Ansprüchen an Bremsleistung und Wartungsfreundlichkeit auf Weltcupniveau gerecht zu werden, wurde der Erfahrungsschatz der Profis also aktiv in die Entwicklung einbezogen. Man wollte die Teams nicht vor fertige Produkte stellen, sondern eine Bremse von Fahrern für Fahrer bauen. Und natürlich sollte die im Weltcup gereifte E-MTB-Bremse schlussendlich auch am freien Markt höchste Performance abliefern - sowohl am unmotorisierten Untersatz, als auch am E-Bike.
Niemand geringerer als Scott DH Factory-Rider Brendan Fairclough war es schlussendlich, der im Rahmen der legendären Red Bull Rampage das Endprodukt der gemeinsamen Entwicklungsaufwände zum ersten Mal höchst offiziell aus dem Starthaus rollen ließ: die TRP DH-R EVO.
TRP DH-R Evo im Detail
"Herz" der TRP DH-R EVO sind wohl die Scheiben. Entgegen dem "Standardmaß" mit 1,8 mm sind sie 2,3 mm stark. Zur besseren Veranschaulichung: Das entspricht in etwa dem Unterschied zwischen einer Kupfer- und einer Zwei-Euro-Münze!
Bis zu 47 % höhere Seitensteifigkeit und eine um immerhin 8 % größere Hitzebeständigkeit verspricht der Hersteller allein schon durch die gewonnene Materialstärke.
Weiteres Geheimnis der Power ist aber auch der größere mögliche Durchmesser der Rotoren. 223 mm sind das Maximum, 220, 203 und 180 mm stehen ebenfalls zur Wahl. Ein kleiner "Disclaimer" an dieser Stelle: Vor dem Einbau der mächtigen Scheiben sollte man die Freigaben von Rahmen und Gabel überprüfen.
Ausdrücklicher Wunsch der Teamfahrer war ein optimierter 1-Finger Hebel samt werkzeugfreier Hebelweiten-Verstellung. Der bestehende Alu-Bremshebel wurde demnach nicht nur in seiner Ergonomie überarbeitet, sondern auch mit Laserbohrungen versehen, um Halt und Bremsgefühl weiter zu verbessern.
Ebenfalls kein Leichtes für die Entwickler: den Ölfluss im Bremssattel neu zu gestalten. Die E-Bremssättel verfügen nun über eine verbesserte Ölflussgeschwindigkeit, eine (für Laien wohl kaum wahrnehmbare) höhere Reaktionsgeschwindigkeit an der Hinterradbremse, sind einfacher zu entlüften und stabiler gebaut.
Am Geber wurden dazu 9 mm Bremskolben implementiert. Sie bieten ein geändertes Übersetzungsverhältnis und somit ein deutliches Plus an Power. Perfekt für besagte 1-Finger Hebel und vor allem auch für einen reduzierten Kraftaufwand und somit - auch für Laien - spürbar verringerten "Arm-Pump".
- neu entwickelte Bremsbeläge
- Performance-Mineralöl bis 230° C hitzebeständig
- druckstabilere 5 mm Bremsleitungen
- neue CNC Adapter
- 223/220/203/180/160/140mm Rotoren mit 2,3 mm Stärke
- optimierter E-Bremssattel mit verbessertem Ölfluss
- neuer 9 mm Bremshebelkolben
- ergonomischer 1-Finger Bremshebel mit werkzeugloser Hebelweiten-Verstellung
- Gewicht: 310 g (Vorderbremse ohne Rotor und Adapter)
- Preis: Einzeln: 199 € / Satz: 398 €
- Web: trpcycling.com
Um dem höheren Druck durch die geänderte Übersetzung gerecht zu werden, kommen neue 5 mm Hydraulikleitungen zum Einsatz. In deren Innerem fließt ein gänzlich neues Mineralöl. Dieses bietet dank geringerer Viskosität nicht nur höhere Fließgeschwindigkeiten, sondern ist auch bis 230° hitzebeständig ("Standard" sind etwa 180°).
Eine Auswahl an neuen Belägen mit mehr Belagstärke, verbesserter Hitzebeständigkeit und vor allem verkürzter Einbremszeit gehören ebenfalls zum Paket.
Und wenn wir schon bei den Pads sind: Sollte auf Tour mal kein TRP-Belag zur Hand sein, verrichten zur Not auch Shimano-kompatible Beläge ihren Dienst. Ein positives Zeichen dafür, das bei TRP der zufriedene Kunde vors Geschäft zu gehen scheint. Denn Shimano-Beläge führt wohl selbst der kleinste Shop im entlegensten Winkel der Alpen, die Verschleißteilversorgung auf Tour scheint damit gesichert.
In der Hand
Dass wir Laien von Entwicklungen aus dem Profisport, sofern die Entwickler ihren Teams zuhören, profitieren, ist bekannt. So war manch Berufsfahrer den permanenten Griff zum Schnellspanner am Sattelrohr leid - und drängte seine Sponsoren zur Entwicklung praktikabler Dropper-Posts. Fortschritte in der Geometrie, breitere Reifen auf breiteren Felgen - danke Nino & Friends - und vieles mehr fand den Weg über innovative Mechaniker und Fahrer in die Ohren der Hersteller und in weiterer Folge an unsere Räder.
Dass Mulally damals das Potenzial der Bremse mit den 223 mm Scheiben erkannte, ist wenig verwunderlich. Weitaus bemerkenswerter ist da schon, dass ein E-Bike-Produkt vom DH-Weltcup okkupiert und perfektioniert wird - um danach sowohl an schweren E-Bikes als auch an Bikes ohne Hilfsmotoren groß aufzeigt.
Grundsätzliches vorneweg: Das Bremsgefühl der TRP liegt irgendwo zwischen einer Magura und einer Sram. Weder extrem on/off, noch auffallend weich, eher eine gut dosierbare Mitte. Und nach etwas Eingewöhnungszeit vor allem auch in Paniksituationen noch sicher und präzise.
Beeindruckend ist vor allem, dass die Bremse auch nach hunderten Metern der verblockten Dauerbremserei in steilem Gelände immer noch extrem präzise verzögern kann und sogar dann noch ein Hinterradversetzen und Ähnliches erlaubt. Hinsichtlich Standfestigkeit also u.a. ein Tipp für „Schleicher"! Wir sind die TRP übrigens mit 223 mm Scheiben gefahren ...
Und hier kommen wir auch gleich zum Stichwort. Im Laufe des Tests hatten wir eine Handvoll Piloten auf das Conway Xyron 427, welches als Testmuli fungierte, gesetzt. Mancher wusste, weshalb er im Sattel saß, mancher bekam das Rad völlig ohne weitere Instruktionen mit auf den Weg. Was sich abzeichnete: Jeder, der das Rad auf Touren mit vielen Tiefenmetern am Stück bewegt hatte, schwärmte von der hohen Standfestigkeit der Bremsen.
Eine Standfestigkeit, die auch der Verfasser dieser Zeilen auf mittlerweile zwei Testrädern sowohl in den langen Abfahrten rund um Nauders als auch auf steilen Trails in der steirischen Heimat liebgewonnen hat. Egal, wie nass der Trail, egal, wie langsam das Tempo: Bremskraft und Dosierbarkeit sind nicht klein zu kriegen. Und die Unterarme, die bleiben durch die geringen nötigen Kräfte ebenfalls lange frisch.
Perfekt also nicht nur für schnelle Racer, sondern auch für den wachsenden Markt der E-Biker. Hier sehen wir in den TRP ein äußerst sinnvolles Upgrade.
Ohne jemandem zu nahe treten zu wollen: Viele der Neulinge am Berg, auch innerhalb unseres Freundeskreises, bewältigen mit dem E-Bike Steigungen, die sie seit Jahren nicht mehr, vielleicht sogar noch nie, bewältigt haben. Und viele dieser Fahrer (bitte nicht falsch verstehen, wir begrüßen die Vernunft) gehen dann mit einer gehörigen Portion Respekt in Forststraßenabfahrten. Bremsen quietschen, stinken, faden und gehen in die Knie, Unterarme werden durch die hohen nötigen Kräfte hart und das Sicherheitsgefühl sinkt auf ein Minimum ... Was dann die Geschwindigkeit noch weiter senkt und das Problem potenziert.
Auch, wenn es an der Bremstechnik grundsätzlich nichts auszusetzen geben sollte: extrem langsame, vermeintlich sichere Geschwindigkeiten und das eine oder andere Kilo zu viel im System sind für viele Bremssysteme einfach too much. Und genau hier kommen standfeste Anker im Stile der TRP DH-R EVO ins Spiel.
Klar, vor allem Einsteiger sollten sich im Flachen einige Meter an die Power eines DH-Ankers vom Kaliber der TRP gewöhnen. Doch gerade sie profitieren dann in langen Abfahrten am meisten von den Features aus dem Weltcup. Und ja, ich meine es als Kompliment, wenn ich sage: Ich würde die TRP meinem dem E-Bike und den Almen nicht abgeneigten Großvater mit Liebe an sein Bike schrauben.
Doch auch die erfahrene Klientel zeigte sich von der TRP begeistert. Testfahrer Mo und sein Sohn z.B. gingen damit auf den Wechseltrails ans jeweilige Limit. Nach einem langen Wochenende war die Anfrage am Montag recht eindeutig: „Können wir die Bremse auch für mein Merida besorgen?“ Konkreter Vergleichspartner war in diesem Fall eine Vier-Kolben XT-Bremse aus dem Hause Shimano. Vor allem die Kontrolle und das Bremsgefühl über ruppige Untergründe hatte überzeugt.
„Präzise und kräftig, für mich 9 von 10 Punkten“ attestierte der durchwegs flott ans Werk gehende Sohnemann nach seinen Testrunden.
Viel Licht also, mit einer Bremse die sowohl abfahrtsorientierten Bikern als auch Einsteigern am (E-)Bike in langen Schotterabfahrten helfend unter die Arme greifen kann. Eine Reihe schlauer Features bringt spürbar verbesserte Standfestigkeit, vor allem mit den von uns getesteten 223 mm Scheiben. Die Unterarme bleiben länger frisch, die Bremserei bleibt präzise.
Allerdings, und das sollte auch gesagt werden, sind die aktuell verbauten Hebel eher für größere Hände geeignet. Kleinen Händen und kurzen Fingern kann der Hebel zu lang ausfallen, trotz der perforierten Oberfläche liegen diese dann nicht ganz so sicher am Zeigefinger auf und verlangen nach mehr Konzentration. Wird es sehr ruppig oder der Hebel feucht, bieten Magura oder Shimano kleinen Händen mehr Griffsicherheit.
Fazit
Mit der DH-R EVO ist TRP ein großer Wurf gelungen. Wie man am Conway Xyron 427 - dessen Testbericht gibt's übrigens hier - sieht, sind auch schon die ersten Hersteller auf den vielseitigen DH-Anker aufgesprungen und haben das Potenzial abseits der härtesten Weltcupkurse erkannt.
Denn auch wenn die Bremse mit Doppelbrückengabeln, großen Sprüngen und nassen Wurzelfeldern im Hinterkopf entwickelt wurde - profitieren können auch Einsteiger am E-Bike von der standfesten, gut dosierbaren Bremse mit den Riesenscheiben. Denn die DH-R EVO verzögert nicht nur nach hunderten steilen Tiefenmetern am Trail präzise und berechenbar wie am ersten Meter. Vielmehr treffen all diese Eigenschaften auch für lange Abfahrten über Schotterpisten oder gemäßigte Pfade zu. Erst recht dann, wenn Fahrkönnen und Vernunft zu langsamer Gangart raten. Gerade hier gibt die Standfestigkeit Sicherheit, sorgt die geringe Hebelkraft für einen lockeren Griff am Lenker und bleiben die Unterarme länger locker.
Ein Vorteil, den zumindest unser Team an Trailbike und Enduro gerne gegen die vielleicht 100 Gramm Mehrgewicht durch die großen und dicken Scheiben einzutauschen bereit ist.
Von Profis entdeckt, von Profis entwickelt - aber trotzdem mit klaren Vorteilen, die auch Otto Normalverbraucher spürbar die Tour versüßen.