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Merida One-Sixty FR First Ride

Merida One-Sixty FR First Ride

22.09.23 10:35 2.788Text: Ralf Hauser
Ralf Hauser
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Fotos: Paul Box, Merida, NR22
Mit 180 mm Federweg an der Front und 171 mm am Heck geht Merida mit dem One-Sixty FR in die Vollen. Stahlfeder-Dämpfer, Mixed Wheel Setup und robuste Ausstattung stehen im Vordergrund, genauso wie der hohe Fun-Faktor und das einladende Preisschild.22.09.23 10:35 3.403

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22.09.23 10:35 3.40312 Kommentare Ralf Hauser
Ralf Hauser
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Paul Box, Merida, NR22
Mit 180 mm Federweg an der Front und 171 mm am Heck geht Merida mit dem One-Sixty FR in die Vollen. Stahlfeder-Dämpfer, Mixed Wheel Setup und robuste Ausstattung stehen im Vordergrund, genauso wie der hohe Fun-Faktor und das einladende Preisschild.22.09.23 10:35 3.403

Der Rahmen des One-Sixty FR ist keine Neuentwicklung sondern entspricht jenem Alumuminium-Modell des regulären One-Sixty. Somit teilt er sich dessen Bauweise, Features und Eigenschaften.
Die Unterschiede beim One-Sixty FR werden hauptsächlich durch die Federgabel mit 180 mm Federweg, also 10 mm extra, erzielt. Dadurch werden gleichzeitig der Lenk- und Sitzwinkel für einen Schuss mehr an Gravity-Tauglichkeit abgeflacht und das Tretlager eine Spur angehoben.

Egal, ob man es somit als Super Enduro, Bikepark-Shredder oder Freerider in Betracht ziehen will: Mit seinem Fokus auf hochwertige Federungskomponenten, Reifen und Bremsen will es den Spagat aus Erschwinglichkeit bei möglichst hoher Performance im Gravity-Bereich schaffen.
Der Spaß beginnt nämlich bereits ab 2.999 Euro - eine Kampfansage an Firmen mit Direktversand.

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Der Rahmen

Beim Federungskonzept des One-Sixty FR mit LITE III-Rahmen aus Aluminium handelt es sich um einen Eingelenker mit Hebelanlekung des Dämpfers. Dabei kommt ein sogenanntes P-FLEX Flexstay zum Einsatz, sprich: Auf ein zusätzliches Lager in der Nähe des Ausfallendes an Sitz- oder Kettenstrebe wird zugunsten von höherer Steifigkeit, Gewichtsreduktion und Wartungsfreundlichkeit verzichtet. Der natürliche Flex des Rahmenmaterials und die spezielle Form der Rohre nimmt die leichte Positionsveränderung der Elemente des Hinterbaus während dem Federungsvorgang auf.
171 mm misst der maximale Federweg am Hinterbau. Der Dämpfer wird mittels Yoke verlängert, dieses fällt allerdings relativ kurz aus und wird mit einem Dämpfer gekoppelt, der speziell auf die höher einwirkenden Kräfte ausgelegt ist. Diese Kombination sollte Langzeitfunktion gewährleisten.

Auch soll der eliminierte Lagerpunkt beim Ausfallende der Dauerhaltbarkeit nicht schaden. Der Rahmen des One-Sixty FR hat eine ASTM Kategorie 5-Zertifizierung und bei Tests im Zedler Institut weitaus mehr Zyklen auf der Testbank hinter sich gebracht, als nötig gewesen wären.
Aus diesem Grund gibt es trotz der Freigabe für Bikeparks und die dadurch erwartbar hohen Anforderungen ans Material fünf Jahre Garantie auf den Rahmen. Keine Selbstverständlichkeit und ein klares Zeichen, dass Merida von dieser Konstruktion überzeugt ist.

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An der Front ist ein 29" Vorderrad verbaut. Im Vergleich zum regulären One-Sixty, wo bei größeren Rahmengrößen 29" Hinterräder zum Einsatz kommen, vertraut das One-Sixty FR bei allen Rahmengrößen auf ein kleineres 27,5" Hinterrad. Optional gibt es mittels Flip-Chip beim Umlenkhebel immer noch die Möglichkeit, ohne Geometrieveränderung ein 29" Hinterrad zu verbauen.
Der Federweg reduziert sich dann allerdings etwas, bzw. wird die Kinematik automatisch leicht angepasst.

Die Kabelführung verläuft neumodisch durch den Steuersatz ins Innere des Rahmens. Dort sind Kabelkanäle untergebracht, demensprechend geräuschfrei sollen sich die Züge während der Fahrt darin verhalten. Ein Service Port am unteren Teil des Unterrohrs hilft dabei, die Kabel innerhalb des Rahmens korrekt und ohne großen Aufwand zu verlegen.
Eine ISCG-Befestigung erlaubt die Montage von Kettenführungen. Am Hinterbau beträgt die maximal empfohlene Reifenbreite 2,5". Als Schaltauge fungiert SRAMs UDH-Standard.
Nettes Feature: auf der Verstärkungsbrücke des Hinterbaus lässt sich ein langer Fender für besonders gatschige Tage montieren.
Der Schnellspannhebel der Boost 12 x 148 mm Hinterachse fungiert gleichzeitig als 4 mm und 6 mm Inbus-Werzeug, womit sich bis auf das Hauptlager alle Schrauben am Rahmen festziehen lassen. Apropos Werkzeug: Im oberen Teil des Rahmendreiecks lässt sich ein Werkzeughalter oder ähnliches montieren. Platz genug für eine vollwertige Wasserflasche ist ebenso.

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Kinematik

FAST nennt Merida sein Kinematik-Konzept. Die Federkennlinie wartet dabei mit leicht steigender Progression auf, je länger die Rahmengröße wird. Damit sollen unter anderem größere und schwerere Fahrer besser bedient werden und kann auf den Fahrstil eingegangen werden.

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Der Beginn des Federwegs ist auf größtmögliche Sensibilität ausgelegt. Dank progressiver Kurve soll im mittleren Bereich für Support, gegen Ende des Federwegs für Durchschlagschutz gesorgt werden. Der empfohlene Sag-Wert beträgt 30 %.
Dank der eingebauten Progression sollte das Fahrwerk des One-Sixty FR gut mit der linearen Federkennlinie eines Stahlfeder-Dämpfers harmonieren.

Das Dämpfermaß misst 230 x 65 mm. Dadurch ergibt sich ein durchschnittliches Hebelverhältnis von 2,63 : 1.

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In puncto Anti-Squat sitzt das One-Sixty FR knapp über 100 % bei 30 % Sag, mit einer abfallenden Kurve, je tiefer das Bike in den Federweg taucht. Damit soll sich das Bike neutral beim Treten verhalten und aktiv agieren, wenn es den Federweg bei Abfahrten freigibt.
Der Anti-Rise bei 30 % Sag beträgt knapp unter 100 %, womit das Fahrwerk balanciert bei Bremsmanövern agieren soll. Auch hier fällt die Kurve mit zunehmendem Federweg ab, wodurch die Federung in diesem Bereich aktiver arbeiten können soll.

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Wer Probleme damit hat, diese Charts zu identifizieren, kann unser Federungs 1 x 1 für zusätzliche Infos zurate ziehen.

Geometrie

Hinsichtlich passender Rahmengröße fügt sich Merida in die Riege jener Firmen ein, die ihrer Kundschaft mehr Auswahl ermöglichen will - und das ist gut so.
Agilometer nennt Merida dieses Konzept, und dementsprechend bezieht sich die Bezeichnung ihrer Größen (XShort, Short, Mid, Long und XLong) weniger auf die Sattelrohrlänge, denn auf die Länge des Reaches. Dank kurzer Sitzrohre ermöglichen sie auch kleineren Fahrern, zu größeren Rahmenlängen zu greifen und dabei Sattelstützen mit langem Hub zu fahren.

Moderne Maße werden beim Reach geführt. Bei Größe Mid misst er beispielsweise 464 mm, bei Long 492 mm. Ausgesprochen kurz ist hingegen die Kettenstrebenlänge mit nur 434 mm, bzw. 437,5 mm bei Long und XLong. Dementsprechend ergeben sich Radstandslängen, die nicht extrem über die Stränge schlagen.
Richtig kurz ist auch das Steuerrohr. Hier vertritt Merida die Ansicht, dass bei Bedarf auch via Spacern und höheren Lenkern nachgebessert werden kann, während umgekehrt das "Tieferlegen" bei einem (zu) langen Steuerrohr nicht drin wäre.
Aufgrund des steilen Sitzwinkels von 78 Grad wird die Oberrohrlänge im Zaum gehalten. Der Lenkwinkel ist mit 63,5 Grad auf Gravity-Anforderungen getrimmt.

Geometrie

Größe XShort Short Mid Long XLong
Sitzrohrlänge (mm) 400 410 425 445 470
Steuerrohrlänge (mm) 95 95 95 105 120
Oberrohrlänge (mm) 537 564 591 623 655
Kettenstrebenlänge (mm) 434 434 434 437,5 437,5
Lenkwinkel 63,5° 63,5° 63,5° 63,5° 63,5°
Sitzwinkel 78° 78° 78° 78° 78°
Stack (mm) 620 620 620 629 643
Reach (mm) 409 437 464 492 519
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Ausstattung & Modelle

Beim Preis-/Leistungsverhältnis richtete Merida bewusst den Fokus auf Federungselemente, Reifen und Bremsen, vor der Schaltung und dem Rest der Komponenten.

Als Highlight beim One-Sixty FR 600 sind ohne Zweifel die DVO Onyx38 D2-Federgabel und der DVO JadeX D2-Dämpfer zu werten; alleine schon deshalb, weil auch die Gabel brandneu ist und zusammen mit dem Launch des One-Sixty FR Premiere feiert.
Aus diesem Grund ist es nur rechtens, sich die DVO Onyx38 etwas genauer anzusehen:

Aufbauend auf der Onyx36-Federgabel, vertraut die Onyx38 auf zahlreiche der bewährten Features in einem noch stabileren neuen Chassis mit 38 mm dicken Standrohren. Diese sind mit sogenanntem Sugar Coat versehen, um für ein geringes Losbrechmoment zu sorgen. Letzteres wird weiters durch stark überlappende Gleitbuchsen verbessert. Eine Floating Axle-Bauweise mit einseitiger Schraube erlaubt eine klemmfreie Ausrichtung des Chassis. Eine brandneue Negativ-Luftfeder ersetzt die gewohnte Stahlfeder und erleichtert die Abstimmung enorm. Neben dem Low-Speed Rebound lässt sich die Kompressionsdämpfung in drei Stufen regulieren. Die Dämpfung selbst basiert auf einem geschlossenen Bladder-Cartridge-Design.
Der Offset des am Merida One-Sixty FR spezifizierten Modells beträgt 44 mm. Ein integrierter, abnehmbarer Fender ist Teil des Pakets.

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Passend dazu ist der DVO JadeX D2-Dämpfer am Hinterbau verbaut und je nach Rahmengröße mit unterschiedlichen Federhärten ausgerüstet (300 lbs. bei XShort und Short, 350 lbs. bei Mid, 400 lbs. bei Long und 450 lbs. bei XLong). Aftermarket sind Federhärten zwischen 250 und 550 lbs. sowie progressive Stahlfedern erhältlich.
Der JadeX verfügt als Highlight über die T3 Kompressionsdämpfungs-Einstellung. Mittels eines kleinen Hebels am Ausgleichsbehälter kann man zwischen den Stufen Open, Medium und Firm wählen. Ein neues High Flow Ventil-Design sorgt für Abstufungs-Bandbreite und mehr Kontrolle. Der Druck im Bladder lässt sich abstimmen, wodurch sich die Art und Weise, wie der Dämpfer auf Schläge reagiert, ändert. Der 14 mm dicke Aluminiumschaft ist auf größtmögliche Robustheit ausgelegt und soll auch mit der höheren Belastung von Yokes zurechtkommen.

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Bei den Bremsen Kommt TRPs Trail Evo 4-Kolben-Modell zum Zug, samt fettem 220 mm Rotor vorne und 203 mm hinten. Die Schaltarbeit übernimmt Shimanos Deore. In puncto Reifen setzt man auf Continentals Kryptotal F und R in der soften Gummimischung. Dabei wird der Vorderreifen mit Enduro- und der Hinterreifen mit DH-Seitenwänden für extra Durchschlagschutz verbaut.
Abgerundet wird das Paket mit Meridas Team TR II-Teleskopstütze, die von 30 bis 230 mm ohne Werkzeug einfach in ihrem Hub perfekt auf jede Beinlänge einstellbar ist.
Und last, but not least: An der Unterseite des Merida-Sattels ist ein kleines Multitool versteckt.

Das One-Sixty FR 600 geht für € 3.899,- über die Ladentheke.

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Beim One-Sixty FR 400, dem mit € 2.999,- veranschlagten, preisgünstigeren Modell wird eine SR Suntour Durolux 38-Federgabel mit DVO Jade X D3-Dämpfer verbaut. Als Schaltgruppe vertraut man auf die Haltbarkeit der Shimano CUES 1x10.

Beide Bikes sind in jeweils zwei unterschiedlichen Farbkombinationen erhältlich.

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First Ride(s)

Erste Ausfahrten bei Media Launches sind im Normalfall zeitlich eher begrenzt, können aber durchaus einen aussagekräftigen Ausdruck hinterlassen. So auch bei dieser Produktpräsentation. Auf einem Shuttle-Tag ließen sich fleißig Tiefenmeter sammeln.
Die Chance, das Bike unmittelbar im Anschluss auch noch einen Tag lang bei einem (an sich) mehrtägigen Endurorennen - konkret das Merida EX in Exmoor, Großbritannien - unter Rennstress über ein paar Stages zu jagen, half, den ersten Eindruck zu schärfen.

Dass ein Rahmenkonzept mit kurzen Sitzrohren, bei welchem auch kleinere Fahrer zu längeren Rahmen greifen können (oder größere Fahrer Teleskopstützen mit massig Drop einsetzen können), eigentlich nur Vorteile mit sich bringt, haben leider immer noch nicht alle Hersteller verstanden - Merida dankenswerter Weise schon.
Ich bin ein gutes Beispiel dafür, dass persönliche Vorlieben des Handlings nicht zwangsläufig an die Körpergröße (in meinem Fall 168 cm) gebunden ist, hat sich doch meine Präferenz nach ausgiebigem Herumprobieren von sehr kurzen Rädern über die Jahre in die Gegenrichtung entwickelt. Mehr dazu später.

Auch wenn das One-Sixty FR vor allem bei Ausflügen in Bikeparks seine Krallen ausfahren soll, ist es wahrlich kein schlechter Kletterkumpane. Natürlich macht sich das Gesamtgewicht von den angegebenen 17,7 kg ohne Pedale beim Beschleunigen bemerkbar. Aber selbst bei längeren Anstiegen oder kurzen steilen technischen Kletterpassagen trieb es einem nicht unbedingt die Tränen in die Augen.
Am ersten Tag des Merida EX-Rennens war ich nach insgesamt 1.400 Höhenmetern des Hinaufkletterns positiv überrascht, dass ich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl hatte, meine Beine für ihren nur mittelmäßig trainierten Zustand gleich doppelt und dreifach bestraft zu haben. Mit der richtigen Einstellung, und solange man nicht auf eine Bestzeit bergauf aus ist, kommt man also auch ohne Shuttle oder Lift vor allem in Gebieten mit flacheren Anstiegen mit etwas Muße ohne Probleme zum Ziel.
Hauptsächlich dafür danken muss man vermutlich dem - trotz der Abflachung der langen Federgabel - steilen Sitzwinkel, welcher eine effiziente Sitzposition erlaubt und auch in steileren Bergauf-Sektionen dabei half, die Front mühelos am Boden zu halten - und das trotz sehr kurzer Kettenstreben.

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Aufgrund der extremen Feinfühligkeit des DVO-Dämpfers wippte das Bike freudig mit jeder Pedalumdrehung mit, was aber eigentlich - zumindest mir - nur auf der Straße oder gut präparierten Forststraßen auffiel. Selbst ich, der ich normalerweise nie zu Kletterfunktionen am Dämpfer greife, habe also in solchen Situationen ab und zu den Dämpfer auf die mittlere Position geschalten.
Den Löwenanteil der Zeit kletterte ich in der geöffneten Position und es freute sich mein Hintern darüber, dass das Fahrwerk sänftenartig Waldwege zur Autobahn machte.

Nachdem sich meine Wunsch-Geometrie meistens zwischen 465 und 475 mm Reach einpendelt, fiel in erster Instanz meine Wahl auf das Größe Mid-Modell.
Für ein Bike dieser Kategorie fühlte sich das One-Sixty FR bereits beim ersten Aufsitzen durchaus bewegungsfreudig an. Lenkbewegungen und Lastwechsel setzte es willig um, womit es vor allem in engen Waldpassagen flink um die Kurven jagte.
Obwohl ich grundsätzlich ein Verfechter von längeren Kettenstreben - und deren größenabhängigem Mitwachsen - bin, passten die kurzen 434 mm-Streben gut zum verspielten Charakter des Bikes. Oder besser gesagt, waren sie hauptverantwortlich dafür, dass das Bike energisch die Richtung wechseln kann und sich der Hinterbau willig in enge Kurven hineinbuchsieren lässt.
In puncto reiner Kurvengeschwindigkeit geben Bikes mit längeren Kettenstreben etwas mehr Stabilität und produzieren mehr Druck auf dem Vorderrad. Beim One-Sixty FR will also die Front aufgrund der etwas höheren Gewichtsverlagerung über dem Hinterrad etwas mehr geladen werden, um Traktion zu behalten. Fairerweise muss man aber sagen, dass sich das Bike nie drastisch unbalanciert angefühlt hat.

Ohne behaupten zu wollen, dass mir das Handling des Mid nicht zugesagt hätte, drängte sich mir der Wunsch nach einem Quäntchen mehr Laufruhe bei höheren Geschwindigkeiten auf. Also stieg ich auf die Größe Long um, auf der ich mich pudelwohl fühlte.
Dabei muss ich sagen, dass der Reach von 492 mm der längste war, den ich bis zu dem Zeitpunkt gefahren bin, und ich war selbst ein bisschen davon überrascht, dass ich mit kürzerem Vorbau selbst damit blendend zurechtgekommen bin. Dass die Kettenstreben ab Rahmengröße Long um 3,5 mm mitwachsen ist nett; einen riesen Unterschied macht dieser geringe Wert im Vergleich zum Anwachsen des Reaches allerdings nicht aus.
Natürlich ist Körpergröße ein limitierender Faktor. Dass ich beim One-Sixty FR aber letztendlich theoretisch aus vier Rahmengrößen von XShort bis Long wählen kann, ist beachtlich. Es sei allerdings dazugesagt, dass der Long Rahmen nicht der empfohlenen Größenangabe von Meridas Agilometer entspricht. Im Endeffekt muss aber sowieso jede/r für sich entscheiden, was am besten zum individuellen Fahrstil passt.

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Ganz kann ich mich mit Meridas Erklärung, wonach die steigende Progression der Kinematik mit der Länge der Rahmen mitwächst, um dem höheren Gewicht von größeren Fahrern entgegenzukommen, nicht anfreunden.
Meinem physikalischen Verständnis nach würde die Anpassung des Dämpfers auf das Fahrergewicht die Masse des Fahrers und dessen Einwirkung auf die Kennlinie egalisieren, außer der vergleichsweise verminderte Reibungswert würde einen eklatanten Unterschied machen, wovon ich bei einem Stahlfederdämpfer nicht ausgehe.

Besser schon gefällt mir die Erklärung, dass aggressivere Fahrer aufgrund der höheren Laufruhe eher zu längeren als kürzeren Rahmen greifen, wodurch die erhöhte Progression durchaus Sinn macht, um sie vor Durchschlägen zu schützen. Persönlich würde meiner Meinung nach eine optionale Verstellbarkeit der Progression bei jeder Rahmengröße wohl am meisten Sinn machen. Schließlich könnte ein erfahrener kleiner leichter Fahrer auf einem kleinen Rahmen eine Federung weitaus mehr fordern, als ein unerfahrener schwerer Fahrer auf einem großen Rahmen.
Theorie hin oder her, ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass mir in der kurzen Zeit, die ich mit beiden Rädern verbracht habe, an der Kinematik zwischen Mid und Long Unterschiede aktiv aufgefallen wären.

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Generell sprach die Federung mit dem DVO Stahlfeder-Dämpfer extra sensibel bereits auf kleine Unebenheiten an, rauschte aber bei stärkeren Schlägen nicht unkontrolliert durch den Federweg. Die Fähigkeit des Bikes, auf schnell aufeinanderfolgende Schläge zu reagieren, ist hervorragend. Wurzelteppiche bügelte das Sixty-One FR ohne mit der Wimper zu zucken einfach glatt. Dabei behielten Vorder- wie Hinterrad selbst bei Schrägfahrten mit Hindernissen sauber Bodenkontakt und hielten gezielt die Spur.
Der Hauptdrehpunkt sitzt ungefähr auf Höhe des 32er Kettenblattes und relativ weit vor dem Tretlager, wodurch die Raderhebungskurve ein paar Millimeter weniger weit bei voller Ausnutzung des Federwegs nach vorne wandert, als wäre der Punkt hinter dem Tretlager angesiedelt. Jedes Detail, auch wenn es noch so minimal zu sein scheint, um die Federungsarbeit zu verbessern, ist gerne gesehen.

Mehr als passend fügte sich die DVO Onyx38 ins Gesamtbild ein. Simpel abgestimmt, liefert die massive Federgabel eine Performance, die sich selbst auf High-End Gravity Bikes nicht zu verstecken bräuchte.
Sensibel bei kleinen Schlägen, findet sie bei härteren Schlägen auch im mittleren Federwegsbereich guten Support, ohne stark wegzutauchen. Mit einem Setup von zwei Volumen-Spacern am Testbike waren selbst bei harten Landungen im Flachen noch Reserven vorhanden, was für weitere Tuning-Möglichkeiten spricht.
Im Endeffekt musste man nicht viel über die Federgabel nachdenken und konnte sich sicher sein, dass die Gabel selbst beim Hineinspringen in Wurzelsektionen oder harten Hineinbremsen in zerklüftete Kurven stets die Kontrolle behalten und nur sehr wenig Schlagenergie an die Hände durchdringen lassen würde.

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Vom Flex Pivot spürt man in der Realität nicht viel, außer, dass sich der Hinterbau gelegentlich bei harten Bremsmanövern etwas verhärtete, obwohl er trotzdem immer kontrolliert in der Spur zu halten war.
Der Federweg war in der Regel immer gut nutzbar. Bei dem ein oder anderen Sprung ins Flat war zu merken, dass man an seinem Ende angelangt war; allerdings nicht auf harsche Art und Weise, bei welcher man ein hartes Durchschlagen wahrgenommen hätte. Das könnte bei einem harten Ritt im Bikepark etwas anders aussehen, sollte mit ein paar Einstellungen am Dämpfer aber auch gut kontrollierbar sein.

Wie sich das Bike auf größeren Jump Trails oder Freeride-artigen Drops verhalten würde, war in dem kurzen Testzeitraum und auf den vorhandenen Strecken nicht zu testen. Wirkliche Sorgen, dass sich das One-Sixty FR dort nicht auch – oder gerade – von der besten Seite präsentieren würde, habe ich nicht.
Die mittlere Plattform-Stellung des DVO-Dämpfers kann übrigens auch beim Downhill auf glattflächigen Strecken aktiviert werden. Konnte sie mich auf dem Trail nicht unbedingt begeistern, könnte dies auf Jump Trails und flowartigen Strecken eine sehr smarte Option bieten, um zusätzlichen Pop und Durchschlagschutz zu gewährleisten.

Besonderes Lob gebührt der neuen Merida Team TR II-Teleskopstütze. Das Rahmenkonzept ließe sich nicht annähernd so gut ausreizen, könnte man die Länge des Hubs nicht perfekt auf die individuelle Beinlänge anpassen. Selbst beim Größe Long Rahmen war es mir möglich, 167 mm Hub (beim Größe Mid Rahmen dementsprechend 20 mm mehr) aus dem Setup zu kitzeln, bei 168 cm Körpergröße.
Die Einstellung selbst ist denkbar einfach: Den Klemmring bis an die Sattelklemme schieben und mit der Hand aufdrehen, Bedienhebel drücken, Sattelstütze auf die gewünschte Höhe fahren, Klemmring wieder Festziehen, fertig.
Einige Versuche kann das Prozedere schon benötigen, um die perfekte Höhe zu finden, da die Stütze sich manchmal ein paar Millimeter verschiebt bzw. die perfekte Höhe erst einmal gefunden werden will. Aber generell ist das Resultat äußerst genugtuend.

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Wünsche?

Verbesserungsvorschläge meinerseits gibt es, ehrlich gesagt, nicht viele.
Obwohl meine Hände nicht die Kleinsten sind, ließ der Verstellbereich der TRP-Bremshebel zu wünschen übrig. Sie lassen sich – wie andere Modelle bei TRP auch – nicht nahe genug an den Lenker bringen, um alle Gemüter glücklich zu stimmen. Man kann sich zwar auch an diesen Umstand gewöhnen, wundert sich aber über die mangelnde technische Umsetzung. In puncto Dosierbarkeit und Bremskraft passt sie gut zum Charakter des Bikes.
Den 40 mm Vorbau würde ich auf einen noch kürzeren wechseln, und habe dies für das Rennen auch umgesetzt. Das kam den Fahreigenschaften der Disziplin und meiner bevorzugten Wahl von längerem Reach zugute.

Auch Kurbeln mit 170 mm Länge erscheinen für ein Gravity Bike nicht ganz passend. Studien belegen, dass längere Kurbeln selbst bei größeren Fahrern nicht gleich in größerer Kraftentfaltung resultieren, und schon alleine die Chance, Bodenkontakt beim Pedalieren zu reduzieren ist es Wert, auf kürzere Modelle zu setzen.
Nach mehreren Problemen mit Dämpfern, die durch Yokes zerstört wurden, wird man mir meine Skepsis gegenüber dieser Bauweise hoffentlich nicht verübeln. Das Yoke am One-Sixty FR ist allerdings recht kurz, und DVO war eine der ersten Firmen, die spezielle Dämpfer-Modelle bauten, um diesem Problem entgegenzuwirken. Der Schaft des Jade X-Dämpfers ist mit 14 mm massiv, somit lässt sich nur hoffen, dass man sich im Fall des One-Sixty FR keine Gedanken bezüglich Langzeit-Haltbarkeit machen muss.

Wie man es insgesamt also dreht und wendet. Für einen empfohlenen Verkaufspreis von € 3.899,– für das One-Sixty FR 600 bekommt man ein Paket und vor allem Fahrwerk serviert, mit dem man richtig Gas geben kann. Es würde mich also alles andere als wundern, diesem Modell in Zukunft öfter in freier Wildbahn zu begegnen.

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@NR22 ist die neue Negativ-Luftfeder bei der Onyx noch immer einstellbar, wie die Stahlfeder vorher? Wäre schade, wenn das nicht mehr der Fall wäre - das OTT-Feature bei meiner DVO Diamond taugt mir sehr und funktioniert einwandfrei. 

 

edit: offenbar nicht - von Pinkbike:

Zitat

On the top build, the new Onyx 38 D2 fork does away with DVO's adjustable coil-negative spring system (called OTT) in favor of a more conventional and user-friendly self-equalizing air spring.

 

 

Bearbeitet von romanski
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492mm Reach bei 168 Körpergröße?

Wow, muss meine Reach-Vorlieben (bin 173) wohl nochmal überdenken und mal längere Bikes probefahren.

 

Bike schaut stimmig aus, preislich sehr in Ordnung und das Fahrwerk dürfte auch top sein. Auch die günstige Version mit der Durolux geht sicher (sehr) gut.

Gut gemacht Merida, beim nächsten Mal vllt dann noch an HighPivot heranwagen ;)

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vor 59 Minuten schrieb Gili:

492mm Reach bei 168 Körpergröße?

Wow, muss meine Reach-Vorlieben (bin 173) wohl nochmal überdenken und mal längere Bikes probefahren.

 

Bike schaut stimmig aus, preislich sehr in Ordnung und das Fahrwerk dürfte auch top sein. Auch die günstige Version mit der Durolux geht sicher (sehr) gut.

Gut gemacht Merida, beim nächsten Mal vllt dann noch an HighPivot heranwagen ;)

 

Musst nicht. Bin so gross wie du und bin schon 2 verschiedene Räder mit so einem Reach gefahren von Freunden (Neues Strive und Meta AM). Macht keinen Spass. Fühlt sich dann nämlich auch überhaupt nicht laufruhig an weil das Rad mit dir und ned du mit dem Rad fährst.

Vor 4 Jahren war die entsprechende Rahmengrösse für Leute unserer Grösse noch mit 430 435 Reach. 450-460 sind ganz nett und selbstverständlich besser, keine Frage. Aber man muss es ja ned komplett übertreiben.

Mir kommt der Trend zum extra langen Radl bissl vor wie mit den Skiern wo jeder zeigen muss, dass er es voll drauf hat und deshalb 180er Riesenslalom Ski fährt obwohl wahrscheinlich für 90% der Leute die 165er Slalom Carver mehr Sinn und Spass machen.

Bearbeitet von mahalo
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vor 40 Minuten schrieb mahalo:

 

Musst nicht. Bin so gross wie du und bin schon 2 verschiedene Räder mit so einem Reach gefahren von Freunden (Neues Strive und Meta AM). Macht keinen Spass. Fühlt sich dann nämlich auch überhaupt nicht laufruhig an weil das Rad mit dir und ned du mit dem Rad fährst.

Vor 4 Jahren war die entsprechende Rahmengrösse für Leute unserer Grösse noch mit 430 435 Reach. 450-460 sind ganz nett und selbstverständlich besser, keine Frage. Aber man muss es ja ned komplett übertreiben.

Mir kommt der Trend zum extra langen Radl bissl vor wie mit den Skiern wo jeder zeigen muss, dass er es voll drauf hat und deshalb 180er Riesenslalom Ski fährt obwohl wahrscheinlich für 90% der Leute die 165er Slalom Carver mehr Sinn und Spass machen.

danke, komm mit nominalen 454 sehr gut zurecht. hab allerdings einen 35er Vorbau und 12° Backsweep-Lenker, was den effektiven Reach etwas verkürzt. 

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vor 51 Minuten schrieb mahalo:

...der Trend zum extra langen Radl...

Mein Eindruck ist, dass der Plafond jetzt erreicht ist und man nahe am Optimum ist. Für mich mit 192cm jedenfalls super, dass es jetzt wesentlich längere Rahmen auch (!) gibt, ich bin früher viel zu kleine Räder gefahren.

 

Auch z.B beim Thema Sitzwinkel ist der Plafond wohl erreicht. Privateer ist beim neuen 161 jetzt dann bei 78 Grad, zuvor sind sie etwas übers Ziel geschossen mit 80 Grad. Aber das ist auch richtig und notwendig in einer Entwicklung, die Grenzen auszuloten. 

 

(Lenkerbreite detto: 820mm war zu viel, Optimum für die meisten je nach Größe/Vorliebe bei 750-800mm)

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vor 3 Minuten schrieb FloImSchnee:

Mein Eindruck ist, dass der Plafond jetzt erreicht ist und man nahe am Optimum ist. Für mich mit 192cm jedenfalls super, dass es jetzt wesentlich längere Rahmen auch (!) gibt, ich bin früher viel zu kleine Räder gefahren.

 

Auch z.B beim Thema Sitzwinkel ist der Plafond wohl erreicht. Privateer ist beim neuen 161 jetzt dann bei 78 Grad, zuvor sind sie etwas übers Ziel geschossen mit 80 Grad. Aber das ist auch richtig und notwendig in einer Entwicklung, die Grenzen auszuloten. 

 

(Lenkerbreite detto: 820mm war zu viel, Optimum für die meisten je nach Größe/Vorliebe bei 750-800mm)

 

Glaub ich auch. Man merkt bei einigen Herstellern, die davor sehr ins extrem gegangen sind, dass sie wieder einen Schritt zurück machen. Eben bei Privateer oder aber auch bei Commencal das neue Meta AM. Wobei ja grad das Merida eigentlich eh voll im Rahmen ist mit Reach und co. Das muss man sich dann schon ganz bewusst eine Nummer zu gross nehmen. Da wird dann schon eine gewisse Vorliebe mit rein spielen.

 

Bearbeitet von mahalo
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